Montag, 21. September 2020

Spessarter Redoute

Die Spessarter Redoute ist ein noch relativ gut erhaltenes Überbleibsel der Ettlinger Linie. Die Ettlinger Linie war eine Anfang des 18. Jahrhunderts sehr weiträumig aus Verhauen und Schanzen angelegte Verteidigungslinie gegen die Franzosen. Ich hatte die Spessarter Redoute schon in „Ettlinger Linie in Reliefansicht“ als Anschauungsbeispiel für die mit dem Geoportal Baden-Württemberg mögliche Reliefansicht verwendet. In diesem älteren Blogeintrag gibt es auch weiterführende Links zur Ettlinger Linie.

Spessarter Redoute
Spessarter Redoute

Die Ettlinger Linie wurde von den Franzosen „bei der Spessarter Redoute“ durchbrochen, insofern hat sie eine gewisse geschichtliche Bedeutung. Der schnelle Durchbruch der Franzosen und die Lockerheit eines zeitgenössischen Berichts hinsichtlich dem Verlust der aufwendig erbauten Ettlinger Linie läßt aber die Vermutung aufkommen, daß den Franzosen zu diesem Zeitpunkt auch an anderen Stellen ein schneller Durchbruch gelungen wäre.

Spessarter Redoute
Spessarter Redoute

Ich gebe noch einmal den Link aus dem Blogeintrag „Spessarter Redoute in Reliefansicht“ zum Geoportal Baden-Württemberg an. Wenn alles funktioniert, sollten oberhalb der Redouten-Überbleibsel Reste von früher durchgängigen Zickzacklinien zu sehen sein. Die Redoute lag seinerzeit dem Feind zugewandt vor dieser durchgehenden Verteidigungsanlage.

Spessarter Redoute
Spessarter Redoute

Die Lage der Redoute mag man sich einmal durch etwas Herauszoomen aus der Reliefansicht ansehen. Die Redoute liegt auf einer Wasserscheide und man müßte von ihr, wenn sie nicht wie heute im Wald liegen würde, einen Blick auf die Talenden von zwei Tälern vor der Ettlinger Linie haben. Die französischen Angreifer wiederum mußten genau auf diese Redoute treffen, wenn sie sich nach dem Aufstieg in das Bergland ohne irgendwo in Seitentäler abzusteigen nach Norden in Richtung der Verteidigungslinie bewegt hatten.

Spessarter Redoute
Spessarter Redoute

Für meinen verlinkten älteren Blogeintrag verwendete ich Fotos vom Mai 2010. Es soll in jüngerer Vergangenheit größere Probleme durch Mountainbiker gegeben haben. Mittlerweile wurde die Spessarter Redoute durch Baumstämme geschützt. Die hier zu sehenden Fotos sind von letzter Woche.

Dienstag, 8. September 2020

Künstliche Intelligenz

In diesen Tagen erschienen gleich zwei Meldungen über den Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Archäologie. In „Künstliche Intelligenz hilft bei der Herkunftsbestimmung“ ging es um die Frage, ob vorgefundener Obsidian aus lokalen oder entfernten Quellen stammt. In „Künstliches neuronales Netz unterscheidet altsteinzeitliche Werkzeugsets“ um die Unterscheidung von afrikanischen Werkzeugsets der mittleren und späten Steinzeit. Ein paar Monate ältere Meldungen handelten von mit „tiefem Lernen“ entschlüsselter Keilschrift und von einer durch maschinelles Lernen ermöglichten zuverlässigen Klassifizierung von Paläofäkalien.

Bleibt die Künstliche Intelligenz oder geht sie wieder weg wie bald das Internet?? Und mit dem Intelligenz-Begriff komme ich für so etwas überhaupt nicht klar!? — Ich habe den zweiten (!) KI-Winter um die 1990er herum in der zweiten Reihe miterlebt. Ein früherer Kommilitone hatte da noch nicht so lange in der deutschen Niederlassung der im eben unterlegten Wikipedia-Artikel genannten Firma Symbolics gearbeitet (diese Firma hatte Ende der 1980er noch Kultstatus!) und hat mir in der Zeit gesagt, daß man „Künstliche Intelligenz“ jetzt nicht mehr sagen darf, das heißt jetzt „Wissensbasierte Systeme“. Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ war allerdings auch in den Hype-Zeiten zuvor immer mal wieder in der Kritik. Was ist überhaupt Intelligenz? Und soll das jetzt, was die Maschine produziert, Intelligenz sein? In diesen Jahren gab es auch ein „Funkkolleg Psychobiologie: Verhalten bei Mensch und Tier“. Eine Orientierung am Verhaltens-Begriff hätte ich damals für treffender gehalten, also vielleicht so etwas wie „Intelligentes Verhalten“ - man kam ja immer nur in irgendeiner Verhaltensecke ein Stück weiter. Aber AI oder KI sind einfach prägnanter und andere Begriffe mögen zwar treffender gewesen sein, aber wären nicht so gut in den Köpfen der Leute hängen geblieben.

Man beachte dabei auch, daß es Dachbegriffe sind, unter dem sich teilweise recht unterschiedliche Disziplinen versammelten. Also in der künstlichen Intelligenz Ava in Ex Machina würden, wenn sie denn so funktionieren würde, Vorläufer etwa aus den Gebieten Robotik, Maschinelles Lernen, Wissenrepresentation oder Bildverstehen stecken, an denen schon in den 1980er Jahren geforscht wurde. Insofern gab es wie im KI-Winter-Artikel beschrieben in manchen Bereichen zwar massivste Einbrüche. Andere Bereiche sind relativ ungestört weitergelaufen. Die KI war demnach nie weg, selbst als man den Begriff nicht mehr verwenden sollte.

Das in den 1980ern unter dem Dach der KI laufende Maschinelle Lernen galt in den 1990ern zusammen mit der Statistik als Basis des Data Minings und wird seither bspw. für die Warenkorbanalyse oder zur Kundensegmentierung eingesetzt. Der Algorithmus für das zur Warenkorbanalyse genutzte „Association rule learning“ ist relativ eingängig. Den konnte man selbst nachprogrammieren oder auf einer Diskette auf der Systems noch am alten Standort Theresienhöhe mitbekommen oder später in Form von Programmpaketen wie Weka downloaden. Ich habe das „Association rule learning“ seinerzeit mal mit einer Excel-Datei mit passenden Daten ausprobiert und da kamen dann die vorhergesagt eher unintressanten Regeln heraus. Also damit sein Geld verdienen zu müssen, ist vermutlich eine richtig anstrengende Arbeit. Hinsichtlich dem KI-Einsatz markiert aber so ein schneller Einsatz dieser Algorithmen ein unteres Ende – man muß einfach wissen, daß es diese Algorithmen gibt, und sie auf vorhandene Datenbestände anwenden.

Das obere Ende beschreibt der vor drei Tagen erschienen Beitrag „Stockfish 12: das Beste aus zwei Welten“ im Schachmagazin „Perlen vom Bodensee“. Der Artikel handelt von den Auswirkungen des auf künstlichen neuronalen Netzen basierende KI-Programms AlphaZero. Das hatte vor wenigen Jahren eine größere Medienresonanz bekommen, weil es nach relativ kurzem Selbststudium mit einer allerdings riesigen Zahl von Partien Go-Meister schlagen konnte. Nicht so bekannt wurde in der breiten Öffentlichkeit, daß das Programm auch gegen klassisch programmierte Schachprogramme wie das eben im zitierten Titel genannte Stockfish eine „Blutspur“ zog. Man muß sich nun zu solchen Schachprogrammen ein Szene vorstellen, die schon seit Jahrzehnten versucht, jede mögliche Optimierung in ihre Programme aufzunehmen. Und da wurde jetzt wie der Artikel beschreibt bei Stockfish auf die Niederlage gegen die KI reagiert und die zwei Welten wurden vereint. Klassisch programmierte Schachprogramme konnten schon Meister schlagen, der „Perlen vom Bodensee“-Artikel formuliert aber eine neue, durch die KI gewonnene Qualität: „Niemand bestritt, dass AlphaZero Schach vom anderen Stern gezeigt hatte und Ideen in einer bis dahin ungekannten Tiefe demonstrierte. Speziell die Themapartien zu "Positionelle Dominanz versus Material" sollten auch das menschliche Schach auf der Elite-Ebene nachhaltig beeinflussen.“

Wer sich nun in die KI vertiefen will: bei openHPI beginnt heute der Kurs „Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen für Einsteiger“. „Schülerinnen und Schüler, aber auch interessierte Erwachsene sollen die zugrundeliegenden Konzepte kennen und verstehen lernen. Angesprochen sind alle, die noch keine Programmiererfahrung oder technisches Hintergrundwissen haben.“

Eine „Praktische Einführung in Deep Learning für Computer Vision“ startete bei openHPI im März, da ging es speziell um die künstlichen neuronalen Netze. Der Kurs ist noch für das Selbststudium zugänglich und hat höhere Anforderungen als der vorher genannte Einsteigerkurs: „Grundlegende Programmierkenntnisse, vorzugsweise in Python. Mathekenntnisse auf Abiturniveau.“ Ebenfalls bei openHPI noch für das Selbststudium zugänglich ist der Kurs „Big Data Analytics“. In ihm geht es u.a. um „modernste Data Mining-Techniken“.

Zu Weka gibt es mehrere Kurse bei Futurelearn, die in Abständen wiederholt werden. „Data Mining with Weka“ startet nach aktuellen Angaben wieder am 5. Oktober, Advanced Data Mining with Weka am 2. November. „More Data Mining with Weka“ ist „Available now“ für das Selbststudium.

Diese Weka-Kurse gehen zunehmend in die Tiefe. Aber vielleicht hat man Vorkenntnisse in der Breite und will einfach mal sehen, wie ein eingestöpseltes KI-System in so einem Umfeld aussieht? Ich habe jetzt mal bei Udemy nach dem für Chatbots verwendbaren Dialogflow gesucht und überraschend viele mögliche Kurse mit unterschiedlichsten Komponentenkombinationen gefunden.

Meine Dialogflow-Suche ist aus der Situation heraus entstanden und sollte keine Empfehlung für eine bestimmte Chatbot-Plattform darstellen, sondern nur anregen, selbst einmal spezielle Systeme bei Udemy zu suchen. Weka kannte ich etwas und das damals erschienene Buch müßte noch bei mir zu finden sein. Für meinen Text war Weka wegen der langen durchgehenden Linie interessant. Müßte ich mich ernsthaft einarbeiten, würde ich zwar wegen den alten Zeiten und dem einfachen Futurelearn-Einstieg zu Weka tendieren. Aber da es mehrere solcher Programmpakete gibt zuvor versuchen, mich hinsichtlich einer Bewertung dieses Weges umzuhören. Die openHPI-Kurse sind mehr oder weniger anspruchsvolle Einführungen, zudem kostenlos, da kann nicht viel falsch machen.

Donnerstag, 3. September 2020

Himmelsscheibe von Nebra aus der Eisenzeit?

Im Januar hatte ich einen herumliegenden und in der vorhergehenden Blogpause nicht fertig gewordenen Text erwähnt. Da sollte es wieder um den Bernstorf-Fälschungsverdacht gehen. Es gab zwar keine sensationellen Neuigkeiten, aber seit meinem Hinweis auf den Vortrag von Dr. Wunderlich in Freising im März 2018 sind ein paar Artikel erschienen. Und außerdem wollte ich für die Neulinge unter den Bernstorf-Interessenten kurz auf die wichtigsten Personen eingehen.

Mit Corona habe ich das dann wieder schleifen gelassen. Die Beteiligten, die sich über meinen Text aufregen könnten, sind ja zu einem guten Teil über 60 und die sollten sich um ihre naheliegenderen Probleme kümmern. Aber mittlerweile scheint ja alles einigermaßen zu laufen, da dachte ich könnte wieder die Bernstorf-Datei hervorkramen.

In der Situation kommt nun der Artikel „Kritische Anmerkungen zum Fundkomplex der sog.Himmelsscheibe von Nebra“ von den Professoren Rupert Gebhard und Rüdiger Krause. Über den heute online publizierten Artikel und den Widerspruch dagegen von Professor Meller hat schon der Mitteldeutschen Rundfunk in „Wissenschaftler zweifeln am Alter der Himmelsscheibe“ berichtet und das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt eine Richtigstellung veröffentlicht.

Die Professoren Rupert Gebhard und Rüdiger Krause gelten als diejenigen, die die Echtheit der strittigen Bernstorf-Funde behaupten. Dr. Wunderlich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt glaubt nicht an die Echtheit. Im Zusammenhang mit dem Hinweis auf Dr. Wunderlichs Vortrag in Freising habe ich seinerzeit seinen und zwei weitere kritische Artikel erwähnt und verlinkt, die in der „Jahreschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte Band 96, 2017“ mit einem Vorwort des eben im Zusammenhang mit der Himmelsscheibe von Nebra erwähnten Prof. Harald Meller erschienen sind.