Freitag, 30. Dezember 2022

Hieroglyphen

Noch schnell vor dem Jahresende etwas über Hieroglyphen. Ich habe die Links vorrätig und es ist dieses Jahr sehr einfach die Zahl meiner Blog-Einträge um eine zweistellige Prozentzahl zu verbessern. Und vielleicht hilft es der einen oder dem anderen zum Familien-Hieroglyphen-Experten zu werden und damit ebenfalls noch schnell etwas für die 2022er-Bilanz zu tun oder sich substanziell in das Jahr 2023 vorzuarbeiten.

Von der LMU-Professorin für Ägyptische Archäologie und Kunstgeschichte Julia Budka gab es eine Kurzeinführung für Kinder in der Ausgabe „Geheimnisvolles Ägypten“ der Quizshow „1, 2 oder 3“ vom 4.12.2022. Um die Hieroglyphen geht es ab Minute 13:47. Die Sendung kann man sich noch online beim ZDF bis 16.1.2023 ansehen. Der Moderator Elton wies anläßlich des Sendungsthemas auch auf die noch bis Dezember 2024 online zugreifbare Serie „Theodosia“ hin.

Bis 7.3.2023 soll bei Arte der Film „Das Geheimnis der Hieroglyphen“ online zugreifbar bleiben. Es geht in dem Film von 2022 um eine durch einen „jüngst zutage geförderten Briefwechsel“ aktualisierte Darstellung der Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen durch Jean-François Champollion und um das Umfeld, in dem das im 19. Jahrhundert geschah.

Wer nun solider in das Thema einsteigen will, der findet auf der Website des Münchner Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst umfangreicheres Material. Der 10-teilige Kurs im Selbststudium soll einen dazu befähigen, „kurze Texte und Objekte im Museum selbst zu lesen“. Dem oben auf der angegebenen Webseite verlinkten Video kann man zum Youtube-Kanal des Museums folgen. Da gibt es noch eine größere Zahl weiterer Videos über die alten Ägypter.

Das Münchner Ägyptische Museum ist auch stark mit dem Sudan verbandelt. Siehe etwa die 2011 stattgefundene Münchner Ausstellung über die „Königsstadt Naga - Ausgrabungen in der Wüste des Sudan“. Der im verlinkten Text genannte „Prof.Dr. Dietrich Wildung, Berlin“ war laut Wikipedia von 1975 bis 1988 Direktor der Staatlichen Sammlung Ägyptischer Kunst München.

Aktuell wurde der am 27.12. im Guardian erschienene Artikel „Young Sudanese archaeologists dig up history as ‘west knows best’ era ends“ vielfach auf Twitter geteilt. Der Text klingt ganz interessant und wenn die Aussage „We needed professionals. Now we have many“ so stimmt, dann wäre eine in Afrika durch Afrikaner gestaltete Archäologie tatsächlich zeitgemäßer als fortgesetzte Europäerexpeditionen dorthin. Und in der Folge aus afrikanischer Perspektive gestaltete Wanderausstellungen für unsere Museen vielleicht ganz belebend.

Samstag, 24. Dezember 2022

„Theodor Hierneis oder: wie man ehem. Hofkoch wird“

Das Jahr 2022 ist in vielerlei Hinsicht sehr schlecht gelaufen. Die Probleme im engeren Blog-Umfeld sind Vergleich zum stattgefundenen vermeidbaren Leiden in der Welt nicht erwähnenswert. Aber doch vorhanden. Beim Blick nach außen sticht aus der Blog-Perspektive der Manchinger Keltengold-Diebstahl hervor. Dort glaubte man tatsächlich noch etwas in petto zu haben, aber die Hoffnungen haben sich bislang anscheinend nicht erfüllt (siehe den BR-Beitrag „Golddiebstahl von Manching: Keine Bilder von Überwachungskameras“). Und beim Blick nach innen wollte ich dieses Jahr wieder auf eine normalere Blog-Frequenz kommen. Da war wohl nicht soviel davon zu merken.

Ich war zwar immer wieder am Texten, eigentlich sollte etwas Anfang November kommen, das paßt aber jetzt nicht zu Weihnachten. Ich brauche etwas Herauslösendes und empfehle den Film „Theodor Hierneis oder: wie man ehem. Hofkoch wird“ von Hans-Jürgen Syberberg. Der Film wurde im BR an Allerheiligen wiederholt und ist noch bis 26.01.2023 in der Mediathek zugreifbar. Die Wirkung ist natürlich subjektiv, ein in der Wikipedia zitierter Kritiker unterstellte Langatmigkeit. Ich sehe die nicht, ich finde alles gerade richtig und für mich hat er so einen herauslösenden Effekt, auch wenn ich nur ein paar Minuten hineinsehe.

Grundlage des Films sind die Erinnerungen von Theodor Hierneis, einem Hofkoch des bayerischen Königs Ludwig II. Walter Sedlmayr spielt den ehemaligen Hofkoch und führt die Zuschauer zu den einzelnen Stationen seines Berufslebens auf dem Weg zum Hofkoch, wobei man reichlichst die vom eben erwähnten Kritiker festgestellte „Schönheit der Bilder“ zu sehen bekommt. Der Film bringt uns den Mensch König Ludwig II näher und beschreibt die Abläufe, in denen die Essen eingebunden waren. Königstreuen einen bestimmten Essenskanon vorzugeben ist der Film nicht geeignet. Walter Sedlmayr weist als Theodor Hierneis mehrfach auf die Zahnprobleme des Königs hin. Er konnte mit Mitte 20 praktisch nichts mehr abbeißen. Vom König geliebte Gerichte sind mithin unter diesem Aspekt zu sehen.

Der Film wurde ab 1973 öffentlich gezeigt. Die Textvorlagen von Theodor Hierneis erschienen nicht sehr lange zuvor, weil er erst ab 1936 seine Erinnerungen aufgeschrieben haben soll. Im Film erzählt Walter Sedlmayr von in Bereitschaftszeiten gemachten Notizen. So kann das funktioniert haben. Denn die Zeit als Küchenjunge und später als Hofkoch von König Ludwig II lag lange zurück. Hofkoch war Hierneis in den Jahren 1884 bis 1886.

Die Veröffentlichungen kenne ich nicht. Deren Schwerpunkt auf die Gerichte und die Küchenorganisation zur Zeit von Ludwig II zu legen dürfte sich wohl außer wegen den Zahneigenarten des Königs auch deshalb verboten haben, weil in Jahren bis zum Erscheinen der Hierneis-Erinnerungen die Zeit des Wirkens von Auguste_Escoffier lag. Dessen Würdigung im Wikipedia-Artikel betrifft sowohl die Kochkunst als auch Gerichte und die Küchenorganisation. Es gibt einen bisweilen wiederholten Film „Auguste Escoffier. König der Haute-Cuisine“ von 2019, der auch das Heranziehen einer Vielzahl von neuen Köchen in großen renommierten Hotels durch Escoffier und deren Verteilen in führende Küchenpositionen in der Welt beschreibt. Da hatte sich riesig viel getan bis zu den Hierneis-Veröffentlichungen.

Die alten Kochbücher bleiben natürlich trotzdem wegen den damals bekannten Gerichten, den gebräuchlichen Bezeichnungen und den Zutaten interessant. In der Karlsruher Badischen Landesbibliothek gab es 2016 mit so einem Hintergrund eine Ausstellung unter dem Titel „Das Kochbuch in Baden 1770-1950“. Aus dem einleitenden Text über den „Wert historischer Kochbücher“: „Wann tauchen Tomaten oder Artischocken in der badischen Küche auf? Wann verschwinden Singvögel und Flusskrebse daraus? Wann verlor die Kartoffel ihr Image als Armenspeise?“ Eine tolle Ausstellungsidee und man kann sich vorstellen, daß man aus dem Buch eines badischen Hofkochs wie Joseph Willet ableiten kann, was im 19ten Jahrhundert auch bei den bayerischen Hofköchen bekannt war.

Man muß sich vergegenwärtigen, daß man zu der Zeit auch Vorlagen aus der römischen Antike kannte. Ich weiß nichts über die Resonanz zu dem Aspicius zugeschriebenen Buch „Über die Kochkunst“ und die Wikipedia läßt sich darüber auch nicht aus. „Das Gastmahl des Trimalchio“ soll aber nach seiner Wiederentdeckung 1645 und der folgenden Veröffentlichung unter den bedeutendsten Gelehrten der Zeit umstritten gewesen und muß folglich sehr bekannt gewesen sein. Hier wäre wegen dem München-Bezug die literarische Verarbeitung „Trimalchios Fest“ von Belinda Rodik von 2001 zu erwähnen, die in der Folgezeit der Wiederentdeckung spielt. Ich habe es von einem Koch empfohlen bekommen, dem es ganz gut gefallen hat. Eine Kritik aus Historikersicht habe ich jetzt noch nicht gesehen.

Wegen den starken Bezügen zu Gastmählern noch nachdrücklicher zu erwähnen ist die aktuelle Sonderausstellung „Neues Licht aus Pompeji“ in den Münchner Staatlichen Antikensammlungen (die endet Anfang April 2023, wenn sie nicht verlängert wird). Im verlinkten Artikel stellt die LMU-Professorin Ruth Bielfeldt die wichtigste Tagesmahlzeit Cena als etwas vor, zu dem in pompejanischen Familien mehrfach in der Woche geladen wurde. Wo reglementiert war, wer wo lag und was zu sehen war und bei dem Licht als aktiver Gestalter eine Rolle spielte. „Das soziale Leben verdichtete sich im Gastmahl, im Fest. Alles Networking lief über die Cena.“

Und: „.. die römische Cena hatte nichts mit Gemütlichkeit zu tun.“ Nunja, so richtig unangenehm wird es hoffentlich nicht empfunden worden sein. Aber was Walter Sedlmayr als Theodor Hierneis von häufigen einsamen Essen Ludwigs II erzählte, zu denen er nur in seiner Phantasie vorhandene geschichtliche Damen als Gesellschafterinnen empfing, klingt in so einem eventuell stressigen Cena-Zusammenhang dann doch ganz charmant.

Beim Herumhören unter Alleinlebenden, die sich jeden Weihnachtsfeiertag zusammentun oder irgendwo anhängen könnten, wird anscheinend überall mindestens ein freier Tag gewünscht. Anderseits ist das Networking sicher auch eine tolle Sache. Man kann die Gelegenheit nutzen und nach Rezepten und dem Handling von Gerichten fragen, die einem früher gut geschmeckt haben. Oder was bei solchen Events früher immer gut gefallen hat. Wie man bei Ludwig II sieht, gehen sogar fließende Übergänge. Bei manchem wird man zu spät kommen, da bräuchte man eine tatsächlich funktionierende Séance, aber vermutlich dürften etwa wegen dem geänderten Blickwinkel auch vorgestellte Gesprächspartner manchmal ganz anregend sein.

Ich wünsche allen schöne Weihnachtsfeiertage und ein gutes neues Jahr! Und hoffe im nächsten Jahr bewegt sich ganz allgemein alles wieder in besseren Bahnen.

Donnerstag, 24. November 2022

Diebstahl von Manching im BR 2 Tagesgespräch

Den Diebstahl von Manching dürften wohl alle mittlerweile mitbekommen haben, da wurde sehr umfangreich berichtet. Umfassend nicht, das Sicherheitskonzept wurde nicht ausgebreitet. Das macht Hoffnung, daß tatsächlich noch etwas in der Hinterhand vorhanden ist.

Heute Mittag war der Diebstahl das Thema im BR 2 Tagesgespräch: „Jetzt auch noch der Kelten-Schatz: Warum tut Kunstraub so weh?“ Zu Gast war Prof. Rupert Gebhard, Leiter der Archäologischen Staatssammlung. Einen Teil der Sendung konnte auch Guido Limmer begleiten, Vizepräsident des Landeskriminalamtes.

Das Sendungsformat „Tagesgespräch“ wird wesentlich durch die Zuhörer getragen. Anrufende Frauen und Männer jeglichen Alters kommen mit ihren Fragen und Meinungen zu Wort, auch wie im aktuellen Fall ein Kind oder eine frühere Anwohnerin. Ich höre selten rein, aber wenn doch, dann interessiert mich das Thema und die Sendung ist wegen dem durch die Zuhörer aufgemachten breiten Spektrum meist sehr hörenswert.

Da ich normalerweise Tagesgespräche nicht suche, kann ich nichts über die zukünftige Zugreifbarkeit des Beitrags sagen. Derzeit wäre auf der verlinkten Website links oben neben dem rot unterlegten „LIVESTREAM beendet“ das schwarze Dreieck anzuklicken, um zu Prof. Gebhard und Moderator Till Nassif in das Sendestudio zu kommen. Unten auf dieser Website gibt es Verweise auf weitere derzeit zugreifbare BR-Beiträge zum Diebstahl-Thema.

Ansonsten habe ich beim Herumklicken irgendwo „7 Tage“ gesehen. An anderer Stelle Tagesgespräche vom Juli 2022 als Podcast gefunden. Die Sache ist für mich kryptisch und weil ich die öffentlich-rechtliche Löschlogik sowieso mistig finde, habe ich keine Lust da geistig durchsteigen zu wollen. Wenn die Sendung tatsächlich nach 7 Tagen verschwindet, fände ich es schade.

Unter den BR-Beiträgen gibt es auch einen mit dem Titel „Keltengold-Entdecker: "Ich bin entsetzt und schockiert"“, in dem der Entdecker der Münzen Matthias Leicht zu Wort kommt. Da ist aber wenig über die Münzen selbst zu finden. Wer mehr dazu lesen will, möge einer Empfehlung aus einem Tweet von Marjanko Pilekić folgen. Die „Ergebnisse der Ausgrabungen in Manching-Altenfeld 1996-1999“ sind anscheinend nicht frei zugreifbar, „Boische Münzen in Süddeutschland – Fremde Prägungen mit überregionaler Gültigkeit?“ von Bernward Ziegaus schon. Der Leiter der Abteilung Numismatik der Archäologischen Staatssammlung Bernward Ziegaus ist auch in einem aktuellen Kulturwelt-Podcast des BR zur Bedeutung der Münzen hören. Ab Minute 22:20 geht es um Manching, solange der Podcast noch zugreifbar ist.

Donnerstag, 13. Oktober 2022

Streamingdienste

Meine beiden Einträge vor zwei Jahren über die Barbaren-Serie (Teil 1, Teil 2) und die folgenden Einträge über die Liberator-Serie und den Spielfilm zur Sutton-Hoo-Ausgrabung waren selbst als Blogeintrag-Miniserie gedacht, die zeitnah zur Veröffentlichung der Filme bei Netflix bei mir erscheinen sollte.

Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022

Das Zeitnahe ist beim abschließenden Film zur Sutton-Hoo-Ausgrabung deutlich schief gegangen. Mein Eintrag kam erst ein Jahr nach Erscheinen des Filmes „The Dig“ bzw. „Die Ausgrabung“. Das späte Erscheinen hatte zumindest den Vorteil, daß man leicht die enorme Medienresonanz des Filmes nachvollziehen konnte. Neben den klassischen Medien sind hier auch Fachmagazine und insbesonders auch die Medien der betroffenen Ausstellungsstätten zu erwähnen (Blogs, Social-Media-Accounts, Webseiten). Man konnte gut sehen, daß versucht wurde, möglichst lange mit dem gesteigerten Publikumsinteresse zu gehen. Von dem mitgenommenen Schwung profitieren sicher auch noch die aktuellen Ausgrabungen. Man beachte bei der Meldung „Royal Hall of the East Anglian Kings found in Suffolk“ die sehr hohen Zahl an Volunteers.

Bei den deutschen Archäologen schien mir bislang das Medium Streamingdienst kein Thema zu sein. Das Schema blieb bei der Barbaren-Serie wie gehabt. Zeitungen oder Radiosender machten etwas über die Barbaren-Serie und die befragten Archäologen gaben auch brav und vermutlich fundiert ihre Expertisen ab. Aber irgendwelche Überlegungen über das Medium Streamingdienst selbst oder ein Vermissen einer Reaktion wie in England auf so ein Streaming-Ereignis habe ich nicht gesehen. Ich habe jetzt Kurzscans auf das Museum Kalkriese und die KZ Gedenkstätte Dachau wegen der Barbaren- bzw. der Liberator-Serie gemacht und nur auf der Kalkrieser Facebook-Präsenz und dem Youtube-Kanal des Museums zwei kurze Barbaren-Faktenchecks gefunden. Youtube gibt für die zusammen 7 Minuten langen Videos insgesamt 1300 Aufrufe an. Eine Teilnehmerin der von mir im zweiten Barbaren-Eintrag verlinkten 44-minütigen Diskussion „Die 'Barbaren' auf Netflix - Was wissen wir über die Varus-Schlacht?“ war vom Museum Kalkriese. Der Verweis, daß ein Museum in so einer Sendung präsent war, sollte natürlich auch auf die Museumsplattformen. Das war mir aber jetzt keinen Kurzscan wert. Mein im „Barbaren-Nachtrag“ angegebener Link zur Barbaren-Diskussion funktioniert übrigens nicht mehr, diese Diskussionssendung sucht man am besten über den angegebenen Titel.

Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022

In unserem Umfeld spielen Streamingdienste wie Netflix teilweise noch überhaupt keine Rolle, teilweise werden solche Dienste schon seit Jahren abonniert, dann aber in allen Fällen die wir kennen gleich mehrere Dienste. Es gibt auch unterschiedlichste Umgehungsmöglichkeiten. Wir kennen jemand, der hat keinen Bezug zu solchen Streamingdiensten, aber will bestimmte Serien weitersehen und wartet darauf, daß er die neue Staffel als DVD erwerben kann. Ich habe schon mehrere Serien in der Stadtbibliothek ausgeliehen. Und die Jugend soll sowieso alles kennen. D.h. da wird jeder im Kopf haben, wer aus seinem Freundeskreis welche Zugänge verfügbar hat.

Jedenfalls kann man aber nicht davon ausgehen, daß Zugreifende auf ein Informationsangebot den Film oder die Serie schon gesehen haben. Insofern sollten die Interessenten vielleicht zunächst mit einer zum Museum oder der Gedenkstätte passenden Inhaltsangabe versorgt werden. Darauf würde dann der beliebte Faktencheck aufsetzen, also ein Abgleich des aktuellen Wissensstandes, den das Museum/die Gedenkstätte vertritt, mit dem Gezeigten im Film. Die Dachauer Gedenkstätte wäre ein ganz interessantes Beispiel, weil man hier von in der Liberator-Serie gezeigten Szenen auf heute noch besichtigbare Örtlichkeiten verweisen könnte.

Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022

Ich will jetzt noch allgemeiner auf Streamingdienste eingehen. In dem Zusammenhang haben meine eingestreuten Fotos vom Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022 einen Sinn: die Aussage wäre, jeder kann heutzutage ein Streamer sein, kurze Videos sind besonders gefragt. Meine Fotoserie war mithin schon veraltet, bevor ich sie überhaupt gemacht habe. Aktuell gab es die Aussage, daß Jugendliche lieber auf TikTok statt auf Google suchen. Und Instagram und Youtube haben schon hinsichtlich kürzerer Videos auf den Erfolg von TikTok reagiert. Die Älteren mögen sich etwas wundern. Anderseits ist die Einbindung von Kurzvideos in Social Media schon seit längerem gang und gäbe und derzeit gewöhnt man sich auch daran, diese Filmchen um 20 Uhr in den Hauptnachrichten zu sehen. Man denke an die Rückeroberung von Lyman, an Videos in denen sich in der Pampa vergessene russische Mobilisierte aufgenommen haben oder an die Zerstörungen auf der Krim-Brücke.

Die letztgenannten Videos trafen auf eine riesige Nachfrage, in so einer Konstellation mag tatsächlich jeder die Chance auf ein Millionenpublikum haben. Im Fall des Radrennens hätte es eher nur für ein paar hundert Zugriffe gereicht. Und das mangels eines etablierten Videokanals auch nur, wenn wenig Video-anbietende Konkurrenz vorhanden gewesen wäre. Ohne Lucky Punch bräuchte man ein auf neue Videos wartendes Stammpublikum. Bzw. einen Algorithmus, der die eigene Wichtigkeit kennt und die Videos den Leuten zur Auswahl anbietet. Um das aufzubauen wird selbst Einzelkämpfern, die ihre Produkte oder Dienstleistungen via Social-Media-Kanälen vertreiben, schnell eine wesentlich höhere Video-Frequenz vorgeschlagen, als sie bei unseren ambitioniertesten Archäologiemuseen zu sehen ist.

Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022

Diese Nebenherprofis im Videobereich geben uns einen Anhaltspunkt, wie die Videoproduktion der Museen und Gedenkstätten einzuschätzen ist. Konkret wird man es in den Museen/Gedenkstätten stattdessen vermutlich wieder eher mit Hobbyisten zu tun haben. Ich denke da an die Sonderaustellungsbesucher, von denen ich berichtet hatte, die trotz Fotografierverbot fotografiert haben, die wären irgendwie in die Kurzvideowelt weiterzudenken. Den Fotografierenden müssen die Fotos offenbar wichtig gewesen sein und man kann sich gut vorstellen, daß viele der Fotos später über einen Messenger weitergegeben werden sollten. Mir sind damals mehrere Fotografierende pro Ausstellungsbesuch aufgefallen. Wenn man das auf die Dauer der Ausstellung hochrechnet und tatsächlich ein guter Anteil davon die Fotos weitergibt, vermutlich mehrfach, damit sich die Arbeit auch lohnt, dann kämen da schon interessante Zahlen zusammen. Verschiedentlich habe ich Reaktionen auf solche Fotografierwünsche gesehen, in einem Kunstmuseum gab es unterschiedliche Objektauszeichnungen, nach denen fotografiert oder nicht fotografiert werden durfte. Davon wären Angebote zu unterscheiden, die sich mehr aus der Selfie-Schiene heraus entwickelt haben und in denen eher Kulissen angeboten werden um sich selbst zu fotografieren oder fotografieren zu lassen.

Abschließend noch etwas über Streaming im Schach. Die üblichen Mannschaftskämpfe, bei denen die Spieler beider Mannschaften einander gegenüber sitzen, konnten zeitweise wegen Corona nicht durchgeführt werden. Als Ersatz hat der Deutsche Schachbund für interessierte Vereine eine Online-Liga gestartet. Bei Bundesliga-Partien konnte man zwar schon vor Corona live die Partien mitverfolgen, aber nun konnte man das bei allen Partien dieser Online-Liga und mein alter Verein spielte mit mehreren Mannschaften mit. Wobei ich aber nur noch wenige der Spieler persönlich kannte. Manche Vereine boten ihren Mitgliedern an, auf unterschiedlicher Softwarebasis gemeinsam die Vereinspartien zu verfolgen. Da war ich zurückhaltend, denn mein Verein hat in dieser Zeit wegen Corona auf Lichess online auch kleine Turniere gespielt und da hätte man ja gleich noch auf die Idee kommen können, mir eine Prüfung meines aktuellen Leistungsstandes anzubieten.

Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022

Zusätzlich zur Möglichkeit die Partien online zu verfolgen wurde ein von einem Großmeister moderiertes „Schachdeutschland TV“ live via Twitch angeboten, in dem aktuell laufende Partien besprochen und Interviews mit Vertretern teilnehmender Vereine geführt wurden. Insbesonders diese Interviews scheinen mir bemerkenswert, weil man über Wochen immer wieder neue Leute live in von diesen Leuten selbst bereitgestellten Räumen und mit von ihnen selbst vorbereiteter Ausrüstung in die Sendung einbinden mußte. Ja klar, in Zeiten wo viele im Home Office arbeiten ist das kein Hexenwerk. Aber sich ein Sendungskonzept auf dieser Basis auszudenken und das dann einfach durchzuziehen und das klappt dann auch noch einfach so, das finde ich schon sehr faszinierend.

Samstag, 14. Mai 2022

Gemischte Links

Morgen ist wieder Internationaler Museumstag. Die Website mit dem zum Museumstag angebotenen Programm ist ein paar Suchläufe wert. Wer entdeckungsfreudig ist, sollte außer nur mit dem Ort zu suchen auch die Umkreisangabe ausprobieren.

Bei der Gelegenheit können die Leser, die sich für den Raum München interessieren, auch einen Blick auf die aktualisierte Website der Münchner Archäologischen Staatssammlung werfen. Die Münchner Archäologische Staatssammlung wird zwar noch generalsaniert, meldet aber auf ihrer Website, daß sie beim Internationalen Museumstag mit Veranstaltungen auf der Burg Grünwald dabei ist. Diese Grünwalder Veranstaltungen findet man entweder über die Ortssuche „München“ oder über das Museum „Archäologische Staatssammlung“.

Corona hat eine ganze Menge zusätzlicher Videos und Teilnahmemöglichkeiten an Onlineveranstaltungen gebracht. Ein sehr schönes Beispiel für eine neue Videoreihe ist die Reihe „Museum exklusiv“ des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale). Als Beispiel für Onlineveranstaltungen verlinke ich den kürzlich stattgefundenen Montagsvortrag im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Den finde ich schon deshalb ganz gut, weil dieser Vortrag zwar erstmals wieder als Präsenzveranstaltung stattfand, aber man ihn zugleich wie die Vorgängervorträge auch online zugänglich machte und ihn dann auf dem Youtube-Kanal des Landesamts eingestellte. Man kann sich vorstellen, daß diese Kombination des Landesamts ganz sinnvoll ist, weil es zum einen sicher ferner Wohnende gibt, die sich für die behandelten Themen interessieren, und sich anderseits vermutlich Landesamt-nähere Kreise über einen Jour fixe freuen, an dem sie wieder persönlich treffen können.

Bei beiden verlinkten Beispielen möge man bei den Themen der angebotenen Videos herumstöbern, weil da einiges Interessantes und Bekanntes dabei ist. Im Fall des Landesmuseums für Vorgeschichte will ich die von mir im Zusammenhang mit dem Steinzeitfilm „Alpha“ erwähnte Schamanin nach archäologischer Vorlage herausgreifen. Zu dieser Schamanin von Bad Dürrenberg gibt es in der oben verlinkten Reihe „Museum exklusiv“ gleich zwei Videos. Man suche die Videos am besten via „Dürrenberg“ auf der Website.

Die Bekanntheit der Schamanin war - siehe Steinzeitfilm „Alpha“ - schon zuvor international. Aktuell wird diese Bekanntheit durch die Ausstellung „The world of Stonehenge“ im Britischen Museum bestätigt, in deren Zusammenhang ein sehr informativer und mit vielen Bildern zur Schamanin versehener Twitterthread entstanden ist.

Auf universitäre Präsenzvorträge hatte ich früher indirekt via den Veranstaltungshinweisen der „Gesellschaft für Archäologie in Bayern“ verwiesen. Dann aber noch rechtzeitig in Vor-Coronazeiten meine Probleme mit diesen Hinweisen beschrieben. Ich hätte mir damals gewünscht, daß irgendwo klar die Modalitäten zu den Vorträgen beschrieben und öffentliche Vorträge klar erkennbar sind. Das war nach meinen Erfahrungen nicht der Fall. In Corona-Zeiten hat sich das insofern etwas entspannt, als es nun viele Hinweise auf Online-Veranstaltungen gab und der Zugriff entweder schon durch die Angebotsformulierung klar war oder sich schnell durch eine Online-Nachfrage klären ließ. Mittlerweile gibt es wieder Präsenzveranstaltungen und ich stehe wieder vor alten Rätseln, etwa bei einem „All welcome!“-Tweet zu einem Vortrag in der letzten Woche. Beharrliches Nachsuchen kann aber dann doch noch etwas bringen. Man möge den aktuell bei den Veranstaltungshinweisen der Gesellschaft für Archäologie eingestellten Links zu den Universitäten folgen und findet bspw. ein Altorientalisches Kolloquium, dessen Vorträge „allen Interessierten offen“ stehen. Oder eine am 24.5. beginnende „öffentliche Vortragsreihe“ mit Zoom- bzw. Hybrid-Vorträgen, für die auf Wunsch der Zoomlink mitgeteilt wird.

Für die nächsten Links zu Texten und Filmen des Bayerischen Rundfunks eine längere Einleitung. Ich habe seit Jahren das Problem, daß von mir verlinkte BR-Beiträge wegen der politsch gewollten Depublikation verschwinden. Anscheinend ist davon nun eines der beiden verlinkten Videos im „Pasinger Reiter mit Fußvolk“ betroffen. Es gibt anderseits vom Denkmalamt per Internet frei zugreifbare Denkmaldaten. Ich habe die Zugriffsmöglichkeiten zuletzt im Zusammenhang mit der Hirschwiese im Forstenrieder Park beschrieben. Die Ausgrabungstelle, um die es beim Pasinger Reiter ging, sollte dieser Link zum Denkmalatlas zeigen. Falls der Link noch funktioniert erkennt man, daß die Fläche des neuen Gebäudes, auf dem die Ausgrabung stattfand, von der Rotfläche ausgespart ist. D.h. da war zwar ein Friedhof, aber der wurde archäologisch untersucht und archäologisch ausgeräumt. D.h. das Informationssystem informiert nicht die Bevölkerung über Friedhöfe im Mittelalter, sondern es ist eher ein administratives Informationssystem, das angibt, daß um das neue Gebäude herum noch ein weiterer Teil des Friedhofs vermutet wird, der bei zukünftigen Erdarbeiten archäologisch untersucht werden muß.

Für die Information der Bevölkerung über die dortige Konstellation wären beide Videos natürlich sehr wertvoll. Im aktuell noch verbliebenen Video gibt es Drohnenaufnahmen von der Grabungsfläche und den anliegenden Bereichen, in denen weitere Gräber vermutet werden. Ein BR-Video mit den Denkmaldaten verbandeln wäre aber nur etwas für den Moment. Und es gibt anscheinend keine Gegenreaktion des Denkmalamts. Man könnte ja eigene Videos machen, vermutlich wird man sowieso eigene Drohnenaufnahmen haben. Das könnte man möglichst allgemein frei geben, damit sowas nicht durch irgendwelche Politiker nachträglich sabotiert werden kann. Jedenfalls ist interessant, daß dieses Löschen seitens des Denkmalamts bzw. seitens der deutschen Denkmalämter egal ist, während Besitzer von Denkmälern hinsichtlich dem Erhalt ihrer Schätze richtig Stress kriegen können. Siehe hier den älteren Artikel „Der Staat als Messie“. Man möge sich bei Interesse noch durch die Kommentare hangeln.

Nun zu den neueren BR-Links: „Denkmalschutz und Energiewende“ - ein Beitrag der Sendung Capriccio im BR Fernsehen mit dem Untertext „Passau, Wasserburg, Burghausen - historische Altstädte unter Denkmalschutz - aber wie soll Denkmalschutz eigentlich mit der Energiewende zusammengehen? Ein Pilotprojekt.“

In „Fall Greipl: Ministerium hat keine Zweifel an eigener Rolle“ geht es um das VGH-Urteil gegen Bayerns Ex-Generalkonservator Egon Johannes Greipl. Ich habe nicht versucht mich über den genaueren Hintergrund zu informieren oder die weitere Entwicklung zu verfolgen. Ich will das nur jetzt als Information auch hinsichtlich der Personalknappheit und der erwähnten Denkmalliste weitergeben.

Mein Nichtnachverfolgenwollen betrifft auch die Meldung „Diebe stehlen in Manching wertvolle archäologische Funde“. Ich hätte jetzt trotzdem gehofft, daß es bei so einem spektakulären Raubzug schnelle Ergebnisse gibt. Die verlinkte Meldung scheint aber nach meiner kurzer Linkkontrolle leider immer noch das oberste Ergebnis bei der Manching-Suche zu sein.

Schließlich noch ein geheimnisvolles Grab, das bei Schweinfurt entdeckt wurde. Via „Das könnte Sie auch interessieren“ könnte ich mir gerade noch die weiteren Entdeckungen bei Stephansposching, in Gauting und im Ries ansehen. Wenn die BR-Entdeckungsgeschichten dann irgendwann wieder depubliziert sind, werden die zugehörigen Knochen vielleicht noch lange in den Depots zu finden sein, die in den aktuell auf der Website der Archäologischen Staatssammlung eingestellten Mitteilungen der Freunde der Bayerischen Vor- und Frühgeschichte Nr. 147 beschrieben sind.

Dienstag, 15. März 2022

Sutton-Hoo-Ausgrabung als Spielfilm bei Netflix

Anfang letzten Jahres erschien beim Streaming-Dienst Netflix der Spielfilm „The Dig“ („Die Ausgrabung“), der über den Umweg eines 2007 erschienenen gleichnamigen Romans eine der bedeutendsten englischen Ausgrabungen als Vorlage hat. D.h. es gibt zwar zahlreiche personelle und sachliche Überschneidungen zwischen Realität, Roman und dem Film, aber schon der Roman enthält einiges an Fiktion, welche dann im Film umgesetzt wurde.

Sutton Hoo bezeichnet einen archäologischen Ausgrabungsort, an dem sich eine größere Zahl Grabhügel befinden. Einer dieser Grabhügel wurde 1939 geöffnet und enthielt überraschenderweise noch reiche Grabfunde, durch die man viel über die als „dunkle Zeit“ empfundenen frühen Jahre der Angelsachsen erfuhr. Darüber hinaus kann man das Grab wahrscheinlich sogar mit Rædwald, einem König von East Anglia, einer geschichtlich bekannten Persönlichkeit zuordnen.

Den Anstoß zur Ausgrabung gab seinerzeit die Grundbesitzerin Edith Pretty, die den „self-taught Suffolk archaeologist“ Basil Brown mit der Ausgrabung beauftragte. Als sich die archäologische Bedeutsamkeit immer deutlicher erwies, arbeitete Basil Brown zwar weiter mit, wurde aber bei der Leitung der Grabung und der Bergung der Grabkammer durch akademische Archäologen abgelöst.

Der Film hat wie gesagt einen Roman zur Vorlage. Schon in diesem wurden die Ereignisse im wesentlichen auf die Ausgrabung dieses einen Grabes zusammengezogen. In Wirklichkeit begannen erste Ausgrabungen in dem Grabhügelfeld durch Basil Brown und sein von Edith Pretty gestelltes Hilfspersonal schon 1938 und zeigten erste Erkenntnisse, die im Roman und im Film den 1939-Grabungen zugesprochen werden. Dazu und anscheinend zu allen weiteren denkbaren Aspekten der Grabung und der handelnden Personen gibt es sehr viele und detaillierte Informationen im Netz.

Als Einstieg empfehle ich diesen kurzen für die dguf entstandenen Text des Archäologen Jens Notroff über den Film: „Eindrückliche Darstellung der Ausgrabungen in Sutton Hoo, mit erzählerischen Schwächen“. Ich denke Jens Notroff hat die wesentlichen Punkte des Films zusammen mit seiner Bewertung aus Archäologensicht sehr gut dargestellt.

Die tatsächlichen zwei Phasen der Ausgrabung - also die unter der Leitung von Basil Brown und die spätere, in der die akademischen Ausgräber dominieren, bestimmen trotz diverser fiktiver Elemente den Spielfilm. Vermutlich kam der Romanautor darum nicht herum, es ergibt sich dadurch aber ein ungewöhnlicher Bruch in der Filmmitte. Zunächst regiert Basil Brown auf den Grabhügeln, dann spielt er dort eine untergeordnete Rolle. Schauspielerisch tragen Carey Mulligan als Edith Pretty und Ralph Fiennes als Basil Brown trotzdem den ganzen Film. Jens Notroff erklärt den blass bleibenden restlichen Cast damit, daß die Sensation der archäologischen Entdeckung kaum noch Möglichkeiten zur Entfaltung lässt, was sicher auch stimmt. Aber wie hält man das Augenmerk auf Brown und Pretty?

Der Film lässt es im ersten Teil zwischen der verwitweten Edith Pretty und Basil Brown „knistern“. Bis zu einer schiefgelaufenen Essenseinladung durch Edith Pretty klärt sich zwar, daß Basil Brown einer anderen Welt verhaftet ist. D.h. bis zur Mitte des Films ist man damit durch. Es bleibt aber bis zum Ende des Filmes eine fortlaufende Sorge, Loyalität und Fairness zwischen Edith Pretty und Basil Brown. Die Sorge durch Brown drückt sich etwa durch den Körpereinsatz beim Schutz der herzkranken Pretty vor aufdringlichen Journalisten aus, Pretty sorgt sich umgekehrt um Browns aktuelle und spätere Würdigung. Es gibt auch weiterhin im Film Bildkonstellationen mit Pretty zusammen mit Brown und Prettys jungem Sohn. Den Liebesbeziehungsfaden nimmt hingegen eine Archäologin im zweiten Teil des Filmes auf. Es wird also etwas durchexerziert für diejenigen, die noch am Knistern hängen blieben. Und das von Nebenrollen, denn im Film geht es schließlich um die Ausgrabung.

Sowohl das Knistern zwischen Pretty und Brown als auch die Liebesgeschichte der Archäologin ist fiktiv. Die Erfindung ist bei der Archäologin sogar belegbar, weil es ihren Liebhaber nicht real gegeben hat. Der die Ausgrabung fotografierenden Verwandte von Pretty wurde für den Roman erfunden, die tatsächlichen Fotografinnen unterschlagen. Pikanterweise ist die Archäologin, der das Liebesverhältnis angedichtet wurde, sogar die Tante des Romanautors. Zu der Archäologin Peggy Piggott gibt es einen umfangreichen Text „Has Britain recognised its old and 'Uncrowned Queen' of Sutton Hoo, the brilliant Peggy Piggott ?“.

Auf „The Dig“ bzw. „Die Ausgrabung“ einzugehen war von mir im Rahmen einer kleinen Netflix-Serie geplant, die im November 2020 mit „Die Schlacht im Teutoburger Wald bei Netflix“ begann. Bis zum Ansehen des Filmes hat es aber noch ziemlich gedauert. Zumindest habe ich aber in der ersten Zeit noch fortlaufend die Reaktion in den Medien verfolgt. Die war außerordentlich beeindruckend. Zwar gibt es bei international startenden Filmen auch weltweit Artikel zum Film, aber hier war besonders viel Engagement in den ehemaligen britischen Siedlungsgebieten zu sehen. Es gibt im Film dazu passende Aussagen in die Richtung: es ist nicht irgendein Wikingergrab, sondern einer von uns, es betrifft unsere eigene frühe Kultur und Geschichte. Mir kam es so vor, daß der Film auf eine derartige weit verbreitete Empfindung aufsetzen konnte.

Die weltweite Resonanz ist teilweise sogar mittelfristig ausgelegt. Dieses Jahr gab es von der Society for American Archaeology eine Ausgabe von „The SAA Archaeological Record“ mit mehreren Artikeln zum Film. Die Medienresonanz wurde von den betroffenen Institutionen begleitet. Jens Notroff verweist auf einen Blog-Eintrag des Britischen Museums „Inside 'The Dig': how the star-studded film squares with reality of Sutton Hoo“. Und von den heute in dem Gebiet tätigen Archäologen gab es jüngst Berichte von aufgefundenen Werkstätten, in denen möglicherweise in den Grabhügeln von Sutton Hoo aufgefundene Gegenstände hergestellt wurden.

In der Realität scheint die damalige Ausgrabung für alle Beteiligten sehr gut gelaufen zu sein. Auch Rædwald würde sich wohl freuen, wenn er sehen könnte, wie er in die heutige Zeit aufgenommen wurde. Das ist nicht selbstverständlich. Raubgräberei war auch damals ein bekanntes Problem. Trotz damaliger Klassengegensätze ist aber anscheinend nichts während der Ausgrabung verschwunden. Edith Pretty wiederum wurde nicht staatlicherseits um ihre Funde gebracht und vergessen, sondern konnte sich durch die Spende an das Britische Museum verewigen. Selbst hinsichtlich Basil Brown wird dem Film dahingehend widersprochen, daß er seinerzeit nicht angemessen gewürdigt worden wäre. Und er konnte auch neben der Sutton-Hoo-Ausgrabungen laut Wikipedia trotz Widrigkeiten ein reichhaltiges Archäologenleben führen. Wobei er auf Empfehlungen bauen konnte. Zu dem Auftrag von Edith Pretty ist es ja nur durch so eine Empfehlung gekommen.

Respekt, Vertrauen, Fairness und tiefsinnige Gespräche wird es sicher seinerzeit auch in der Realität gegeben haben. Insofern passt der im Film aufgebaute Grundtenor irgendwie schon. Der Film kam sehr gut an, die Wikipedia stellt aktuell fest: „Rotten Tomatoes reports that 88% of 153 critics gave the film a positive review“. Ich fand den Film auch sehr schön umgesetzt und sehenswert. Anderseits, gerade weil seinerzeit alles so gut gelaufen ist, würde ich denken, der Film hätte sich auch wesentlich mehr durch die damalige Realität tragen lassen können. Das Knistern und die Liebesgeschichte war in einem zweiteiligen Film zwar ein interessantes Konstrukt, aber das reale Zusammentreffen von Edith Pretty und Basil Brown würde mich mehr interessieren.

Donnerstag, 6. Januar 2022

200ster Geburtstag von Heinrich Schliemann

Der heutige Dreikönigstag ist zugleich der 200ste Geburtstag von Heinrich Schliemann. Ich fand und finde Schliemann toll. Er hat gleich an zwei für ihn fremden Orten ein Vermögen gemacht. Nicht nur in Rußland, sondern auch im amerikanischen Westen. Dafür mußte er die herrschenden Notwendigkeiten erkannt und die dann mit hoher Energie, großem Mut und enormer Lernbereitschaft umgesetzt haben. Seine häufig erwähnte schnelle Lernfähigkeit von Sprachen wirkt unglaublich. Aber er muß sich genauso schnell in neue Rechtssysteme und Handelsbräuche eingearbeitet haben.

Diese weit über dem Normalen liegenden Fähigkeiten, sich auf neue Notwendigkeiten einzustellen, scheinen ihm auch in seinem zweiten Leben als Archäologe geblieben zu sein. Zwar wird ein Blick auf den Schliemann-Graben vermutlich noch viele weitere Archäologengenerationen leiden lassen. Anderseits gibt es die Entschuldigung, daß sich die Feldarchäologie noch in den Kinderschuhen befand und er sich auch hier wieder als äußerst lernfähig erwiesen und neue Methoden erst geschaffen hat. Die Wikipedia führt einige von Schliemann erdachte Forschungsmethoden auf, die noch heute angewendet werden.

Häufig wird auch seine gute Medienarbeit erwähnt. Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte Berlin, bezeichnet ihn im Blog der Staatlichen Museen zu Berlin als Medienjunkie. Wemhoff erwähnt dabei die Exklusivverträge mit der „Augsburger Allgemeinen“ und der Londoner „Times“. In einem „Podcast Mare Nostrum“-Interview beschreibt PD Dr. Stefanie Samida einen dieser für heutige Verhältnisse ungewöhnlichen Artikel von Schliemann in der „Augsburger Allgemeinen“, in dem er ausführlich versucht eine Kritik zu wiederlegen. Stefanie Samida erwähnt in dem Interview auch Direktkontakte Schliemanns mit Archäologen, die Wikipedia ein Telegramm an den griechischen König über einen neuen Fund. Ohne weitere Kenntnisse würde ich das alles unter Schliemanns schon in seiner Vermögensaufbauzeit eingeübten Kommunikationsfähigkeit einsortieren. Schliemann mußte als Kaufmann seine Zielgruppen über sein Angebot informieren und anderseits seine Waren in Direktkontakten beschaffen.

Die damalige Vorläuferzeitung der heutigen „Augsburger Allgemeinen“ soll eine der bedeutendsten deutschsprachigen Tageszeitungen gewesen sein. Vermutlich konnte Schliemann mit ihr gut das Bildungsbürgertum erreichen. Gerade mit einer im Konflikt entstandenen Antwort hatte er die Chance, daß ein differenzierter Artikel über seine Arbeit von vielen gelesen wird und sich die wesentlichen Ideen in vielen Köpfen verankern. Das sähe nach einer für die damaligen Medienverhältnisse idealen Nutzung aus. Wenn es hingegen zu den einzelnen ARD-Alpha-Sendungen „Zum 200. Geburtstag von Heinrich Schliemann am 6. Januar“ so Angaben gibt wie „BR Mediathek: nach Ausstrahlung bis 12. Januar 2022 verfügbar“ oder „BR Mediathek: nach Ausstrahlung 5 Jahre verfügbar“, dann hätte sich Schliemann da vermutlich im falschen Film gefühlt. Die Archäologen haben ja heute alles. Sie können besser über ihre Arbeit schreiben als die meisten Journalisten, sie haben unzählige Fotos, sie haben inzwischen auch häufig Filmaufnahmen aus Drohnen.

Den unterlegten Link zum BR nehme ich bei Gelegenheit wieder raus, wenn diese Website nicht mehr zugänglich ist. Auch solche Informationen über Stattgefundenes und das, was davon noch in der Mediathek zu finden ist, verschwinden schnell einmal in einer für mich nicht nachvollziehbaren Weise.

Zum Schliemann-Geburtstag soll es mehrere Ausstellungen geben. Die des Museums für Vor- und Frühgeschichte Berlin soll den Titel „Schliemanns Welten“ tragen und vom 13.5.2022 bis 6.11.2022 stattfinden. Das Interview mit dem Podcast Mare Nostrum fand im Kontext zur Ausstellung „Heinrich Schliemann und Heidelberg“ statt, die am 14.1. in Heidelberg starten soll. Und im Schliemann Museum Ankershagen soll es beginnend mit dem 8.1.2022 über das Jahr verteilt mehrere Sonderausstellungen geben.

Im abschließenden „Die Sendungen im Überblick“ des oben verlinkten BR-Texts werden geplante Sendungen für gestern und für heute angegeben. Heute soll ab 21:00 Uhr „Ertauchte Geschichte – Pfahlbauten in Europa“ und „Die verschüttete Hochkultur – Tempelstadt Naga“ auf ARD Alpha zu sehen sein. Die gestrigen Sendungen „Geheimnisvolle Orte: Troja und der Schatz des Priamos“, „alpha-thema Gespräch: Geheimnisvolle Schätze? Zum 200. Geburtstag von Heinrich Schliemann“ und „Das Grand Egyptian Museum – Ein neuer Palast für Tutanchamun“ sind schon in der Mediathek zu finden. Zudem werden die drei gestrigen Sendungen heute ab 14:15 Uhr wiederholt, das wird in der BR-„Pressemitteilung“ nicht erwähnt.

Heute ist ein Artikel auf Englisch bei der Deutschen Welle über Schliemann erschienen. Die Tage gab es eine Sendung im Deutschlandfunk Nova. Einiges mehr an Audio-Sachen findet man über die Schliemann-Suche in der ARD-Audiothek, u.a. die Lesung eines neuen Buchs über Heinrich Schliemann von Frank Vorpahl. Also es scheint jeder irgend etwas zu machen oder zu wiederholen oder neu aufzubereiten. Man hat nur das Problem das Richtige herauszufischen, in das man seine Zeit investiert.