Samstag, 27. Juli 2019

Steinzeitfilm „Alpha“

Der Film „Alpha“ ist im letzten September in die deutschen Kinos gekommen. Er spielt in einem Europa 20000 Jahre vor unserer Zeit. Ein junger Mann darf zum ersten Mal mit der Elite seines Stammes auf Bisonjagd gehen. Im Bonusmaterial der Blue-Ray Disc wird das noch etwas ausführlicher ausgeführt: die Gruppe ist Teil der Solutréen-Kultur, das Überleben dieses Teils der Menschheit ist extrem gefährdet, jede Bisonjagd muß zum Erfolg werden. Mit den Bisons sind die europäischen Bisons gemeint. Wisente, die man in dem Fall herdenweise über eine steile Felsklippe scheucht. Auf dem Weg zu den Bisons sieht man im Film in der Ferne vorbeiwandernde Mammuts und die Jagdgruppe muß sich vor Säbelzahnkatzen in Acht nehmen.

Bei seiner ersten Bisonjagd wird der junge Mann von einem der Tiere auf's Horn genommen und ebenfalls über die Klippe geworfen. Er bleibt bewußtlos unerreichbar für seine Jagdgefährten auf einem Felsvorsprung liegen. Die anderen halten ihn schließlich für tot und machen sich auf den Weg zurück in ihr Lager. Der junge Mann erwacht aus der Bewußtlosigkeit, kann den Felsvorsprung verlassen und muß sich auf dem eigenen Heimweg einer Gruppe Wölfe erwehren. Dabei verletzt er einen Wolf schwer. Statt ihn zu töten pflegt er ihn, die beiden freunden sich an, überstehen noch einige Gefahren, bei denen sich der Wolf als überaus nützlich erweist, sie erreichen das heimische Lager und es gibt ein Happy End.

Den Film habe ich erst im Januar durch den Tweet von Martin Porr richtig wahrgenommen. Martin Porr stellt darin die Nähe der im Film sehr schön gelungenen Schamanin zu der von ihm für das Museum Halle mitgestalteten fest. Wenn ich seine Antwort auf eine Tweet-Rückfrage richtig interpretiere, scheint der Film noch einiges anderes aus europäischen Steinzeitfunden übernommen und atmosphärisch stimmig umgesetzt zu haben.

Wegen der „junger Mann freundet sich in der Not auf die Schnelle mit einem Wolf an“-Story habe ich den Film aber trotzdem hintenangestellt - irgendwann sehe ich die DVD zum Ausleihen in der Stadtbibliothek oder günstig als Kaufversion. Für mich überraschend war dann recht schnell eine Blu-Ray Disc verfügbar. Die Münchner Stadtbibliothek hatte relativ viele gekauft. Und beim weiteren Nachsehen habe ich gemerkt, daß man die Blu-Ray auch günstig selbst kaufen kann.

Die Blu-Ray Disc enthält neben der Filmfassung auch einen Director's Cut sowie diverses Bonusmaterial. Die Steinzeitleute sprechen eine eigene Sprache, die kann man sich entweder übersetzen lassen oder mit Untertiteln ansehen. Ich habe die Director's-Cut-Version mit Untertiteln angesehen sowie zusätzlich für diese Besprechung den Anfang und das Ende der Kinoversion. Nähere Infos zu den Unterschieden findet man bei Schnittberichte.com.

Die Geschichte mit dem Wolf kam jetzt im Film nicht als befürchtete schlimme Soße rüber. Wenn man sie als Allegorie eines über einen langen Zeitraum geschehenen „so kam der Mensch auf den Hund“ sieht, ist sie im Film schön umgesetzt. Und wir haben ja vermutlich alle auch schon entsprechende Erwachsenenfilmerfahrungen mit angefreundeten Aliens oder Künstlichen Intelligenzen. Es gibt schon herbe Brüche, wenn etwa der neue Wolffreund mit seinem alten Wolfrudel kommuniziert und die von einer weiteren Mensch-Bejagung absehen, das Rudel bei der Erstbejagung aber noch ganz Wolf war und ihnen diese komplexe Intelligenz abging. Aber das ist geschenkt, mein persönliches Highlight ist sowieso eher der Pfeilschuß, mit dem der junge Mann in einer dunklen Eishöhle schlagartig eine große mit dem verteidigenden Wolf kämpfende Säbelzahnkatze erlegt.

Man glaubt im Film gewisse Linien zu erkennen, die nicht richtig ausgeführt werden. Im Intro der Kinoversion wird auch eine dieser Linien eigens angesprochen. In einer Filmbesprechung wurde die Formulierung „nicht richtig durchinszeniert“ verwendet. Der junge Mann ist z.B. stark Vater-Mutter-bezogen. Mit seinen Eltern bildet er im Film eine abgeschlossene Kleinfamilie, an die ich bei realen Steinzeitgruppen nicht glaube. Selbst wenn es die familiäre Konstellation gegeben hätte, wäre der junge Mann mit anderen Kindern aufgewachsen und hätte zu denen ebenfalls Bezüge aufbauen müssen. Bei dieser Betonung des besonderen Eltern-Konstrukts erwartet man vielleicht irgend etwas ähnlich dem Kinder- und Jugendbuch „The Eagle of the Ninth“. Dieses Buch wäre ein Beispiel für komplette Durchinszenierungen. Im Film Alpha erfüllt sich der aufgebaute Eltern-Bezug nur als Fragment, also knapp vor dem Sterben in Eis und Schnee kommt die Erinnerung an die Eltern und irgendwann dann das Lager sehen und den Eltern mit dem Wolf auf den Armen entgegen laufen.

Im Kino-Intro wird eine Führungsrolle angesprochen, die dann später anläßlich eines in der Nacht heulenden Leitwolfs vom Vater des jungen Mannes weiter ausformuliert wird. In dem Zusammenhang fällt die Bezeichnung Alpha-Wolf. Der junge Mann nennt dann seinen eigenen Wolf Alpha und dominiert den zwar bewußt entsprechend den vom Vater erhaltenen Empfehlungen, hätte ihn dann aber passenderweise eher Beta nennen müssen. Man kann sich aber den jungen Mann trotz Wolf-Dominanz schwer als spätereren Gruppen-Zampano vorstellen. Eher hat er trotz Tötungshemmungen seine Überlebensfähigkeiten unter Beweis gestellt und der Gruppe mit dem neugewonnenen Wolfsfreund Nutzen gebracht, also sich letztlich mit seiner Art in einem massiv auf Kooperation ausgelegten System mit fallweisen Führungsrollen etabliert und Autorität gewonnen. Ohne jetzt zuviel spoilern zu wollen, sorgt die Schamanin mit ihrer fallweisen Führungsrolle für den Abschluß des „so kam der Mensch auf den Hund“-Themas, in dem sie die eigenen Wölfe mit einem kurzen Satz zu Mitgliedern der Gruppe erklärt.

Samstag, 13. Juli 2019

Das neue Grünwalder Gymnasium

Meine alten Fotos vom Baugelände stammen von 2013, damals dürften gerade die archäologischen Untersuchungen abgeschlossen worden sein. Das neue Gymnasium wurde 2014 eröffnet. Die Fotos vom Gymnasium stammen vom letzten Jahr, als wir nach dem dem Besuch der nahen Grünwalder Urkeltin an der ebenfalls archäologisch relevanten Parkgarage vorbei hoch zum Gymnasium sind.

Gymnasium Grünwald

Glücklicherweise kann man sich die Ergebnisse der damaligen archäologischen Untersuchungen ansehen. Die damit beauftragte Firma hat die Grabungsberichte zu ihren Projekten „Grünwald - Neubau Gymnasium“ und „Grünwald - Parkgarage“ in ihre Referenzen frei zugreifbar eingestellt. Wer reinsieht, kann bei der Gelegenheit auch gleich einen Blick auf das ebenfalls benachbarte Projekt „Grünwald - Haus der Begegnung“ sowie auf die Literaturangaben am Ende der Referenzen werfen.

Bauplatz des neuen Gymnasiums Grünwald 2013

Parkgarage, Gymnasium und die Ur-Keltin befinden sich nahe beieinander. Wer die Grünwalder Kreuzung kennt, an der sich die aus den vier Himmelsrichtungen heranführenden Straßen treffen: An der Straße aus dem Süden befindet sich in kurzer Entfernung die Urkeltin. Ähnlich nahe ist an der Straße aus dem Osten die Parkgarage zu finden, nur daß diese Straße in Richtung Osten stark ansteigt. Nach der Parkgarage kommt das ursprünglich ziemlich ebene Gelände des Gymnasiums (mittlerweile gibt es da eine tiefergelegte Sportfläche).

Gymnasium Grünwald

Die zugehörige Denkmalnummer D-1-7935-0011 umfasst im Bayerischen Denkmal-Atlas eine ziemlich große Fläche und sehr unterschiedliche geschichtliche Hinterlassenschaften: „Siedlung der späten Bronzezeit, der Urnenfelderzeit, der Hallstattzeit und der Latènezeit sowie Körpergräber der frühen Bronzezeit, Brand- und Körpergräber der mittleren Bronzezeit, Brandgräber der Hallstattzeit und der Latènezeit und Körpergräber des frühen Mittelalters“. Zum einen kann man hier feststellen, daß man ein informatives Geoinformationssystem differenzierter als den Bayerischen Denkmal-Atlas gestalten müßte. Zum anderen fällt auf, daß man die archäologisch untersuchten Flächen der Parkgarage und des Gymnasiums aus der Rotfläche genommen hat. Also die Flächen, über die man am meisten wüßte, sind draußen. Ich interpretiere das als administrative Aussage: die Fläche ist archäologisch untersucht, die Bodendenkmale sind weg, keine Denkmale mehr für den Denkmal-Atlas da. Das entspricht aber nicht die der Vorstellung, die man von einem vorrangig geschichtlichen Geoinformationssystem hat. Von dem würde man ja erwarten, daß es unabhängig von der späteren Geländeuntersuchung und -überarbeitung den Wissenstand darüber wiedergibt, was sich da mal befunden hat.

Bauplatz des neuen Gymnasiums Grünwald 2013

Die Gemeinde Grünwald engagiert sich sehr für ihr archäologisches Erbe. Ich habe ja mal in „Archäologische Fundstücke kehren an ihren Ursprungsort zurück“ bedauert, daß der vor über 100 Jahren gefundene Schöllbronner Viergötterstein leider nicht in Schöllbronn verblieben ist. Vergleichbar effektiv wie vorher in der alten Kirche ist er nach seinem Auffinden in den Depots verschwunden und die folgenden Generationen von Schöllbronnern haben zu einem guten Teil weder mitbekommen, was ein Viergötterstein ist, noch daß einer in ihrem Ort gefunden wurde. Die Grünwalder Situation ist demgegenüber geradezu goldig. In Grünwald wurden anscheinend schon bei der Planung des neuen Gymnasiums dort Ausstellungsflächen für die lokalen archäologischen Funde vorgesehen.

Parkgarage am Marktplatz Grünwald

Insgesamt ist das ein ziemlich großes Rad, das in Grünwald gedreht wird. Die Webseite der Gemeinde über die Vorgeschichte Grünwalds liefert dazu einige Eindrücke und Stichworte. Tiefer kann man über die in Academia.edu eingestellten „Einblicke in die Vorgeschichte Grünwalds. Ergebnisse eines archäologischen Pilotprojekts“ einsteigen.

Parkgarage am Marktplatz Grünwald

Irritierend ist die fehlende Aufbereitung dieser vielen Informationen durch die Gemeinde. Man würde sich wünschen, daß die Gemeinde die Grabungsberichte oder das obige Academia.edu-pdf und die noch ausstehenden Arbeiten unter ihre Fittiche nimmt und via einem zentralen Anlaufpunkt zugreifbar macht. Ich habe auch seitens der Gemeinde keine näheren Informationen darüber gefunden, was aktuell im Gymnasium ausgestellt wird und wie der Ausstellungsbereich dort aussieht. Das meiste über diese Ausstellung fand ich in den Seiten 14 und 15 im verlinkten Academia.edu-pdf. Das kann es ja nicht sein. Es müßte ja Zeiten geben, an denen die Allgemeinheit die Funde sehen kann, etwa im Rahmen von Führungen, in die die nahen Fundorte eingebunden werden können, und die Gemeinde müßte diese Gelegenheiten bekannt machen.