Donnerstag, 31. März 2011

Jungsteinzeit in Karlsruhe

Bis zum 15. Mai 2011 kann im Badischen Landesmuseum im Karlsruher Schloss noch die Ausstellung „Jungsteinzeit im Umbruch - Die "Michelsberger Kultur" und Mitteleuropa vor 6000 Jahren“ besichtigt werden. Das Thema ist abweichend von den letztjährigen Ausstellungen über die Vandalen oder über die „dunklen Jahrhunderte“ Griechenlands sehr nahe liegend - der für die Michelsberger Kultur namensgebende Michaelsberg beim Bruchsaler Stadtteil Untergrombach ist nur wenige Kilometer entfernt.

Dennoch wurde kein lokales Thema daraus gemacht - wenn auch der Besucher zunächst durch einen rekonstruierten Erdwerks-Eingang läuft und hier die lokalen Funde von den Erdwerken bei Bruchsal und bei Bruchsal-Untergrombach die Hauptrolle spielen. Zum einen war der Michaelsberg namensgebend für eine großräumige Kultur. Das vor allem deshalb, weil hier schon früh archäologische Untersuchungen stattfanden. Zum anderen ist die Fundsituation auf dem üblichen Boden („Mineralboden“) nicht so gut wie in den Feuchtbodensiedlungen im Voralpenland, wo sich auch Bauhölzer, Holzgeräte und Pflanzenfasern erhalten haben, so daß die Ausstellung Exponate dieser Nachbarkulturen nutzt, um die jungsteinzeitliche Ausstattung umfassender darstellen zu können. Und schließlich waren diese Kulturen europäisch vernetzt, was in der Ausstellung durch Metallfunde und Jadeit-Beile dargestellt wird.

Das meiste aus der Michelsberger Kultur mag verloren sein. Aber bei dem wenigen, das gefunden wurde, scheint nach einer Karte mit Fundmarkierungen die Gegend bei Bruchsal und besonders die von Heilbronn vergleichsweise ergiebig gewesen zu sein. In dem Sinne finde ich es ganz gut, daß es derzeit außer in Karlsruhe auch im nahen Güglingen und in Heilbronn Steinzeitausstellungen gibt. In Güglingen ist „Älteste Spuren: Die Alt- und Mittelsteinzeit im Heilbronner Land“ bis zum 17.07.2011 und in Heilbronn „Steinzeit-Großbaustellen. Befestigte Siedlungen im Heilbronner Land“ noch bis 22.05.2011 zu sehen.

Rückseite Karlsruher Schloss

Beim Durchblättern des umfangreichen Prospekts (20 Seiten) zur Karlsruher Sonderausstellung sehe ich als einzigen Hinweis auf die beiden anderen Ausstellungen nur das ermäßigte Kombiangebot zusammen mit der Heilbronner Austellung auf der letzten Seite.

Aber was soll man zu diesen fehlenden Informationen sagen, wenn selbst der Hinweis auf die eigenen sehenswerten Stücke in der Dauerausstellung unterlassen wird? Ich hatte das Thema schon im Blog-Eintrag „Dauer- versus Sonderausstellung“. In Karlsruhe gehe ich immer noch im Mithräum im Keller vorbei, wo selbst bei gut besuchten römerlastigen Sonderausstellungen sonst niemand zu finden ist.

Im Falle der Jungsteinzeit-Ausstellung bin ich noch in den Jungsteinzeit-Bereich der Dauerausstellung, ebenfalls im Keller des Westflügels. Abgesehen von den Exponaten in der Michelsberger Vitrine schien nichts zu fehlen. Besonders sehenswert die dort aufgestellten Rekonstruktionen: ein Webstuhl, zwar mit bronzezeitlichem Vorbild, aber das Grundkonzept in der Jungsteinzeit könnte aufgrund von aufgefundenen tönernen Webgewichten ähnlich gewesen sein. Dann zwei steinzeitliche Geräte, die man sogar selbst bedienen darf: eine „Pendelsäge“ zum Sägen und eine „Bohrmaschine“ zum Durchbohren von Steinen.

Oben in der Sonderausstellung fragt man sich, wie die damals die Löcher in die Steinbeile gekriegt haben. Und unten in der Dauerausstellung sieht man eine verblüffend einfache Lösung: ein hohler Holunderstab wird mit einem Holzbogen hin und her bewegt, und wenn zwischen Holzröhre und Stein Quarzsand geschüttet wird, dann reicht die Reibung zum Bohren aus. Ich war allein mit der Aufsichtsdame und habe sie gefragt, ob viele von der Sonderausstellung oben herunterkommen. Sie hat gemeint, es kämen oft Schulklassen mit ihren Lehrern.

Die Sonderausstellung oben fand ich ganz gut. Wenn es auch damit haperte, das Gefühl für den „Umbruch“ zu bekommen. Es sind so riesig lange Zeiträume. Dann und wann kommt etwas neues dazu - Rad, Metalle - wobei das für mich mehr als graduelle Veränderung rüberkam. Vernetzung und Handel muß es ja schon vorher gegeben haben, Boote als Transportmittel standen schon zu Verfügung und sind nach Schätzungen zu den Verhältnissen in der Römerzeit mit besseren Wägen und Straßen wesentlich ökonomischer als der Landtransport. Wie brachte da das Rad einen Umbruch? Die große abrupte Veränderung wurde für mich nicht sichtbar.

Jungsteinzeit im Umbruch im Badischen Landesmuseum

Und die Fundverteilung der Metalle hat ihren Schwerpunkt in den Gebieten östlich/südöstlich des heutigen Deutschlands. Etwa das Stiergespann aus Kupfer aus Bytyn oder eine vorgestellte Goldscheibe aus Transdanubien. Eine „Kupferzeit“ ist als Epochenbegriff für diese Länder wirklich relevant, während sich der Begriff für unsere Gebiete nicht durchsetzen konnte. Vermutlich weil in dieser Zeit vorrangig nur importiert wurde und es nicht zu einer Übernahme der ganzen Technologie kam? (Im Keller gibt es übrigens beim Übergang in die Bronzezeit auch eine Skizze eines Kupferbergwerks).

Die ungenügende Fundsituation habe ich schon angesprochen. Das geht so weit, daß in der Literatur gewarnt wird den Begriff „Kultur“ zu wörtlich zu nehmen, weil die zeitliche und räumliche Zuordnung der Funde zu Gruppen vorrangig auf Basis der Keramik erfolgt und darüber hinaus sehr wenig von dem bekannt ist, was normalerweise eine Kultur ausmacht.

Im Falle der Michelsberger Kultur ist anscheinend weitgehend ungeklärt, welche Rolle die charakteristischen Erdwerke eigentlich spielen. Man möge auf der in meinem Blog-Eintrag über die Erdwerke im Braunschweiger Land angegebenen Projekt-Website dazu stöbern (daneben finden sich dort noch weitere weiterführende Links). Die Funde lassen daran zweifeln, daß es sich bei den Erdwerken um Verteidigungsanlagen handelte. Aber was war es dann, Kultort, Viehpferch, ...?

Und wie wurde der Lebensunterhalt gesichert? Bei Bruchsal habe ich immer „gute Böden“ und uraltes menschliches Siedlungsgebiet im Kopf. In der Ausstellung gibt es die Angabe, daß Auerochsen die wichtigsten Jagdtiere waren und vermutlich 20-30 % des Fleischbedarfs gedeckt haben. Also eine Ackerbau-Kultur mit etwas Jagd und Haustierhaltung nebenher? Anderseits wird im „allgemeineren“ Teil der Ausstellung die Brandrodung thematisiert, mit der weniger begünstigte Böden zum Preis eines hohen Landverbrauchs für kurze Zeit fruchtbar gemacht werden konnte. Ein Artikel im Katalog (24,90 Euro, Primus-Verlag) beschreibt darüber hinaus eine Nutzung mit Viehherden, bei der man großflächig Wälder abholzte und das Laub bestimmter Baumarten als Viehfutter verwendete.

Es wäre ganz nett, wenn man solche Aussagen, wenn sie einigermaßen belastbar sind, als Basis in eine geeignete Software eingeben könnte, die dann in der Landschaft mit Zeitschieber Äcker und Weideland generiert. Und darauf aufbauend könnten die Experten vielleicht noch verschiedene Theorien abbilden und so verschiedene Alternativen visualisieren, und die Laien könnten alles im Zusammenhang sehen und zuhause die Alternativen durchklicken. Ich glaube fest daran, daß so etwas irgendwann kommt und für alle Beteiligten zum Verständnis der Welt hilfreich sein wird.

Badisches Landesmuseum im Karlsruher Schloss

In Karlsruhe gibt es so etwas noch nicht zu sehen. Dort gelangt man nach dem rekonstruierten Erdwerks-Eingang zu einem Erdwerks-Modell, um das sich herum Vitrinen mit Keramik und Knochen befinden. Die Knochen sind befremdlich und regen wie Herxheim grausliche Phantasien an: ein abgetrennter Vorderschädel einer jungen Frau, möglicherweise als Gesichtsmaske verwendet. Menschliche Knochen mit Tierverbiss, ein Knochen nach Tierverbiss bearbeitet, also möglicherweise nachdem er durch einen Hund in die Siedlung geschleppt wurde. Und das bei sehr wenigen Funden von menschlichen Überresten im Verhältnis zur geschätzten Bevölkerungszahl.

Auf der Projektseite zu den Erdwerken im Braunschweiger Land ist der Gedanke zu finden, daß möglicherweise unterwegs bei Weidezügen Gestorbene später zu den Erdwerken gebracht wurden. So im Sinne Kultort hat Herxheim eine überregionale Bedeutung gehabt, dessen vermuteter großer Einzugsbereich sich nicht mit Weidezügen erklären läßt. Herxheim liegt Bruchsal räumlich sehr nahe, die ausgegrabenen Knochen dort kamen aber mehrere Jahrhunderte zuvor in die Gruben. Was heißt das nun wieder? War der heute grauslich wirkende Umgang mit den Toten über Jahrtausende normal? Anderseits, wie „normal“ würden wir auf die Jungsteinzeitler wirken? Die konnten vermutlich schneller ein Tier auseinandernehmen als wir heutzutage ein technisches Gerät und wußten auch noch, wie die jeweiligen Teile schmecken. Wir finden davon das meiste eklig und zimpern bei jeder Gelegenheit herum, wollen aber trotzdem gern leckere Steaks essen.

Der Michelberger Teil geht in der Ausstellung mit den Gefäßen anderer Kulturen zu Funden aus den Feuchtbodensiedlungen über. Vormals hießen die Pfahlbausiedlungen, das ist aber jetzt nach Ausstellung out. Wie schon oben gesagt, haben die Feuchtbodensiedlungen den Vorteil, daß mehr erhalten bleibt. Der folgende Ausstellungsteil wäre also verallgemeinernd zu sehen - so oder so ähnlich kann es auch bei den anderen Jungsteinzeitlern ausgesehen haben: ein Nachbau einer Hauswand auf Basis von am Bodensee gefundenen Lehmresten mit weißer Bemalung und Lehmbrüsten aus der älteren Pfyner Kultur zeigt, daß die Leute nicht mit kahlen Wänden gelebt haben. Mit den Funden kann man auf Bastkleidung und Flechtschuhe und Schmuck aus Bären- Eber- und Hundezähnen rückschließen. Es gibt Sichelklingen, Schaber, Messer, einen Furchenstock, Beilholme, Hacken, Steinbeile und Beispiele für die vielseitige Verwendbarkeit von Hirschgeweih und Birkenrinde zu sehen.

Die bayerischen Leser seien hier auf einen im Blog-Eintrag über die Roseninsel verlinkten Artikel der Augsburger Allgemeinen von 2009 hingewiesen. Die dort erwähnte starke Stellung des Bodenseeraums bei den Funden drückt sich auch in der Karlsruher Ausstellung aus. Aber der Artikel gibt Hoffnung: „Die Fundstätten in Bayern sind noch am wenigsten erkundet.“

Umbau Mittelparterre Schlossplatz Karlsruhe

Die Steinbeile leiten in der Ausstellung zum letzten Abschnitt über, zu dem sind bei mir die Stichworte Vernetzung und Prestigegüter hängengeblieben. Das Rad steht für die zunehmende Vernetzung. Die zunehmende Vernetzung und die Herrschaft über die Verteilungswege könnte eine Hierarchisierung gefördert haben, was sich durch Funde von Prestigegütern ausdrückt. Also beispielsweise durch aufwendige Steinbeile, die niemals für einen praktischen Zweck eingesetzt wurden. Oder durch Beile aus Jadeit, die extrem aufwendig in der Herstellung und kaum für eine praktische Anwendung geeignet waren und zudem weitverzweigte Handelswege belegen. Denn es gibt nur die italienischen Westalpen als Materialquelle, die Beile wurden aber in einem großen europäischen Gebiet gefunden.

Ähnlich der Metallschmuck. Die Kupferstiere habe ich erwähnt. Seltener war Gold, noch seltener Silber. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von uralten Goldbuckelscheiben und Kupferspiralen. Wieder gibt es eine weite europäische Verteilung der Funde, nur ist die Fundverteilung dieses Mal nicht von den Westalpen, sondern von den metallurgisch führenden Ländern östlich/südöstlich des heutigen Deutschland ausgehend.

Wie ich oben schon geschrieben habe, fand ich die Sonderausstellung ganz gut. Ich glaube, da spielt ein Gefühl der Befriedigung hinein - die Ausstellung mußte bei der lokalen Bedeutung einfach kommen. Das Gefühl erklärt sich, wenn man die zahlreichen hochrangigen Exponate der Sonderausstellung mit den doch eher dürftigen Möglichkeiten der Dauerausstellung vergleicht. Wegen der Rätselhaftigkeit dieser Jungsteinzeit-Welt mag ich es kaum schreiben, aber ich glaube schon, daß sie mit der Ausstellung ein wenig fassbarer geworden ist.

Wer die Ausstellung ebenfalls besuchen will, mag sich zuvor den Podcast zur Ausstellung und das Veranstaltungsangebot ansehen. Am besten hangeln Sie sich auf der Website des Landesmuseums zum erwähnten Prospekt (= Flyer) durch, dort ist auch das Museumsfest „Baden in der Jungsteinzeit - Baden heute“ vom 13. bis 15. Mai 2011 drin. Bei den „Events“ auf der Website sehe ich das Museumsfest jetzt nicht.

Zu den Bildern: die letzten Male haben wir/ich auf dem Weg in das Landesmuseum hinter dem Schloss bei der Majolika geparkt. Wer als Ortsunkundiger die Majolika gefunden hat, findet auch zum Schloss. Und zurück geht es entlang der Fliesen im ersten Bild. Was hinter dem Schloß stattfand weiß ich nicht, normalerweise sieht der Rasen schön ordentlich aus. Wer neben den Parkplatzgebühren auch den Eintritt in die Sonderausstellung sparen will, der könnte versuchen in das Schlosscafé links vom Turm zu gehen und von dort in die Ausstellung herüberzuwechseln. Ich bin brav um das Schloß herum gelaufen und habe die 8 Euro Eintritt bezahlt. Der Platz vor dem Schloß wird derzeit umgestaltet.

Dienstag, 29. März 2011

Herakleia Minoa

Herakleia Minoa (italienisch Eraclea Minoa, englisch Heraclea Minoa) an der Südküste Siziliens ist, was die archäologischen Sehenswürdigkeiten angeht, das Entlein zwischen den Schwänen Agrigent und Selinunt. Das drückt sich in vergleichsweisen kurzen Beschreibungen in unserem Reiseführer und in der deutschen Wikipedia aus. Und in Sizilien-Rundreiseempfehlungen wird es oft nicht erwähnt.

Bild 1: Capo Bianco

Ich weiß nicht, ob auch eine deutsche Besonderheit mit im Spiele ist, die englische Wikipedia beschreibt Herakleia Minoa deutlich umfangreicher. Es ist aber sicher so, daß das abhängige Herakleia Minoa in der großen Zeit der sizilianischen Griechenstädte nicht wie die Nachbarn Selinunt und Agrigent Gelegenheit hatte Reichtümer anzusammeln. Die Hinterlassenschaften sind dementsprechend deutlich weniger spektakulär und der Ort ist in dieser Hinsicht mindestens eine Kategorie tiefer anzusetzen als die berühmten Nachbarn.

Bild 2: Strand von Eraclea Minoa

Herakleia Minoa soll als Außenposten von Selinunt gegründet worden sein. Der Namensteil „Minoa“ wird entweder auf minoische Siedler oder auf die im Blog-Eintrag über Sant’Angelo Muxaro erwähnte mythische Landung des König Minos zurückgeführt. Beim späteren Namensteil „Herakleia“ geben hingegen die Quellen einstimmig den Mythos als Namenspaten bei einer späteren griechischen Wiederbesiedlung an.

Bild 3: Blick von oberhalb des antiken Theaters nach Südosten

Die Zeit prosperierender Selbständigkeit, in der die Tempel Selinunts und Agrigents entstanden, endete durch einen Kriegszug der Karthager. Den Untergang des alten Akragas 406 v.Chr. hatte ich im ersten Teil meines Agrigent-Berichts erwähnt. Dem folgenden Treiben steht man verständnislos gegenüber: Stop der karthagischen Eroberung vor Syrakus, akzeptierter Diktatfrieden durch Syrakus, der Karthago die Herrschaft über den größten Teil Siziliens zusprach, dann aber schon 398 v.Chr. ein von Syrakus ausgehender Gegenschlag, der von Karthago wieder zurückgeworfen wurde, in den folgenden hundert Jahren weitere Kriege zwischen Syrakus und Karthago, ohne daß eine Seite dauerhaft die Oberhand in Sizilien bekommen konnte. In Friedenszeiten Einmischungen von Karthago in die Angelegenheiten von Syrakus, bei denen teilweise der Schuß nach hinten losging und der Geförderte den nächsten Krieg gegen Karthago begann.

Bild 4: Ausstellungsraum für Funde in der Zona Archaelogica Eraclea Minoa

Die Lage von Herakleia Minoa dürfte schon zuvor zwischen der entfernten Mutter Selinunt und dem nahen Akragas nicht einfach gewesen sein. Nach der Eroberung des Gebietes durch die Karthager erwähnt der deutsche Wikipedia-Artikel dann folgende Machthaber: Dionysios I. von Syrakus (vermutlich in Folge des erwähnten Gegenschlags), 383 v. Chr. ging Herakleia Minoa wieder an Karthago, 309 v.Chr. an Agrigent, das es wiederum an Agathokles (Syrakus) verlor. Und zeitweise war Herakleia Minoa im Besitz von Pyrrhus (der Griechenkönig mit den Pyrrhus-Siegen, während seines sizilianischen Abstechers von seiner Expedition nach Süditalien). Wegen der Solidität der Daten wäre ein extra für Herakleia Minoa ausgearbeiteter Führer mit Zeitlinie und Quellenangaben nicht schlecht gewesen, aber vor Ort gab es keinen.

Bild 5: Blick von oberhalb des antiken Theaters über das Ausgrabungsgelände

Wenden wir uns dem zu, was es vor Ort zu sehen gibt: Man erreicht die Zona Archaelogica Eraclea Minoa über die Schnellstraße entlang der Küste von Agrigento in Richtung Sciacca und Selinunt. Die Strecke verläuft bei Herakleia Minoa ein Stück im Landesinnern. Von ihr zweigt man ab in Richtung Meer und nach Eraclea Minoa. Vor den letzten Metern zum Parkplatz auf der Hochfläche über der Steilküste des Capo Bianco (die Kalksteinfelsen sind auf dem ersten Bild zu sehen) gibt es eine Kreuzung, von der eine Straße hinunter durch ein kleines Wäldchen und weiter zum Sandstrand führt.

Bild 6: Blick über das Ausgrabungsgelände von Herakleia Minoa

Wir sind da nach dem Besuch der Zona Archaelogica hinunter und ich hatte seinerzeit ein komisches Gefühl beim Durchfahren des Wäldchens und beim Blick in die Siedlung. Ich erkläre mir das heute damit, daß ich damals nicht wußte, daß das Sommer-/Ferienhäuser sind und deshalb alles ziemlich tot dalag. Neben den Ferienhäusern gibt es in dem Wäldchen auch einen Zeltplatz und beim Stöbern im Internet fand ich, daß der Strand als wenig überlaufener Badestrand empfohlen wurde. Wir waren am Strand sogar allein mit zwei Anglern, und die in den ersten beiden Bildern angeschnittenen Lokalitäten waren zu. Ich hatte die Ferienhäuser, den Zeltplatz und die Nähe zu Agrigent (etwa 30 km) bei meinen touristischen Empfehlungen im Blog-Eintrag zum fünften Teil Agrigent nicht im Kopf und deshalb diese Option nicht erwähnt, aber dieser Standort wäre statt eines Hotels bei Agrigento schon eine Prüfung wert.

Bild 7: Das Theater von Herakleia Minoa

Oben auf der Hochfläche über dem Capo Bianco läuft man vom Parkplatz zum Eingang des eingezäunten Areals. Dann an neuen Gebäuden vorbei, in denen sich ein Ausstellungsraum mit vor Ort gemachten Funden befindet (Bild 4). Von da weiter zur (Teil-)Ausgrabung der Stadt, die durch die in Bild 8 zu sehenden Stadtmauerreste vom Hochplateau abgegrenzt ist. Wenn wirklich erst ab dieser Mauer die Stadt begann, dann hat die Stadt den kleineren Teil der Hochfläche eingenommen. Von diesem kleineren Teil kippt das Gelände relativ sanft nach Westen in das Tal des Platani (Halykos in der Antike) ab. Da unten müßte der Hafen gelegen sein.

Bild 8: Teil der Stadtmauer von Herakleia Minoa

Die Mauerreste sollen nach Reiseführer (Baedecker, Auflage 2007) Teil einer 6 km langen Stadtmauer gewesen sein. Und nach der Wikipedia war Herakleia Minoa eine wichtige Grenzfestung. Das ist durch seine Lage „zwischen den Stühlen“ und die häufigen Machtwechsel plausibel. Die Mauerreste wirken jetzt aber nicht so beeindruckend, wenn die Gegner wirklich die Hochfläche als Aufmarschgebiet hatten. Vielleicht gab es im unausgegrabenen Bereich auf der dem Meer abgewandten Nordseite der Stadt eine stärkere Befestigung. Der vorhandene Überblicksplan war aber nicht mehr brauchbar, und ein andere Skizze, wie man sich das antike Herakleia Minoa mit Befestigungswerken vorzustellen hat, kenne ich nicht.

Bild 9: Überdachte Gebäudereste auf dem Ausgrabungsgelände

Ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Selinunt und Akragas ist das Theater mit Blick in Richtung Meer. Wobei ich rätselte, wie hoch man seinerzeit sitzen mußte, um über die gegenüberliegenden Häuser und die Stadtmauer sehen zu können. Oberhalb des Theaters und im Bereich der Häuser kann man auf dem Gelände ziemlich frei herumlaufen. Es gäbe sicher viel, was man dazu erzählen könnte, um die Ausgrabung für den Laien mit mehr Leben zu erfüllen. Da wären vielleicht gekennzeichnete Stationen und mehrsprachige Audioguides nicht schlecht. Oder sollte man jetzt schon auf professionell erstellte Führungen für Smartphones setzen, in ein paar Jahren dürften ja die meisten mit sowas herumlaufen?

Bild 10: Hang hinunter in das östlich liegende Tal des Platani

Eine andere Besonderheit des Ortes sollte ihn für die Liebhaber des antiken Flottenwesens sehr interessant machen: nach englischer Wikipedia war er im Ersten Punischen Krieg zweimal Stützpunkt der karthagischen Flotte. Außerdem wurde er mehrfach für Truppenanlandungen benutzt. Außer von der mythischen Landung des König Minos berichtet die Wikipedia von der Anlandung von Dion von Syrakus (eine der Einmischungen Karthagos) und eines karthagischen Entsatzheers (beim erfolglosen Versuch das unter karthagischer Herrschaft stehenden Akragas von einer römischen Belagerung zu befreien).

Bild 11: Hang hinunter in das östlich liegende Tal des Platani

Vermutlich war ein militärischer Aspekt die gute Aussicht von da oben, durch die man herannahende oder vorbeiziehende Feinde früh entdecken konnte. Wir haben eine Betonkonstruktion links oberhalb des Theaters auch in die Richtung interpretiert. Vielleicht ein Unterstand im zweiten Weltkrieg, um diesen Küstenabschnitt zu überwachen.

Bild 12: Hang hinunter in das östlich liegende Tal des Platani

Schließlich muß bei den Vorzügen von Herakleia Minoa natürlich auch die Landschaft erwähnt werden. Da ist Herakleia Minoa sicher ein Schwan. Mit gigantischen Lichtspielen zwischen Wolken und Meer. Mit dem Kreidefelsen, einem riesigen Sandstrand und einer beeindruckenden Vegetation drumherum. Nur dürfte es oben in Herakleia Minoa oft windiger gewesen sein als im milder daliegenden Selinunt.

Sonntag, 20. März 2011

Schätze finden und behalten, Rheinhessen, Münchner Termine

Den Blog-Eintrag hätte ich mit „Eigentlich...“ überschreiben können. Eigentlich will ich im Blog nicht so gern von anderen gesetzte Themen weiter verfolgen, zumindest nicht in so nahem Abstand, sonst komme ich nicht zu meinen eigenen Sachen. Wenn ich auf solche Themen verlinke, dann ist das eher so gedacht, daß man bei Interesse selbst dranbleiben soll.

Und vor das Tippen der eigenen Sachen wollte ich in diesem Jahr noch das selbst Rausgehen stellen. Nach schlechten Erfahrungen im letzten Jahr, wo ich an halbwegs brauchbaren Wochenenden vor dem Rechner versandet bin und wir in der Summe deutlich weniger unterwegs waren als im Nicht-Blogger-Jahr 2008.

Achterlacke (8er-Lacke) südlich Fürstenried West

Aber nach dem wir vor zwei Wochen - eigentlich sollte dieser Eintrag da schon erscheinen - unsere Pflichten erfüllt und der Sonne mit einem Samstagsspaziergang und einer Sonntagsradtour gehuldigt haben und außerdem gleich mehrere Links zum Thema Schatzsuche, Schatzfund und Schatzregal angefallen sind, will ich doch schon wieder auf dieses Thema eingehen:

Zunächst die Meldung über eine weitere von Ralf Lauw in der Isar gefundene Kanonenkugel. Er berichtet darüber unter dem Titel Unterwasser-Archäologie in München. Auf seinen Blog hatte ich letztes Jahr hingewiesen („Hoffnungsvoller Nachwuchs“).

Ralf Lauw schreibt, daß er seinen neuen Fund beim Landesamt für Denkmalpflege abgegeben hat und bei der Gelegenheit die letztes Jahr gefundene Kugel wieder mitnehmen durfte. Das dürfte bei den 2156 Gesetzestafeln aus purem Gold im Izabal-See in Guatemala nicht so einfach werden. Denn wie Florian Griedl im Blog von CMS Hasche Sigle schreibt, wäre der Fund Staatseigentum von Guatemala und den Entdeckern „würde also nur die Ehre zu teil werden, einen bedeutenden Schatz entdeckt zu haben“.

Achterlacke (8er-Lacke) südlich Fürstenried West

In Guatemala läge demnach auch ein Schatzregal vor. Der in meinem damaligen Blog-Eintrag verlinkte Dr. Klaus Graf ist an dem Thema dran geblieben und hat weitere Beiträge in den Archivalia-Blog eingestellt. Baden-Württemberg hat auch ein Schatzregal. Für den für den Besitzer des Ackers, auf dem der Sensationsfund bei der Heuneburg gemacht wurde, wäre es deshalb nach meinem Verständnis viel günstiger, wenn sein Acker zu Bayern gehören würde.

Hoffen wir, daß die 2156 Gesetzestafeln trotz solcher kleinlicher Besitzstreitereien bald aus dem See gefischt werden. Es geht ja möglicherweise um Größeres, der Weltuntergang 2012 steht ja auch noch an. Dr. Florian Freistetter beruhigte uns zwar schon 2009 - „Kein Weltuntergang am 21. 12. 2012“ - aber vielleicht könnte man mittels den Gesetzestafeln aus „erster Hand“ mehr erfahren?

Nun zum Thema Rheinhessen. Da habe ich vor ein paar Wochen auf die „Kommentierte Bibliographie zur Archäologie Rheinhessens“ hingewiesen, „Begonnen von Peter Haupt / Patrick Jung / Ines Klenner fortgeführt von Peter Haupt“. Kirsten Dzwiza hat mir zwischenzeitlich geschrieben, daß Peter Haupt in ihrem Verlag das umfangreiche e-Book mit viel Bildmaterial „Sagen und Legenden in Rheinhessen - Archäologie und Geschichte ihrer Herkunft“ veröffentlicht hat. Der Grée-Mahé-Verlag wurde von Kirsten Dzwiza im letzten Jahr als Deutschlands erster Fachverlag für die Altertums- und Geschichtswissenschaften gegründet, der auf das elektronische Publizieren spezialisiert ist.

Zugefrorener Tümpel im Forstenrieder Park

Das Buch passt zwar zu meinem Blog, weil ich meine „Ausflüge in die Vergangenheit“ von den Orten her aufziehe. Nur stünde eine Besprechung mit Ortskenntnissen in den Sternen, ich habe ja beim Hinweis auf die Internationale Reenactmentmesse in der Villa Borg geschrieben, daß ich froh bin wenn ich es dieses Jahr bis nach Rheinheim schaffe. Schneller verwendbar wäre vielleicht ein anderes Buch von Peter Haupt über „Heiligtümer in den römischen Nordwestprovinzen. Eine Betrachtung vor dem Hintergrund neurowissenschaftlicher und evolutionsbiologischer Theorien“, das ich auf der Verlags-Website gefunden habe.

Ohne weitere Prüfung will ich aber jetzt trotzdem schon auf zwei Punkte hinweisen, die für die Bücher sprechen: die „Kommentierte Bibliographie“ zeigt, daß Peter Haupt auf einer sehr umfangreichen Basis aufbaut. Das ist in diesem Umfang nicht selbstverständlich. Zudem will noch einmal aus der „Kommentierten Bibliographie“ zitieren, sie soll „nicht nur dem in und über Rheinhessen arbeitenden Archäologen ein Hilfsmittel sein, sondern wendet sich ganz besonders an archäologisch interessierte Heimatforscher.“ Dieses Maß an Zuwendung für die Laien erscheint mir auch eher ungewöhnlich.

Zugefrorene Tümpel im Forstenrieder Park

Zu den Münchner Terminen: es gibt leider keine komplette Übersicht etwa in Form eines Kalenders wie bei Chronico. Ich behelfe mir mit einem Hinweis auf die „üblichen Verdächtigen“, wo man die meisten Termine findet: das ist das Münchner Museumsportal mit Aktuellem zu Ausstellungen, Führungen und Vorträgen in den Museen, die erst vor ein paar Wochen erwähnte „Gesellschaft für Archäologie in Bayern e. V.“ mit Vorträgen in Unis und Archäologievereinen und im Landesdenkmalamt, und die Volkhochschulen im Raum München, hier stellvertretend die Münchner Volkshochschule. Bei der Münchner Volkshochschule ist das Zusammensuchen Fieselarbeit, weil sich die interessanten Kurse, Vorträge, Radausflüge in unterschiedlichsten Rubriken verbergen können.

Angestoßen wurde ich zu diesem Hinweis auf die Münchner Termine durch die aktuelle Vereinszeitschrift des Euro-Arabischen Freundschaftskreises, in der neben den eigenen frei besuchbaren Vorträge (Kenia, Marokko, Verborgene Schätze der Zentralsahara) auch Veranstaltungen des Deutsch-Syrischen Vereins - Schätze des Alten Syrien am 26.3.2011 - und der Vortrag über Göbekli Tepe von Prof. Dr. Klaus Schmidt am 8.6. bei der Gesellschaft für Asiatische Kunst und Kultur e.V. erwähnt sind.

So, wenn ich nun schon beim Nachklappen bin und Chronico und die Reenactmentmesse erwähnt habe, dann noch der Hinweis auf den Artikel „Gütesiegel für Zeitreisende“ von Marcel Schwarzenberger, der sich mit der Frage nach verbindlichen Qualitätsstandards für Living History in Museen beschäftigt. Außerdem, angestoßen durch den Kommentar von Marcellina zum letzten Blog-Eintrag ein Hinweis auf den Beitrag bei Archäologie Online Ötzi: Ausstellung zum „20. Geburtstag“ eröffnet.

Blatt auf Eis

Die Bilder sind von unserem Radausflug am 6. März. Die ersten beiden Bilder zeigen die 8er-Lacke (oder Achterlacke) im Forstenrieder Park südlich Fürstenried-West. Die hat eine mir bei einer geführten Radtour erzählten historische Bedeutung, an die ich mich jetzt aber nur noch so in etwa erinnere. Danach ist, wie an den alten Eichen zu sehen ist, noch in königlichen Zeiten wegen der Wasserknappheit eine Wasserleitung von der Isar her angelegt worden, die trotz dem Bau der Garmischer Autobahn weiter funktionstüchtig blieb. Die Wikipedia schreibt über die Wasserleitung, daß sie zuletzt über 90% Verlust aufwies und stillgelegt wurde. Der Brunnen wäre „derzeit(Sommer 2010)“ außer Betrieb. Nun läuft er wieder.

Die folgenden Bilder sind von Tümpeln jüngeren Datums im umzäunten Teil des Forstenrieder Parks östlich der Garmischer Autobahn. Im letzten Bild ein Ausnahmeblatt. Seine Kollegen waren alle durch die erhöhte Wärmeaufnahme in die Tiefe geschmolzen, so weit verstehe ich das. Aber das Blatt scheint aus der Vertiefung herausgeweht worden zu sein und ist dann direkt daneben liegen geblieben?