Samstag, 21. Januar 2017

Pasinger Reiter mit Fußvolk

Im Münchner Stadtteil Pasing wurde Mitte letzten Jahres an der Josef-Retzer-Straße Ecke Georg-Jais-Straße ein Teil eines frühmittelalterlichen Friedhofs freigelegt. Die Gelegenheit für die Ausgrabung ergab sich durch den Neubau eines Wohnhauses. Meine Fotos stammen vom letzten Dezember. Ich dachte, bei der neuzeitlichen Baugeschwindigkeit wird das Haus jetzt schon trockengewohnt. Die Bauarbeiter standen aber noch auf dem Kellergeschoss.

Pasinger Reiter mit Fußvolk 2

Vom BR gibt es zwei kurze, sehenswerte und online noch zugreifbare Videos über die Ausgrabung. Beide sind mit dem 30.06.2016 datiert. Da die Videos wahrscheinlich irgendwann auf Grund irgendwelcher schlauer Depublizieregeln in die Tonne getreten werden, texte ich ein bissel mehr und nehme die Links gegebenenfalls raus, wenn es soweit ist. Ist schade drum, weil es im zweiten Video schöne Luftaufnahmen gibt.

Pasinger Reiter mit Fußvolk 2

Im zweiminütigen Video „Reiter aus ferner Vergangenheit“ geht es vor allem um das für hiesige Verhältnisse ungewöhnliche Reitergrab und es wird die Vermutung erwähnt, daß der Reiter aus dem Rheinland stammen könnte. Insgesamt ist dieses frühe Gräberfeld wohl deshalb besonders bedeutungsvoll, weil man sich Hinweise auf die Entstehung der Bajuwaren erhofft. Das Stichwort Multi-Kulti fällt, es ist die Rede von einem Bevölkerungsgemisch unterschiedlichster Herkunft. Also die Bajuwaren sind demnach nicht als geschlossener Stamm eingewandert, sondern hier in Bayern aus einem Völkergemisch entstanden.

Pasinger Reiter mit Fußvolk 3

Der Verweis von Dr. Jochen Haberstroh vom Denkmalamt in diesem Video auf die damalige hohe Bevölkerungsdichte erinnert an den Gräberfund von Unterhaching. Dort ließ die gute Ausstattung der Toten einen hohen Rang und einen entsprechend intakten Bevölkerungshintergrund vermuten, den man nach Abzug der Römer hier nicht mehr erwartet hätte.

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Im zweiten, sechsminütigen Video „Bajuwarengrab in Pasing entdeckt“ erläutert Mathias Pfeil vom Denkmalamt noch einmal die Bedeutung des Gräberfeldes für die Erforschung dieser frühen Bajuwarenzeit. Darüberhinaus wird hier an der Ausrichtung der Gräber christliches Gedankengut erkennbar. Während es anderseits noch vorchristliche Grabbeilagen gibt, die allerdings zu einem großen Teil schon im Frühmittelalter geraubt wurden. Multi-Kulti ist wieder ein Thema und die Ausstattung des Reiters. Im Video sind Luftaufnahmen der Ausgrabungsfläche an der Josef-Retzer-Straße zu sehen und es wird auf die anliegende Garage und die Kreuzung der Josef-Retzer-Straße mit der Georg-Jais-Straße hingewiesen, unter der weitere Gräber erwartet werden.

Sonntag, 8. Januar 2017

Die Punktwolken des Wettergotttempels von Aleppo

Die Augmented Reality hatte ich mal 2012 im Blog. Das Thema Augmented Reality war damals wegen dem Projekt Google Glass sehr präsent. Die revolutionären Vorstellungen, die im Raum standen, konnte diese Augmented-Reality-Brille aber nie erfüllen. In der Folge ist es stiller um das Thema Augmented Reality geworden. Zwischenzeitlich rückte dafür die Virtual Reality stark in den Vordergrund. Mittels einer mit Papphalter und eigenem Smartphone gebastelten Virtual-Reality-Brille kann jeder mitmachen. Eine „höhere Intensität der Immersion“ versprechen laufend neu auf den Markt kommende VR-Headsets. Ein Foto mit einem Saal voll Leuten mit VR-Headset ging durch alle Medien. Die meisten von uns werden sich erinnern. Im letzten Jahr rutschte nun wieder die Augmented Reality mit dem Erfolg von Pokémon Go ganz in den Vordergrund. Wobei man sehen konnte, daß die Technologie Augmented Reality kaum noch thematisiert wurde. Also 3D-Scans, Virtual Reality und selbst die den meisten nicht so präsente Augmented Reality scheinen schon ziemlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Zumindest im Smartphone-nutzenden Teil.

Im Archäologie-Bereich sieht man die genannten Stichworte derzeit oft im Zusammenhang mit den aktuellen traurigen Kriegsereignissen. Kann man zerstörte Kulturgüter mittels 3D-Modellen aus vorhandenem Bildmaterial oder aus schnell gemachten 3D-Scans wieder virtuell entstehen lassen? Reichen die vorhandenen Daten als Grundlage für eine physische Rekonstruktion? Siehe etwa hier den aktuellen Artikel in der New York Times „Damaged by War, Syria’s Cultural Sites Rise Anew in France“.

Ich weiß nicht, wie weit aus der Not heraus mit aktuellen Drohnen erstellte Datenmengen mit den Ergebnissen stationärer älterer Scanner aus der Zeit vor den Kämpfen vergleichbar sind. Vielleicht sind die Datenmengen - Punktwolken im Interview - des Wettergotttempels von Aleppo wesentlich umfangreicher, aber wie Prof. Thomas Bremer sagt noch ohne Farbe. Jedenfalls toll, daß wir die Daten haben. Man möge in dem vor zweieinhalb Wochen erschienenen Artikel von Eva Götting mit eingebundenen Videos „Archäologie durch die virtuelle Brille“ unbedingt das erste Video mit dem Interview mit Prof. Dr. Thomas Bremer ansehen. Die Umgebung, in der dieser Tempel des Wettergottes eingebunden war - ziemlich viel davon dürfte jetzt zerstört sein - ist in einem Video auf der Webseite Virtual Archaeology der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin zu sehen.

Der Artikel von Eva Götting informiert mit seinen Videos zwar nicht auf der Ebene der verwendeten Techniken, vermittelt aber dennoch bemerkenswert tiefgründig Probleme und Gedanken im Zusammenhang mit dem Projekt. Siehe etwa die Idee der „Virtual Reality als Publikationsformat“. Und den im Video geäußerten Gedanken, mittels der Virtual Reality eine „Varianz von Hypothesen“ darzustellen. Also nicht so im Sinne: so hat die Mauer des Tempels des Wettergottes vermutlich ausgesehen. Sondern: die Mauer könnte aus diesen Gründen so und aus jenen Gründen so ausgesehen haben. Das klingt natürlich sinnvoll für die Diskussion unter Wissenschaftlern. Für den Laien wäre das ungewöhnlicher, sollte aber im Grunde genommen auch seine Informationsbasis darstellen.

In dem Interview mit Thomas Bremer fiel mit den Annotationen ein Stichwort, das ich im letzten Eintrag in der Formulierung „allgemein lesbare Annotationen zu Multimedia-Daten wie etwa den MOOC-Videos“ verwendet hatte. Beim Durchlesen meines Eintrages hatte ich überlegt, ob ich das „allgemein lesbar“ so schreiben kann. Es war ja in der Konstellation primär für den Rechner gedacht, damit er verschiedene Medien verbandeln kann. Aber es ist wirklich mit ein paar eckigen Klammern und reservierten Wörtern und Zeichen gut für Menschen les- und schreibbar. Also stimmt das mit dem „allgemein lesbar“. Beim Wettergotttempel geht um Anmerkungen zu den Objekten/verwendeten Symbolen im Tempel.

Im verlinkten Eintrag hatte ich auch den Hinweis auf den am 16. Januar bei Coursera startenden „Archaeoastronomy“-MOOC. Der MOOC mag für neu gewonnene Wettergotttempel-Fans ganz interessant sein. Prof. Thomas Bremer erwähnt, daß die Konstellation der Sterne und die Sonnensituation für den Tempel des Wettergottes eine Rolle spielte.