Mit meinem Blogeintrag über die „Schlacht im Teutoburger Wald bei Netflix“ dachte ich diesbezüglich meine Mission erfüllt zu haben.
Im internen Modus habe ich dann meinen Freund Wintersonne nach seinen Erfahrungen mit der Barbaren- und der Damengambit-Serie gefragt. Das Damengambit war in der Woche an erster Stelle der Netflix-Serienzugriffe, in der wie von mir geschrieben die Barbaren auf dem zweiten Platz landeten. Und ich habe ja wie schon mal erwähnt auch eine Schach-Historie.
Bei Wintersonne hatten die Barbaren schon verloren. Er hatte sich nur die erste und den Anfang der zweiten Folge angesehen und konnte mit der Serie nichts anfangen. Die Dialoge waren aus seiner Sicht „leider auf Vollpfosten-Niveau“. Er wollte sich wegen meinem Blogeintrag noch die letzte Folge ansehen, „da wird dann hoffentlich nicht soviel gequatscht.“ Aber: „leider wurde wieder geredet, auch die Kampfszenen redundant und gähn“.
Derweil habe ich via Hiltibold aus Graz festgestellt, daß es schon Tage vor meinem Blogeintrag eine 44-minütige Diskussion unter dem Titel „Die 'Barbaren' auf Netflix - Was wissen wir über die Varus-Schlacht?“ mit dem von mir erwähnten Reinhard Wolters gegeben hatte. Das hätte ich zumindest im kleinen „Gemischte Links“-Format nachtragen müssen. Ich habe mich stattdessen zu einem eigenen Blogeintrag entschlossen und nun auch länger in die Serie reingesehen.
Hinsichtlich der Dialog-Sensibilität sehe ich Wintersonne als führend bei uns an, da brauche ich also nichts mehr zu sagen. Allgemeiner gefasst würde ich seine Sicht unter etwas einsortieren, das für mein Gefühl sehr treffend mit dem in irgendeiner Serienbesprechung verwendeten Wort „unterkomplex“ beschrieben werden kann. Also es fehlt nicht nur bei den „Vollpfostendialogen“ unangenehm bemerkbar an Komplexität.
Um das an ein paar Beispielen zu erläutern: ziemlich am Anfang der Serie reitet ein Minitrupp Römer mit ihrem Legionsadler zum Abgaben-Einsammeln im germanischen Minidorf des Cherusker-Chefs ein. Das ist zwar vielleicht für den Fortlauf der Handlung nicht schlecht, weil die Zuschauer nun schon eine Beziehung zum Adler aufbauen können. Das wird sich auch im weiteren Verlauf der Serie bestätigen - dieser einfachen Sprache kann man gut folgen. Aber diese unterkomplexe Darstellung ist von der Logik her gesehen Quatsch, weil die Römer ein ziemliches Risiko für ihren Adler eingehen.
Es geht wie gesagt um Abgaben, die Römer sind nicht zufrieden und wollen mehr Abgaben haben und geben drei Tage Zeit. Die Germanen kommen daraufhin auf die Idee, ein Thing einzuberufen, um mit den anderen Stammesführern das weitere Vorgehen zu bereden. Das Thing findet tatsächlich in der nächsten Szene schon statt. Für den Fortlauf der Erzählung ist das natürlich nicht schlecht. Man kann das nächste Glied in die Erzählkette hängen und nun ohne daß sich die Zuschauer etwas Komplexeres über den zeitlichen Verlauf merken müssen gleich die Zerstrittenheit der Germanen darstellen. Die Szene ist auch recht malerisch und wenn die Germanenkleidung einigermaßen korrekt auf archäologischen Vorlagen beruht, stellt sie sicher einen Wert an sich dar. Aber sie passt halt nicht zur Szene mit der Dreitagevorgabe.
Der angekündigte nächste Römerbesuch beim Cherusker-Chef wird dramatisch. Der Cherusker muß den Adler als Unterwerfungsgeste küssen, Thusnelda will das verhindern, ihr kleiner Bruder wird dabei schwer verletzt. An dieser Stelle wäre die erste Folge der Serie Rom von 2005 zu erwähnen, in der Vercingetorix vor Caesar niederknien und den Adler küssen muß. Diese erste Folge hieß der „Der gestohlene Adler (The Stolen Eagle)“. Passenderweise kommen Thusnelda und ihr Geliebter Folkwin Wolfspeer auf die Idee, den römischen Legionsadler zu klauen. Thusnelda, Folkwin und Arminius sind Freunde aus Kindheitstagen und Thusnelda und Folkwin retteten damals Arminius einmal vor einem Wolf. Deshalb hat jeder von ihnen einen herausgebrochenen Wolfszahn, von denen einer bei der Klauaktion im Lager verloren geht und selbstverständlich von Arminius gefunden wird.
Der Adler wird im Lager geklaut, nicht einfach ein Minitrupp abgabensammelnder Römer überfallen. Folkwin und Thusnelda gehen nach schnell erstelltem Plan nächtens vorne durch den Eingang rein und sind für den Adler zuständig, zwei weitere Gefährten sollen hinten reinkommen und die beiden wieder aus dem Römerlager bringen. Das funktioniert tatsächlich so unterkomplex wie geplant, in dem Thusnelda als Lustsklavin ausgegeben wird, die einem Offizier zugeführt werden muß, und in dem die anderen beiden „hinten“ durch das römische Abwasser tauchen. Diese beiden Germanen dringen dann in ein Römerzelt ein, morden schnell zwei römische Soldaten und verkleiden sich mit deren Ausrüstung und geleiten dann Thusnelda und Folkwin mit dem eingewickelten Adler als vorgebliche Bewachung aus dem Lager.
Einiges an der Serie soll aus Expertensicht relativ gut gelungen sein, ich glaube das Haus des Cherusker-Chefs gehört dazu. Kritisiert wurde mehrfach, daß die vorgestellten germanischen Minidörfer direkt im Wald liegen. Das funktioniert so wirklich nicht, die Dörfer bräuchten umfangreich Äcker und Weideflächen für ihre Ernährung. Um die Felder zu bewirtschaften und den Holzbedarf zu decken bräuchte es Wägen und Zugtiere. In realen Dörfern müßte logistisch gesehen viel los gewesen sein. Hier habe ich keine ausgefahrenen Wege und keine Radspuren gesehen.
An die schnelle Hundwerdung des Wolfes im Steinzeitfilm „Alpha“ konnte ich ja auch nicht glauben, das war dann eben ein märchenhaftes Zusammenziehen, was über einen längeren Zeitraum passiert ist. Aber man hat doch dauernd die Gelegenheit bekommen, in die Fiktion einzutauchen. Im 13ten Krieger etwa stieß vielen das schnelle Sprachenlernen von Ahmad Ibn Fadlān und das blitzschnelle Umarbeiten seines Schwerts auf. Aber in vieles konnte man sich auch hineinziehen lassen. Die schöne Schamanin im Film Alpha etwa könnte wegen der archäologischen Vorlage ihrer Ausstattung sogar genauso in der Steinzeit rübergekommen sein. Das muß man sich mal vergegenwärtigen, welche Mühe die sich damals gegeben haben um den Teilnehmern an so einem Schamaninen-Event etwas zu bieten. Beim 13ten Krieger ist der auftretende „Engel des Todes“ eine alte Frau ohne jeglichen Schmuck. Die Szene funktioniert eigentlich nur mit ihrer trotz Alter und Unscheinbarkeit vorhandenen Autorität und der Regisseur kriegt das auch hin. Ahmad Ibn Fadlān sitzt bequem als Zuschauer dabei, als sich die anderen zwölf Krieger zusammenstellen und dann sieht der „Engel des Todes“ aus ihren Knochen, daß der 13te Krieger kein Nordmann sein darf. Man kann das über weitere Nebenrollen in dem Film fortsetzen. Den Schauspielern kauft man ihre Rollen ab.
In der Barbaren-Serie fehlte mir das. Ich würde Arminius und Varus und vielleicht noch Schauspielern aus dem Stab des Varus ihre Rolle abkaufen, aber Folkwin etwa wäre für mich eher ein Typ zum Fernhalten. Wenn der vorne mit Gedöns und einer Eroberung wie dem Adler in das Dorf reitet, hätte ich das Gefühl nach hinten aus dem Dorf abhauen zu wollen. Die ganzen etablierten Stammesführer kamen für mich ähnlich dünn rüber. Das kann nicht vorwiegend an den Schauspielern liegen. Die Germanen-Heilerin hatte aus meiner Sicht keine Chance. Die praktiziert in einer Art Höhle, in der überall Holz herumliegt und vor allem passend für die Kamera sechs Feuer verteilt brennen. Ich habe nicht verstanden, was die überzähligen Feuer für einen Zweck haben sollen. Dazu spielt die Heilerin sehr verhalten, das war vielleicht gewünscht und sollte geheimnisvoll wirken, aber das war bei mir dann dauerhaft von der Sechs-Feuer-Frage überdeckt.
Ich würde denjenigen, die sich soweit interessieren, daß sie bis hier unten im Text gekommen sind, trotzdem empfehlen, durch die Serie zumindest zu springen, wenn sich eine bequeme Gelegenheit dazu ergibt. Die Argumentation dafür geht in die Richtung, derentwegen ich auch froh war, den „Schlacht im Teutoburger Wald bei Netflix“-Text noch einigermaßen zeitnah zum Schwung der Medienveröffentlichungen eingestellt zu haben. Das Stichwort „Awareness“ scheint nach Nachgoogeln gerade vom Marketing gekapert zu sein. Aber die Idee wäre ein Bewußtsein zu haben, was gerade läuft. Vielleicht hat jemand einen Kontakt auf der anderen Seite des Erdballs und der kommt auf die Serie zu sprechen. In meinem Fall gab es jetzt die Überraschung, daß ich beim Eintragen dieses Textes ins Internet noch Namen kontrolliert habe und beim Wolfspeer-Nachgoogeln auf ein Barbarians Wiki gestoßen bin.
Wer die Serien bequem zugreifbar hat, möge auch noch in das Damengambit hineinsehen. Freund Wintersonne fand die Serie gegenüber den Barbaren „wesentlich ertragbarer“ und „unter dem Märchengesichtspunkt ganz okay“. Viele Aufnahmen in der Serie sind sehr schön, also selbst Durchhopsen ohne Ton lohnt sich. „Where was The Queen's Gambit filmed?“ hält ein paar Appetithappen bereit. Die Turniersaal-Atmosphäre wirkt sehr echt. Das schnelle Ziehen passt zwar eher zu Blitzschach- als zu Langpartien, aber mit den Schauspielern soll laut „Die Netflix-Sensation 'Das Damengambit'“ geübt worden zu sein, die Figuren wie ein echter Schachspieler anzufassen. Und der Exweltmeister Garry Kasparow soll die zu sehenden Züge vorgegeben haben. Wer dann selbst mehr Schach spielen will: die eben verlinkten „Perlen vom Bodensee“ sammeln aktuell für eine Neuausgabe des alten Artikels über „Für Sparfüchse: die Schach-Grundausstattung gratis“.
1 Kommentar:
Es zeigt sich, dass der ausgangs angesprochene und verlinkte (danke!) Text über die Grundausstattung immer noch gilt. Das eine oder andere Leckerli ist dazugekommen, aber Neues und zugleich im Sinne einer Grundausstattung Unverzichtbares hat sich mir noch nicht offenbart. Fortsetzung kommt trotzdem, wird aber eher "Cherry on top" heißen oder so, nix mit "Grundausstattung".
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