Donnerstag, 20. November 2014

Kornkreis bei der Erdfunkstelle Raisting

Regelmäßige Leser kennen Denis Mario Ahrens schon von seinem im Laliderer Tal im Karwendel entstandenen Zeitraffer-Video Alpine Contrasts. Mit der seinerzeit angekündigten längeren Version des Videos wird es noch dauern. Welcher Aufwand dahintersteckt, wenn alles klappt, hatte ich damals schon erwähnt.

Dieses Jahr hat aber nicht alles geklappt. Die Hindernisse klingen wie aus einer anderen Welt. Einstieg in diese andere Welt eineinhalb Autostunden von München entfernt bei Scharnitz. Einmal beim Biwak nach 10 Stunden Anmarsch mit schwerem Gepäck ein Gewitter auf dem Berg mit 500 m entfernten Blitzen. Einmal ein früher Abbruch wegen einer Hochwasser führenden Isar.

Zu den heutigen Videos habe ich keine so abenteuerliche Berichte bekommen. Aber für viele von uns sind klingen vielleicht schon die notwendigen nächtlichen Touren zum Kornkreis bei der Erdfunkstelle Raisting ziemlich verwegen.

Raisting liegt südlich des Ammersees, das Kornfeld war zur Zeit der Aufnahmen schon abgeernet. Aber vielleicht ist der Kornkreis zusammen mit der Erdfunkstelle so sogar besser zu sehen. Luftbilder gibt es im Netz, man suche in der Bildersuche nach „Kornkreis Raisting“.

Die Aufnahmen für das Video „Ghost train on an abandoned railroad track in Munich“ sind auf einem stillgelegten Bahnhofsgelände in München entstanden. Der Bahnhof läuft unter den Namen „Pressestadt“, „Alter S-Bahnhof Olympia-Pressestadt“ und „ehemaliger S-Bahnhof Olympiastadion“ und hat unter dem letztgenannten Namen einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

Nach dem Wikipedia-Eintrag ist er ein „Geisterbahnhof“. Das passt zum „Ghost Train“ im Video-Titel. Auf diesem Bahnhof wäre es wieder sehr lebendig geworden, wenn es mit der Transrapid-Verbindung zwischen dem Hauptbahnhof und dem Flughafen etwas geworden wäre (Näheres zu dem Projekt via Videosuche nach „Stoiber Transrapid“). Der Transrapid-Tunnel vom Hauptbahnhof sollte hier enden.

Freitag, 31. Oktober 2014

Bernstorfer Sensationsfunde - zu schön, um echt zu sein?

Aktuell sind die Bernstorfer Sensationsfunde wieder in den Medien. Vor allem wegen der Aussage von Prof. Ernst Pernicka, daß es sich beim untersuchten Gold der Goldfunde um „modernes, elektrolytisch gereinigtes Gold“ handelt. Archäologie Online zitiert Prof. Pernicka in dem Artikel „Goldfund von Bernstorf stammt wohl doch nicht aus der Bronzezeit“ weiter mit den Worten: „Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass es sich bei den Goldfunden von Bernstorf um moderne Imitationen handelt“.

Nach der am 29.10. im Bayerischen Fernsehen gezeigten Sendung Kontrovers, die man sich aktuell noch in der Mediathek ansehen kann (der Beitrag zu Bernstorf dauert nur etwa 13 Minuten und befindet sich am Anfang der Kontrovers-Sendung) stehen nach einem internen Workshop auch die Bernsteinfunde und die vorgeblich bronzezeitlichen Fundverpackungen im Verdacht nicht aus der Bernstorfer Bronzezeit zu stammen.

Brisant ist das alles und natürlich auch traurig, sollten sich die Sensationsfunde doch als Fälschung erweisen, weil die Funde weitreichende Beziehungen des bronzezeitlichen Bernstorf belegten und so auch seitens Teilen der Wissenschaft akzeptiert wurden. Der Film „Die Bernsteinstrasse“ von Gisela Graichen und Peter Prestel ist entsprechend aufgezogen (die verlinkte Arte-Website zu den Aussendungen wirbt mit den Bernstorfer Funden „Dort wurde ein rätselhaftes Bernsteinsteinsiegel und Gold aus ägyptischen Minen gefunden“). Hoffentlich wird das nicht für das Bronzezeit Bayern Museum zum Desaster. Die Bronzezeit ist mit oder ohne diese Sensationsfunde super interessant, aber vermutlich ist das Museum stark auf diese Funde ausgerichtet.

Ich verlinke mal auf einen alten Eintrag von mir von 2010 unter dem Titel „Die befestigte bronzezeitliche Siedlung bei Bernstorf, Gemeinde Kranzberg“ um noch kurz auf mehr Hintergrund einzugehen. Also es gibt neben dem Gold und dem Bernstein auch noch die Befestigung und die Idee der Siedlung. Die Befestigung, man spricht von einer Länge von 1,6 km, ist aus unbekannten Gründen abgebrannt, im Fernsehen war dazu auch schon ein Brand-Experiment an einem kurzen Stück Nachbau zu sehen. In den vergangenen Jahren liefen Ausgrabungen, die weder neue Sensationsfunde brachten noch die in diese große Befestigung passende Siedlung finden konnten. Die große Befestigung und der Brand scheinen aber unstrittig zu sein. Näheres dazu in der Forschungsprojektseite der Goethe-Universität Frankfurt am Main „Die bronzezeitliche Befestigung Bernstorf und ihr Siedlungsumfeld im Ampertal (Lkr. Freising, Oberbayern).“. Man kann da mal kurz drüber sehen, das ist nicht so viel. Vor allem aber sollte man sich den bei academia.edu online gestellten Artikel „Neue Forschungen zu den Befestigungen auf dem Bernstorfer Berg bei Kranzberg im Landkreis Freising (Oberbayern)“ aus den „Bayerischen Vorgeschichtsblätter“ 77 (2012) mal durchsehen, wenn man an der Bernstorfer Geschichte interessiert ist.

Der an Text, Foto, Zeichnungen und Karten umfangreiche Artikel ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Sowohl hinsichtlich den vorgefundenen Resten von Befestigungen aus unterschiedlichen Zeiten - es gab da offenbar auch eine hallstadtzeitliche Befestigung. Als auch Aussagen zur Siedlung („Derzeit können kaum nennenswerte Hinweise auf eine Innenbesiedlung zur Zeit der Befestigung in der jüngeren Mittelbronzezeit namhaft gemacht werden, es ist aber auszuschließen, dass es sich, wie bislang vielfach geäußert, um eine dicht besiedelte Anlage mit einer Bevölkerung von 1000 Personen im Sinne einer stadtartigen Siedlung handelte“) und zu den Gold- und Bernsteinfunden. Hier findet sich die Aussage zum Vergleich mit dem Gold des „sogenannten Echnaton Sarg / KV 55“: „Das Gold des Sarges aus KV 55 ist sehr rein, wenngleich es noch deutliche Reste von Silber und Kupfer enthält. Der Vergleich der Spurenelemente zeigt eine überraschend hohe Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Goldes aus Bernstorf.“ Interessant ist auch, daß es wohl trotz der unabhängigen Gold- und Bernsteinfunde auch eine Koppelung Gold-Bernstein gibt, der Artikel erwähnt einen „Goldrest aus der Durchlochung des Bernsteinsiegels“. Übrigens gibt es nach Aussage von Prof. Rupert Gebhard in dem Kontrovers-Beitrag auch ein Goldobjekt, das mit einem verkohlten Stab verbunden war, der unabhängig voneinander mehrfach in das 14. Jahrhundert vor Christus datiert wurde.

Das Informationsangebot ist im vorliegenden Fall recht umfangreich, wenngleich man auch schnell in Sackgassen landen kann - Tageszeitungsartikel die nur den Gold-Aspekt behandeln und nicht auf zusätzliche Informationen weiterverlinken, Radiobeiträge und der erwähnte sehr gute Kontrovers-Beitrag, die medienbedingt nicht auf die große Menge Hintergrund im academica.edu-Artikel verlinken können. Warum ist das Bronzezeit-Museum so still, könnte man nicht einen News-Ticker etablieren der alle gefundenen Stimmen verlinkt, auch die kritischen? Die neueste mir bekannte Meldung: „Prof. Ernst Pernicka kommt!“ Am 17.11.2014 referiert er im Hörsaal FH16 im Löwengebäude an der FH Weihenstephan auf Einladung des Archäologischen Vereins Freising. Auf der Website des Archäologischen Vereins Freising soll es dazu in Kürze nähere Informationen geben.

Samstag, 25. Oktober 2014

Mal wieder was zu den MOOCs

Mittlerweile sind einige neue Massive Open Online Courses (MOOCs) im Bereich Geschichte/Archäologie an den Start gegangen und andere werden aktuell wiederholt. Im letzten Eintrag über den Eagle of the Ninth hatte ich auf den Kurs „Hadrian's Wall: Life on the Roman Frontier“ hingewiesen, der am 22. September startete. Bei Iversity kann man derzeit an einer Neuauflage des HanseMOOCs teilnehmen (unter dem Titel „Die Welt der Hanse“, Beginn war am 6.10.). Außerdem bietet Iversity seit 20. Oktober unter dem Titel „Orientierung Geschichte“ eine Einführung in die Geschichtswissenschaft an. Bei Coursera startete am 6.10. ein achtwöchiger Kurs auf Spanisch über Ägyptologie („Egiptología“). Ab morgen soll es dort um „The Fall and Rise of Jerusalem“ gehen und am 24. November beginnt bei Coursera ein Kurs zum Thema „Recovering the Humankind Past and Saving the Universal Heritage“. Die Kursliste von edX ist ebenfalls einen Blick wert. Dort kann man sich seit 14. Oktober mit „Chinese Thought: Ancient Wisdom Meets Modern Science“ beschäftigen und am 22.10. gab es die Hours 16-21 von „The Ancient Greek Hero in 24 Hours“.

Wie aus dem Eintrag vom März 2013 über den Semantic-Web-Kurs von OpenHPI hervorging, hatte ich damals schon erste MOOC-Erfahrungen. Ich habe dieses Jahr im Januar in „Roman Architecture“ und andere Online-Kurse versucht meinen Erfahrungsstand zusammenzufassen. So nach gefühlter Wirklichkeit stimme ich mit dem im Januar gezeichneten Bild noch weitgehend überein. Heute würde ich demgegenüber stärker auf Gruppierungen von sich ergänzenden Kursen hinweisen. Unter der Bezeichnung „Specializations“ kommt das jetzt bei Coursera ganz massiv, man kann sich da mal die umfangreiche Liste ansehen. Den Abschnitt über die Moderatoren würde ich dagegen sein lassen, da habe ich zwischenzeitlich nicht mehr so viel davon gesehen. Und so nach gefühlter Wirklichkeit wird die Frage nach der Refinanzierbarkeit der Kurse für manche Anbieter dringender, das müßte man wohl stärker akzentuieren. Wahrscheinlich stehen Moderatoren und Refinanzierung sogar im Zusammenhang: die Betreuung von Moderatoren würde vielleicht eine zusätzliche Kraft binden. Stattdessen kann man auch die Foren mehr in den Vordergrund schieben. Sei es durch Erwähnung besonders hilfreicher Forenbeiträge in den wöchentlichen Mitteilungen, sei es durch die Aufforderung: wendet euch bei Fragen zur Software-Installation u.ä. an die Foren, es gibt nichts anderes!

Wie man an der Specializations-Liste von Coursera sehen kann, werden viele der dazu gehörenden Kurse erst im nächsten Jahr angeboten. Bei diesen Specializations wird es sich also mindestens um einen mittelfristigen Trend handeln. Aktuell geht eine davon mit dem Android Capstone Project zuende. Mich würde intressieren, wie das Zahlengerüst aussieht. Wenn bis zum Ende tatsächlich viele durchgehalten haben, dann dürfte es auch langfristig gut für solche Kursgruppierungen aussehen. Denn von der fachlichen Seite her ist gegen so eine mit einem längeren Projekt abgeschlossene Kombination von in dem Fall drei inhaltlich schwergewichtigen Kursen eigentlich nicht mehr viel zu sagen.

Am Capstone-Projekt kann man nur im Zusammenhang mit dem kostenpflichtigen „Verified Certificate“ teilnehmen. Man kann vermuten, daß so eine zusätzliche Motivation für das Verified Certificate durchaus erwünscht ist. Die Verified Certificates lassen sich aber immer noch austricksen. Zudem ist in vielen Fällen auch ohne Mogelei nur schwer nachzuvollziehen, wieviel Leistung hinter einem Zertifikat steckt. Man muß das wohl wirklich immer fallweise betrachten. Das Android Capstone Project wird vermutlich schon von wichtigen Arbeitgebern in den USA aufmerksam wahrgenommen. Ich denke jetzt an Zusammenhänge wie sie in dieser Heise-Meldung ausformuliert sind, nach der Apple um chinesische App-Entwickler wirbt, weil in Apples offiziellem App Store für China nur rund 150.000 Anwendungen bereitstehen „– anderswo sind es über eine Million“. Das mag wie ein Luxusproblem klingen, aber das Thema fehlende Anwendungen ist ein Dauerbrenner für den Erfolg von Plattformen. Da muß man sich als Firma eigentlich schon für Möglicheiten interessieren, für eine neue Plattform mal schnell eine größere Anzahl ausgebildete Leute geliefert zu bekommen.

Gut, aber in vielen Fällen ist keine Motivation vorhanden den kostenlosen Kursbesuch durch ein kostenpflichtiges „Verified Certificate“ zu ergänzen. Und ich glaube da knirscht es im Getriebe, wenn solche Zertifikate die einzige Möglichkeit sind, um wieder Geld herein zu bekommen. Ich halte zwar die Möglichkeit sich Kurse vorab oder nachträglich kostenlos anzusehen für sehr sinnvoll. Ich empfehle es auch, einfach in die interessierenden Kurse ein paar Videos lang reinzusehen. Warum nicht in 20 Kurse reinsehen und einen beenden, weil der gerade am besten gepasst hat und man nur die Zeit für den hatte? Es wäre immer noch ein sehr günstiger Preis, wenn man für diesen absolvierten Kurs 50 Dollar oder Euro bezahlen müßte. Nur wird man das nicht unbedingt wegen einem Verified Certificate bezahlen wollen, wenn man das Verified Certificate überhaupt nicht braucht.

Vielleicht wäre es besser die Kosten für die Teilnahme und das verifizierte Zertifikat auseinanderzuhalten? Vielleicht eine Flatrate-Lösung für alle, um den Kurs zu finanzieren, und eine möglichst mogelsichere kostenpflichtige Präsenzprüfung für diejenigen, die ein verifiziertes Zertifikat wollen? OpenHPI bietet für den ab Montag stattfindenden kostenlosen openHPI-MOOC „Sicherheit im Internet“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Informatik Akademie eine Präsenzprüfung in Potsdam an. Vielleicht ist das ein Versuchsballon und wenn der gut angenommen wird, können vielleicht auch Präsenzprüfungen an näheren Orten angeboten werden? Zu den ab den 1990ern von der Firma Sun in Kalifornien erstellten Java-Prüfungsaufgaben gab es schon damals über einen Dienstleister weltweit angebotene computerbasierte Präsenzprüfungen (siehe dazu „SCJP“ im Wikipedia-Artikel zu den Oracle Java Zertifikaten). Diese Java-Prüfungen galten als anspruchsvoll und waren entsprechend anerkannt. Das war wegen den zeitlich asynchronen Prüfungen vermutlich nur mit einem entsprechend umfangreich und teuer entwickelten Aufgabenkatalog zu machen. Aber gehen täte das Anbieten weltweiter Präsenzprüfungen schon, also lassen wir uns auch da überraschen was in Zukunft noch alles auf uns zukommen wird!

Donnerstag, 11. September 2014

The Eagle of the Ninth

Im folgenden soll es um den 1954 erschienenen Jugendroman „The Eagle of the Ninth“ von Rosemary Sutcliff gehen. Rosemary Sutcliff verarbeitet darin zwei historische Fakten, nämlich das Verschwinden der zeitweise in Britannien stationierten Legio VIIII Hispana (Neunte Legion) aus den römischen Aufzeichnungen und das Auffinden eines römischen Bronzeadlers bei der Ausgrabung der ehemaligen römischen Stadt Calleva Atrebatum bei Silchester. Rosemary Sutcliff macht aus dem Adler den „Eagle of the Ninth“, der im Verlauf des Buchs vom Sohn eines der vermissten Legionäre der Neunten Legion wiederbeschafft wird und so nach Calleva Atrebatum gerät. Die Neunte Legion ist im Buch schon einige Jahre verschollen. Sie war von ihrem Standort in Eboracum (dem heutigen York) in Richtung Caledonia (Schottland) marschiert und nicht mehr zurückgekehrt.

Mittlerweile gelten beide historischen Hintergründe als überholt. Beim Adler ist man sich sicher, daß er kein Legionsadler gewesen sein kann. Zur Neunten Legion gibt es Hinweise auf spätere Aktivitäten auf dem Festland, so daß laut Wikipedia die Untergangsthese in Britanien kaum mehr vertreten wird.

Generell würde ich bei Rosemary Sutcliff kein so großes Bemühen um tiefgehende historische Korrektheit vermuten wie etwa bei Frank Stefan Becker. Die damalige Welt wird bei ihr zwar oft plastischer als in vielen schlechten Geschichtsdokus. Wo in denen nur von römischen Soldaten gesprochen wird, kommandiert der Held des Buches als römischer Offizier eine Auxilliareinheit Gallier. Anderseits hat diese Plastizität bei Sutcliff aber frühe Grenzen. Seien es absichtliche, um für das Jugendbuch (bei amazon.com sehe ich ein „Age Range: 12 - 17 years“) Komplexität, Fremdartigkeit oder Brutalität rauszunehmen. Oder weil Rosemary Sutcliff die Kenntnisse nicht gehabt hat, sie 1954 nicht haben konnte oder die Kenntnisse nicht so leicht verfügbar waren.

An der Stelle ein Hinweis auf den am 22. September bei FutureLearn beginnenden sechswöchigen kostenlosen Online-Kurs „Hadrian's Wall: Life on the Roman Frontier“ von der Newcastle University. Die Themenstellung verspricht umfassende geschichtliche Hintergrundinformationen zum Wall und mithin auch zum Buch. Ergänzend dazu sollte man sich natürlich noch informieren, wie es heutzutage in der Gegend aussieht. Hier die 1. Etappe Hadrianswall von Rolf Bierwirth, der den Hadrianswall 2011 im Anschluss an den Limes erwandert hat.

Zurück zum Buch, in dem Rosemary Sutcliff gegenüber der vermutlich viel härteren Wirklichkeit den Ball eher flach hält. Wenn zu Kämpfen kommt, dann sind sie nicht blutig ausformuliert. Entsprechend gedämpft sind auch die Schilderungen zum Besuch eines Amphitheaters. Und später bei den nördlichen Stämmen gibt es bei deren Festivitäten keine wüsten Praktiken. Man bewegt sich sogar in einem weitgehend friedlichen Umfeld, die nördlichen Stämme befinden sich nicht einmal im Kriegszustand mit den Römern. Aber die Lage scheint recht leicht kippen zu können. Den Horror für die Legionäre bzw. die nach ihnen Suchenden, den man mehr oder weniger versucht hat in jüngere Filme wie den „Centurion“ oder den „Der Adler der neunten Legion“ hineinzubringen, den gibt es aber so im Buch nicht.

Vielleicht weil den Jugendlichen das Sich-Beweisen beim Aufklären des Familienschicksals reicht? Für den Held des Buches, Marcus Flavius Aquila, Sohn eines Offiziers der Neunten Legion, ist eine häufig wiederkehrende Frage im Buch: wer war mein Vater, wie hat er sich verhalten? So sehr ausdifferenziert wird der Vater auch am Ende des Buches nicht sein. Er war wohl ok und bei den letzten Legionären, die beim Legionsadler gefallen sind. Uns sagt das heute nicht so viel. Aber das Buch ist 9 Jahre nach Kriegsende erschienen und vielleicht war so ein Gedanke für manche Jugendlichen bei der Kriegsverarbeitung wichtig.

Obwohl der Held sich demnach schon zu Romanbeginn stärker um die Klärung des Schicksals seines Vaters und der Neunten Legion bemühen könnte, muß er erst an seine Aufgabe herangeführt werden. Er wollte wie sein Vater ebenfalls Soldat werden und träumt noch von einer Legionskarriere. Das ist auch der Grund, weshalb er nun ebenfalls in Britannien gelandet ist. Zu Beginn des Buches marschiert er mit der erwähnten Auxilliareinheit zu einer Befestigung und löst dort eine andere Einheit ab. Nur in diesen ersten Kapiteln wird das Buch kriegerisch. Es gibt einen lokalen Aufstand, bei dem sich Marcus sowohl als Kommandant wie auch bei einer entscheidenden Einzelaktion bewährt.

Er überlebt schwer verletzt, muß aber wegen einer bleibenden Gehbehinderung seine Legionskarriere aufgeben und verbringt die nächste Zeit bei seinem Onkel im oben erwähnten Calleva. Der Onkel ist ein Legionsoffizier im Ruhestand. Beim einzigen Amphitheaterbesuch im Buch rettet Marcus einem unterliegenden Gladiator das Leben und es fällt ihm ein 13jähriges Mädchen aus der Nachbarschaft auf. Den Gladiator - der Einheimische Esca - erwirbt Marcus als Sklaven, zu dem sich in der Folge ein Vertrauensverhältnis ergibt. Marcus erlaubt Esca bei einer Wolfsplage mit auf die Jagd zu gehen und Esca bringt ein Wolfsjunges mit. Das Nachbarsmädchen findet sich nun aus Anlass des Wolfsjungen regelmäßig zum Besuch ein. Die Zeit geht dahin, währenddessen wird Marcus von einem alten Legionsarzt seines Onkels einigermaßen erfolgreich behandelt und kann das erwachsen gewordene Wolfsjunge selbst mit Esca in den Wald bringen und ihm die Freiheit geben.

Der Wolf kehrt natürlich freiwillig wieder zu Marcus zurück. Der Wolf wird im weiteren Verlauf keine Rolle bei der Rückgewinnung des Adlers spielen, ebensowenig das Nachbarsmädchen. Und als es später bei der Flucht um's eigene Leben von Marcus und Esca geht, können sich die beiden immer noch versichern, daß es ihre ausgetauschten Pferde beim neuen Besitzer gut haben werden. Da wird man sich wieder an das Jugendbuch erinnern. Die andere Frage ist die nach dem generellen Umgang mit den aufgebauten Charakteren. Wolf und Mädchen mußten aus Sicht Sutcliffs vielleicht einfach rein in ein Jugendbuch. Beschreiben aber auch die Hauptakteure und machen Szenen stimmiger und dichter. Tatsächlich kommen mir generell die einzelnen Szenen sehr dicht geschrieben vor. Manchmal hatte ich den Gedanken, daß Rosemary Sutcliff sich stärker als andere Autoren in die Situation hineinversetzt und dann wie aus dem eigenen Erleben berichtet hat.

Die aufgebauten Charaktere sind dem sicher zuträglich. Eine zu Anfang des Romans mehrfach auftauchende sehr verschlossen wirkende junge Frau mit Baby illustriert die bedrohliche Situation, in der sich Marcus schon befindet. Anderseits ist das weitere Schicksal der Charaktere offen. Mal hat Sutcliff eine Verwendung für sie, mal nicht. Das starke Bild der Frau mit Baby verschwindet mit dem Aufstand. Ich hatte in den späteren Kapiteln erwartet, daß sie unvermittelt im Norden auftaucht und für Dramatik sorgt.

Der Besuch eines mittlerweile zum Legaten aufgestiegenen Freundes des Onkels bringt endlich den Anstoß für den Aufbruch in den Norden. Er berichtet von Gerüchten, nach denen der Adler sich in einem Heiligtum im Norden befindet. Der Adler hat eine ungeheure Bedeutung. Möglicherweise gäbe seine Wiedergewinnung den Ausschlag, die Neunte Legion wiederaufzustellen. Seine Symbolkraft in der Hand der Gegner stellt dagegen ein große Gefahr dar, wenn es wieder zum Krieg kommt. Marcus will den Adler suchen und das Schicksal der Neunten aufklären. Eine Bemerkung des alten Legionsarztes hat ihn auf die Idee gebracht, den Norden als wandernder Augenheiler zu durchstreifen. Mit Escas Kenntnis der Einheimischen glaubt er erfolgreich sein zu können. Esca wird nun wie der Wolf ebenfalls freigelassen und entscheidet sich freiwillig mit Marcus in den Norden zu gehen. Die Augenheilkräfte erwirbt Marcus durch Salben, mit denen er vom alten Legionsarzt ausgerüstet wird.

Das Schicksal der Legion finden beide durch einen unter den Einheimischen lebenden ehemaligen Legionär schnell heraus. Später bekommen sie durch einen Veteranen der Gegenseite sogar noch einen ergänzenden Bericht zum Ende des Vaters. Aus Sicht des Legionärs war die Legion schon vor dem Marsch in einem schlechten Zustand. Auf dem Marsch sei sie durch Angriffe und Desertionen geschwächt und der Kommandeur zur Umkehr gedrängt worden, bis es zu einer Meuterei kam. Der Kommandeur sei nun bereit gewesen umzukehren, aber die Meuterer fürchteten nun eine zwangsläufige Bestrafung nach ihrer Rückkehr. Der Kommandeur wurde bei diesem Disput getötet. Auf dem Rückweg wurden die verbliebenen Legionäre nach und nach aufgerieben, der erzählende Legionär blieb wegen einer Verwundung liegen und überlebte. Alle Überlebenden des Desasters hatten aus Angst davor als Deserteure bestraft zu werden wenig Interesse, sich auf römischem Gebiet zu erkennen zu geben und das Schicksal der Neunten Legion aufzuklären.

Via dem Legaten werden die Ergebnisse von Marcus und Esca nach Rom übermittelt. Der Senat entscheidet wegen der Meuterei die Geschichte nicht publik zu machen und die Neunte Legion nicht wieder aufzustellen. Marcus bekommt Geld und Land wie ein altgedienter Offizier und Esca bekommt das römische Bürgerrecht. Die Belohnungen durch den Senat klingen wieder nach Jugendbuch, stehen aber auch in einem größerem Zusammenhang. Denn alle römischen Offiziere kommen im Buch irgendwie gut weg. Der Kommandeur der Neunten führt zwar seine Legion gegen den Rat seiner erfahrenen Untergeben in den Untergang. Er ist aber nicht unrettbar verstockt dämlich, sondern läßt sich schließlich sogar vom Besseren überzeugen und will seine Legion zurückführen. Ein als Unsymphat geschildeter hoher Offizier - für ihn ist Esca nur ein Sklave - überrascht Marcus mit der ehrlich klingenden Aussage, daß er gern Marcus und Esca bei der Suche nach dem Adler begleiten würde. Er wird als gewandter Jäger geschildert, der selbst Esca als guten Jäger anerkennt. Die Jagd wird im übrigen mehrfach zu einer Plattform, auf der man sich auf gleicher Ebene trifft und die Fähigkeiten des anderen uneingeschränkt respektiert.

Die positiven Wendungen bei den Offiziersdarstellungen wirken bisweilen aufgesetzt. Die überraschende Aussage des Unsymphaten oder der überzeugte Legionskommandant entwickeln sich nicht, sondern sind kurze Textsequenzen, die man auch bei einer letzten Durchsicht in den Roman hätte einfügen können. Kein römischer Offizier durfte wohl übrig bleiben, der grundsätzlich unfähig oder ungerecht wirkt. Es drängt sich auf, das Britische Empire als Hintergrund für dieses Vorgehen zu sehen. Auf was Sutcliff aber damit hinaus wollte blieb mir unklar. Die Konstellation hochgeborener Vorgesetzter mit erfahrenerem Untergebenen gibt es etwa häufiger. Marcus hat ebenfalls wie der Kommandant der untergegangenen Legion erfahrenere untergebene Offiziere. Kann selbst aber laut Buch nur in wenigen Ausnahmelegionen mit traditionell offenen Regelungen zum Legionskommandant aufsteigen. Das wird nicht kritisch betrachtet. Sondern es wird eher als Notwendigkeit für Marcus gesehen, sich beim Kommando gegenüber den erfahreneren und älteren Untergebenen durchzusetzen. Anderseits vermittelt der Aufstand, daß er so mit seiner Befehlsgewalt umgehen muß, daß er zum richtigen Zeitpunkt auf seine erfahrenen Untergebenen vertraut und dann die richtigen Entscheidungen trifft.

Das System steht vielleicht dann wohl mit der Fähigkeit diese Entscheidungen zu treffen und gerecht zu entlohnen. Dafür wird im Buch durch den Legaten gesorgt, der richtigen Aufgaben verteilt, und dann die Belohnung vermittelt. Und der Senat ist hart aber fair. Das verdreht natürlich die Tatsachen, wenn man an die Ausbeutungs- und Machterhaltungsmechanismen der Kolonialsysteme denkt. Aber wie gesagt, mir ist unklar auf was Sutcliff damit hinaus wollte. Immerhin lässt sie zumindest die Deserteure der Neunten ungeschoren davonkommen. Im Grunde genommen ist aber im Buch das Römische Imperium in der beschriebenen Form alternativlos, und damit verstellt sich Sutcliff manches, was man in einem historischen Roman beleuchten könnte. Ich würde da auch die Aufstandsgründe zu Romanbeginn miteinbeziehen. Marcus wird von umherwandernden „heiligen Männern“ gewarnt, tatsächlich entzündet die Kombination mehrere Missernten und „heiliger Mann“ den Aufstand. Den nimmt er dann auf der Gegenseite als dämonische Gestalt wahr. Näher wird Marcus den „heiligen Männern“, Druiden, Geistlichen der Einheimischen nie kommen.

Beim Buch sehe ich zwar die erwähnten Schwächen. Ich fand das Buch aber selbst als Erwachsener ganz spannend. Und die Art, bei der Wiedergewinnung des Adlers respektvoll miteinander umzugehen, gegenüber den Filmen erfrischend nett. Sutcliffs Marsch der Neunten Legion wird uns vermutlich als Filmthema erhalten bleiben. So eine in das Unbekannte marschierende Legion ist einfach ein zu guter Stoff, mit dem man vieles machen kann. Ob die reale Legio VIIII Hispana nicht doch in Britannien vernichtet wurde, wird sicher ebenfalls weiter diskutiert werden. Die Briten sind stolz darauf, daß zur Aufsicht der alten Britannier überproportional viele Legionen dort stationiert waren. Da wäre es doch schön wenn sie wenigstens eine davon mal vernichtet hätten.

Freitag, 20. Juni 2014

Besuch bei Klenze & Co.

Wer die Möglichkeit hat, sollte einmal den Alten Südfriedhof in München besuchen. Die Grabsteine erlauben einen Blick weit zurück in das 19. Jahrhundert. Ein Schnappschuss der Geschichte. Nach dieser Zeit wären sicher viele der Grabsteine durch die Friedhofsordnungen verboten gewesen. Und zuvor soll es nach dem oben unterlegten Wikipedia-Artikel auf den Friedhöfen wesentlich spartanischer zugegangen sein. Die Wikipedia zitiert in dem Zusammenhang Carl A. Regnet: „Und als Franz Schwanthaler, der Vater des berühmten Ludwig Schwanthaler, es wagte, eine marmorne Frauengestalt auf einem Grabe aufzustellen, schlugen fromme Eiferer, darin eine Entweihung des geweihten Ortes erblickend, sein Werk in Trümmer! Aber die Bahn war gleichwohl glücklich gebrochen.“

Alter Münchner Südfriedhof

Im Wikipedia-Artikel gibt es eine Liste mit „Gräbern bekannter Persönlichkeiten“ auf dem Alten Südfriedhof. Einige der Persönlichkeiten wurden im Blog schon genannt oder sind über ihre Bauwerke vertreten. Ludwig von Schwanthaler mit der Bavaria und dem Holzbildhauer im Giebelfeld der Münchner Glyptothek. Die zum Giebelfeld ebenfalls erwähnten Ernst Mayer und Johannes Leeb sind auch auf der Wikipedia-Liste enthalten, aber ohne Ortsangabe. Leo von Klenze ist wieder leicht zu finden, der liegt in einer Reihe mit Friedrich von Gärtner und Schwanthaler. Im Blog ist Friedrich von Gärtner durch die Bayerische Staatsbibliothek mit den vier Heiligen Drei Königen sowie mit der von ihm begonnenen Kelheimer Berfreiungshalle vertreten.

Grab von Friedrich von Gärtner auf dem Alten Münchner Südfriedhof

Carl Spitzweg (Grabstein auf Bild 9) hatte ich glaube ich nie im Blog erwähnt. Wir haben mal an einer Volkshochschul-Führung durch Spitzwegs München teilenommen und sind dabei auf große ehemals durch Klöster belegte Flächen hingewiesen worden. Nach der Wikipedia galt die Stadt München „auf Grund ihrer vielen Sakralbauten sowie der hohen Zahl an Geistlichen und Ordensleuten im 16. und 17. Jahrhundert als 'deutsches Rom'. Mit der durch Graf von Montgelas ab 1803 durchgeführten Säkularisation fand das reiche Ordensleben in München sein vorläufiges Ende.“ Diese prominente Rolle der Klöster hat mich das Palermo im „Leopard“ bzw. „Gattopardo“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa erinnert. In dem Buch standen Adel und Klerus noch 1860 eng zusammen.

Alter Münchner Südfriedhof

Mit Veränderungen im 17. Jahrhundert beschäftigt sich bis zum 13. Juli 2014 in Karlsruhe die Ausstellung „Mapping Spaces. Netzwerke des Wissens in der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts“. Es geht um „den Einfluss frühneuzeitlicher Handbücher zur Geographie, der Vermessungskunde und dem Festungsbau auf die niederländische Malerei um 1650. Den Auftakt des an der Universität Trier entwickelten Projektes bilden die großformatigen Kriegspanoramen Pieter Snayers, in denen Karten und Landschaftsbilder übereinander projiziert werden, um die neuesten Errungenschaften des modernen Ingenieurwesens, der Ballistik und des Festungsbaus zu dokumentieren.“

Grab von Leo von Klenze auf dem Alten Münchner Südfriedhof

In der Ausstellung ist es beeindruckend zu sehen, was man an Geräten und „frühneuzeitlichen Handbüchern“ in sehr hoher Qualität schon zur Verfügung hatte. Der Zweck Ballistik und Festungsbau wird für beste finanzielle Voraussetzungen gesorgt haben. Interessant ist der oben postulierte Einfluss auf die Malerei. Irgendwie müssen die Maler ihren Aufwand für die neuen Landschaftsbilder refinanzieren gekonnt haben. Das ist nicht zwangsläufig so. Speziell mit dem Geld von anderen könnte ich mir locker vorstellen, daß man erst einmal in den sicheren Bahnen bleibt und die neuen Landschaftsbilder übel findet.

Wie kam es hier dazu, daß sich so ein gebietsübergreifendes Netzwerk etablieren konnte? Vielleicht weil die Herrscher direkt betroffen waren und ihre neuen Bauwerke adäquat repräsentiert haben wollten? Ich habe in der Ausstellung nicht aufgepasst. Ich habe mich wieder mit Freund Wintersonne getroffen und irgendwie sind wir zusehr ins Quatschen gekommen. Natürlich ohne zu stören am Rande der Ausstellung mit Blick in den Lichthof. Später haben wir dann das Doppelte des gesparten Eintritts für Bier und belegte Brötchen an der ZetKaeM-Bar ausgegeben. Wir waren Freitagsnachmittags im ZKM, ab 14 Uhr ist da der Eintritt frei.

Grab von Ludwig von Schwanthaler auf dem Alten Münchner Südfriedhof

Daß je nach Museum Leute mit Presseausweis kostenlos in das Museum dürfen, ohne dann einen Bericht darüber schreiben zu müssen, während Blogger nicht kostenlos hinein dürfen, darüber habe ich ja schon gemeckert. Siehe auch den Kommentar von Stephan zu meinem Open Access-Eintrag. Wobei die Stuttgarter vielleicht sogar sparsam waren, ich hatte auch schon von freiem Eintritt für zwei Personen gehört. Auf der anderen Seite scheinen viele Museumspresseleute auch unverdrossen auf ihre Presseverteiler zu bauen, auch wenn sie für klassische Medien eher ungeeignete Produkte wie Museums-Apps oder Videos promoten sollen. Das trotz der kurzen Halbwertszeit dieser Produkte, da kann man fast schon das Geld davonrieseln hören. Ich habe mich daran gewöhnt, daß mir da niemand ne Mail schickt. Daß es ausgewiesene Museumsleute genauso trifft, siehe „Apps im Museum: Staatliche Antikensammlungen München“, hat mich dann doch überrascht.

Alter Münchner Südfriedhof

Mir scheint, da gibt es einen ganz guten Satz von Jeff Jarvis von 2009: „Owning pipelines, people, products, or even intellectual property is no longer the key to success. Openness is.“. Der Satz wurde in einem aktuell noch laufenden Online-Kurs mit dem Titel „Understanding Media by Understanding Google“ zitiert. Die Openness ist klar. Früher verborgen gehaltene Ungleichgewichte können nicht mehr verborgen gehalten werden. Alle, die das mitbekommen, fragen sich dann, was diese kostenlosen Eintritte für bestimmte Gruppen eigentlich bezwecken. Wenn schon bestimmte Gruppen umsonst reindürfen, warum gerade Presseausweisinhaber und nicht stattdessen Pflegekräfte? Für die Pflegekräfte wäre vermutlich wesentlich mehr öffentliche Akzeptanz da. Also es müßte eigentlich die Tendenz dahin gehen, daß man entweder solche Ungleichgewichte öffentlich begründen kann oder sie bleiben lässt.

Grab von Carl Spitzweg auf dem Alten Münchner Südfriedhof

„Owning pipelines, people“ - wieviel Aufwand ist dafür rechtfertigbar, wenn man über die Pipelines, People wichtige Inhalte nicht mehr vermitteln kann oder über diesen Weg wesentliche Zielgruppen nicht mehr erreicht? „Owning intellectual property“ - man könnte jetzt mal eine Liste von Videos machen, die nur vor Ort als Museumsattraktion zu sehen sind. Es gibt Fotobestände und 3D-Scans, die wahrscheinlich schon irgendwann freigegeben werden, aber erst wenn sich niemand mehr dafür interessiert. Oder es gibt Verbote zu fotografieren oder im Museum gemachte Fotos zu veröffentlichen. Das alles könnte man stattdessen auch andersherum sehen und sich überlegen, auf welche Rechte man verzichten kann, um möglichst viel Unterstützung für eine große Verbreitung von Videos, Fotos und Scans zu bekommen, damit die Leute dadurch für einen Besuch der Orginale interessiert werden.

Alter Münchner Südfriedhof

Ich habe nur die Videos der ersten Kurswochen von „Understanding Media by Understanding Google“ angesehen. Es gibt zu viele Leseempfehlungen und einige Schreibaufgaben und das will ich lieber den Profis überlassen. Für professionelle Öffentlichkeitsarbeiter halte ich den Kurs schon für sehr sinnvoll, obwohl kaum zu erwarten ist, daß das „Understanding Media“-Versprechen so umfassend erfüllt werden kann - Google deckt ja auch nicht alles ab.

Freitag, 23. Mai 2014

Der Mahlberg

Über den bei Freiolsheim und Moosbronn gelegenen Mahlberg (Wikipedia-Koordinaten: 48° 50' 10″ N, 8° 22' 37″ O) hatte ich schon in den „Gemischten Links mit Mahlberg“ geschrieben. Den Mahlberg in den „gemischten Links“ zu anderen Themen untergehen zu lassen, war nicht so begnadet. Aber ich fand damals ein paar Aspekte interessant, zu denen ich noch keine passenden Fotos hatte. Und daß ich nun noch einmal nachgesucht und nachgefragt habe, hat sicher nicht geschadet.

Blick vom Rimmelsbacher Hof Richtung Mahlberg

Wie ich seinerzeit geschrieben habe, hatte ich zum Namen „Mahlberg“ im Internet die Verbindung zum germanischen „Mahal“ für Gericht, Gerichtsstätte, Gerichtsversammlung gefunden. Es gibt zu dieser Verbindung mehrere Stellen im Internet - vielleicht mit einer Quelle? - und es einige Orte und Berge mit der Vorsilbe „Mal“ oder „Mahl“. Jochen Hoog hat so eine Mahlberg-Gerichtsstätten-Verbindung für den Michaelsberg südöstlich von Münstereifel wie folgt beschrieben: „Vorher hieß er, wie heute noch das benachbarte Dorf 'Mahal' oder 'Mahlberg', d. h. aus dem Altdeutschen übertragen: 'Berg des Gerichtes' (oder der Opferstätte)“.

Parkplatz beim Moosbronner Friedhof und Bushaltestelle 'Waldparkplatz'

Nach dem Experten Dr. Peter Löffelad müssen neben der realen Situation auch die historischen Belege und die mundartliche Überlieferung passen. Historische Belege kenne ich nicht, mundartliche Überlieferung wüßte ich auch nichts, was so weit zurückreicht. Die auf der Website des Heimatvereins Völkersbach wiedergegebene Rede ihres Vorsitzenden Günter Daum gibt zu weiteren Rätseln Anlass: nach Günter Daum wurde der Mahlberg in einer Grenzbeschreibung aus dem Jahre 1425 noch als „Ahlberg“ bezeichnet. Das könnte nach Peter Löffelad auf ein häufiges Problem durch falsche Lautabtrennung bei einem anlautendem M zurückzuführen sein: aus „auf'm Ahlberg“ wird „Mahlberg“.

Blick von Nordwesten auf Moosbronn

„Ahlberg“ gibt es im Internet als Bergnamen und vor allem als Personennamen wesentlich häufiger als Mahlberg. Unter den so bezeichneten Bergen habe ich jetzt sogar einen mit eisenzeitlichem Ringwall gefunden. Wenn ich nach „Ahl germanisch“ bei Google suche, bekomme ich das Ergebnis: „Ahl“ ist germanisch und bedeutet so viel wie „Schutz, Bau oder Haus“. Peter Löffelad bringt „das Al = heilige Stätte!“ ins Spiel, twittert aber schon wieder das Wort „Vorsicht“: „Aber wie gesagt: Vorsicht vor vorschnellen Deutungen!!!“. Ich finde noch etwas über die vielen Ahlbergs: „From Swedish al "alder" and berg "mountain".“ und vermute die Erlen eher im Moosalbtal als auf dem Mahlberg.

Blick von der Mahlberg-Flanke Richtung Rheintal

Nach soviel Germanisch aus verschiedensten Ecken der Hinweis, daß nach der Wikipedia in Mahlberg-Nähe die Sprachgrenze zwischen Südfränkischen und Oberrheinalemannischen Dialekten verläuft. Vielleicht macht das alles noch etwas komplizierter. Ich will nun das Stochern im Nebel auf dünnem Eis sein lassen und mich den Fotos zuwenden.

Hildebrand-Brunnen 400m Fußweg unterhalb des Gipfels des Mahlbergs

Der Mahlberg ist zumindest aus dem Norden recht markant und aus der Ferne gut zu erkennen, siehe hier das erste Bild, das oberhalb von Rimmelsbacher Hof in Richtung Mahlberg aufgenommen wurde. Der Mahlberg ist rechts von der Bildmitte zwischen den beiden Bäumen zu sehen. Bild 11 ist eine Fotografie in Gegenrichtung vom Mahlbergturm aus. Zählt man die in Bild 11 sichtbaren Rodungsinseln von vorne nach hinten durch, dann sieht man Freiolsheim in der ersten und Völkersbach in der zweiten Rodungsinsel. Der Aufnahmepunkt von Bild 1 befand sich in der hintersten Ecke der zweiten Rodungsinsel. Die ersten beiden Bilder in den „Gemischten Links mit Mahlberg“ sind von der auf Bild 11 nur schwach sichtbaren dritten Rodungsinsel aus fotografiert. Die Rodungsinseln gehören noch zum Nordschwarzwald, im Hintergrund ist das Rheintal mit Karlsruhe zu erkennen. Rechts geht es auf dem Bild 11 hinunter in das Moosalbtal.

Fläche auf dem Gipfel des Mahlbergs

Bild 1 zeigt, daß man bei guter Sicht aus der Ferne sogar größere Einzelheiten auf dem Gipfel unterscheiden kann. Im Falle eines gerodeten Gipfels hätte man vielleicht Bewegungen großer Menschengruppen, Feuerzeichen oder ähnliches aus der Ferne verfolgen können. Bild 4 ist von der Bergflanke in der Nähe des 400 Wandermeter vom Gipfel entfernten Hildebrand-Brunnens (Bild 5) in Richtung auf die Mündung des Murgtals in das Rheintal aufgenommen. Also der Berg ist auch von da zu sehen, allerdings ist der Berg vom Geschehen im Tal weit entfernt. Das wird durch die Bilder 9 und 10 vom Mahlbergturm deutlicher. Die Murg und die Verbindung durch das Murgtal verläuft da, wo die Häuserlinie ist.

Soldatengräber auf dem Mahlberg

Der Mahlberg ist verglichen mit den unmittelbar folgenden Höhen entlang der nördlichen Seite des Murgtals nicht hoch. Schon zum nebenan liegenden Mauzenberg mit dem Mauzenstein steigt das Gelände an. Und bis zur Hochfläche mit dem Hohlohsee geht es noch ein Stockwerk hinauf. Ich habe jetzt im Stadtwiki Karlsruhe gesehen, daß der Mahlberg trotzdem sogar die höchste Erhebung im Landkreis Karlsruhe ist. Aber die meisten Einwohner des Landkreises dürften das nicht wissen.

Turm, Markgrafenhütte und Grillplatz auf dem Mahlberg

Das Gebiet ist zum Wandern bestens erschlossen. Bild 2 zeigt den Parkplatz beim links vom Parkplatz liegenden Moosbronner Friedhof. Von dem Parkplatz aus ist man schnell oben auf dem Gipfel. Ich hatte bei der Aufnahme den Ortsausgang von Freiolsheim im Rücken, links kommt die Straße von Moosbronn hoch, rechts vom Aufnahmestandort befindet sich im Wald ein noch größerer Parkplatz, auf den sich die Bushaltestelle „Waldparkplatz“ bezieht. Bild 3 ist beim Moosbronner Friedhof aufgenommen, also vorne links in Bild 2, und zeigt ein Blick hinunter nach Moosbronn.

Blick vom Mahlbergturm Richtung Murgtal

Ich habe im damaligen Blog-Eintrag zu Moosbronn erwähnt, daß Moosbronn ein Marien-Wallfahrtsort ist und das Wasser der dortigen Quelle - der Lindenbrunnen - als heilkräftig galt. Die Aufnahme vom Hildebrand-Brunnen nahe des Gipfels an der südwestlichen Flanke des Mahlbergs soll zeigen, daß es hier mehrere Quellen gibt. Und die von Moosbronn vielleicht nur durch ihre Muldenlage und vielleicht noch durch eine hohe Schüttung für besonders gehalten wurde?

Blick vom Mahlbergturm Richtung Murgtalausgang in das Rheintal

Schlußendlich wollte ich bei dieser Mulden-Abschweifung vom Mahlberg auf die Frage raus, ob es Datensammlungen zu heilkräftigen Quellen und deren Besonderheiten gibt, aus denen sich dann häufige Zusammenhänge ableiten lassen? So in der Art der Warenkorbanalyse - „wenn heilige Quelle, dann oft im Zusammenhang mit Muldenlage“ oder so ähnlich. Aber wenn jetzt der Mahlberg sogar Kultort gewesen sein kann, dann ist der Verweis auf Moosbronn vielleicht sogar hinsichtlich des Mahlbergs und einer möglicher Kultort-Verschiebungen interessant?! Den sehr nahen Mauzenstein als möglichen Kultort gibt's hier übrigens auch noch, während mir von dem ganzen Gebiet der ehemaligen Dörfer nördlich davon nichts dergleichen bekannt ist.

Blick vom Mahlbergturm Richtung Rodungsinseln im Nordosten

Nach diesem sicher viel zu wagemutigen Schlenker zurück auf den Mahlberg. Der ist oben ziemlich flächig, wie in Bild 6 und 8 zu sehen ist. Also eine große Menschenmenge hätte da gut irgendwelchen Verhandlungen oder Zeremonien beiwohnen können. In Bild 7 sind die Gräber zweier Soldaten auf dem Mahlberggipfel zu sehen, die beim Beschuss des Mahlbergturms gefallen sind. In dem Gebiet wurde bei Kriegsende umfangreicher gekämpft. Im Gebiet von Freiolsheim sollen nach dem Krieg noch ausgebrannte Panzerfahrzeuge gestanden sein. Sondengänger finden in diesem Gebiet nördlich des Mahlbergs demnach vielleicht eher irgendwelche Weltkrieg-II-Splitter als germanisches oder keltisches Eisen.

Blick vom Mahlbergturm Richtung Südosten

Sonntag, 20. April 2014

„Der Trojanische Krieg“ von Barry Strauss

Im folgenden soll es um das 2008 im Theiss-Verlag erschienene Buch „Der Trojanische Krieg. Mythos und Wahrheit“ von Barry Strauss gehen. Übersetzerin des Buches ist Karin Schuler. Die Orginalausgabe ist 2006 unter dem Titel „The Trojan War. A New History“ erschienen.

Zum Stichwort Troja werden einem vielleicht am ehesten die Werke Homers und die Ausgrabungen von Heinrich Schliemann einfallen. Obwohl Schliemann seine Ausgrabungen schon vor über 140 Jahren begonnen hatte und er seinerzeit seinen Ausgrabungsort weltweit bekannt machen konnte, ist die Verknüpfung von Ort und Mythos immer noch umstritten. Und selbst wenn das zum Mythos passende bronzezeitliche Troja gefunden wurde, dann bleibt immer noch die Frage, ob reale Geschehnisse die Vorlage für den Mythos bildeten.

Barry Strauss glaubt an Schliemanns Troja und die Verbindung von Mythos und historischen Ereignissen und und beruft sich dabei auf Manfred Korfmanns „Die Arbeiten in Troia/Wilusa 2003“ und auf die Argumente von Joachim Latacz in „Troia und Homer“. Die Ausgrabungen seit 1988 hätten ergeben, daß sich hier in der Bronzezeit eine reiche und 27 Hektar große Stadt befand. Barry Strauss vermutet, daß eine Zerstörung Trojas in der Zeit zwischen 1210 und 1180 v.Chr. Homer als Vorlage gedient haben könnte. Er führt die Zweifel der Skeptiker an, nach denen verglichen mit anderen geplünderten antiken Städten nur wenige Waffen gefunden wurden. Stellt dem aber gegenüber, daß dieses Troja keine ungestörte archäologische Stätte ist. Es sei schon in der Antike eine Touristenattraktion erster Güte gewesen, in der für VIP-Touristen wie Alexander der Große und Kaiser Augustus der Boden nach Souvenirs durchwühlt wurde.

Bei der „Wahrheit“, die uns Barry Strauss über den Trojanischen Krieg vermitteln will, geht es aber nicht so sehr darum, ob hier der Krieg wirklich in der beschriebenen Form stattgefunden hat. Es könnte so gewesen sein, und Barry Strauss wird auch im weiteren Verlauf seines Buches von dieser Örtlichkeit ausgehen. Aber bei der „Wahrheit“ handelt es sich mehr darum, den Erzählungen über den Trojanischen Krieg die bronzezeitlichen Verhältnisse gegenüberzustellen. Anders gesagt, man könnte das Buch auch als ein Buch über die Bronzezeit lesen, in dem die einzelnen Etappen des Trojanischen Kriegs den roten Faden bilden.

Hilfreich für dieses Vorgehen ist, daß laut Barry Strauss Homer offenbar mehr über die Bronzezeit wußte, als man je angenommen habe. Homer habe in vielfältiger Weise Bronzezeitliches in seinem Werk widergespiegelt - sei es die beschriebene Bewaffnung, die Art der Kriegsführung, die Organisation der Armeen, der Einbezug der Götter, sogar die Erzählweise. Barry nennt als Beispiel, wie Homer seine Helden wie eine Art Superman Schneisen in die Reihen der Gegner schlagen lässt. Wie Pharaonen, die in ägyptischen Texten ebenfalls auf diese Weise als Superhelden dargestellt wurden. Barry meint, je stärker Homer übertreibt, desto mehr wäre er als Repräsentant der Bronzezeit authentisch. Selbst der bronzezeitliche Glaube an göttliche Erscheinungen auf dem Schlachtfeld oder die Überzeugung, daß Seuchen von verletzten Gottheiten entfesselt werden, sei durch Quellen belegt.

Manchmal wirkt die Suche von Barry Strauss nach bronzezeitlichen Plausibilitäten überzogen. Etwa wenn er über die Motivation Helenas spekuliert, sich zusammen mit dem Staatsschatz von Paris nach Troja entführen zu lassen. Anderseits kann Barry Strauss so sein Wissen über die Stellung der Frau im bronzezeitlichen Griechenland und in Anatolien vermitteln. Und über die Stellung des Ehemannes nach so einem Affront. Was wäre aus dem beschädigten Menelaos geworden, wenn sich die Griechen/Mykener nicht zu einem großen Kriegszug zusammengefunden hätten? Ich glaube nicht daran, daß - in dem Fall von Paris - bei so wichtigen Entscheidungen so riskant über die Bande gespielt wurde. Aber vermutlich gibt es auch hier den größeren Nutzen, daß man den starken Personenbezug und die Rolle von Familienclans nahegebracht bekommt.

Insgesamt stehen die Darstellungen zum Trojanischen Krieg immer unter dem Vorbehalt des „es könnte so gewesen sein“. Das wird noch einmal im Anhang von Strauss deutlich gemacht, in dem er seine geschichtlichen Quellen zur Bronzezeit zusammenfasst. Aber selbst wenn man tatsächlich starke Abstriche machen muß, dürfte das umfangreich zur Verfügung stehende archäologische Hintergrundmaterial das Buch trotzdem tragen. Ich habe mich an Bücher wie „Rom für 5 Denar am Tag. Ein Reiseführer in die Antike“ oder „Legionär in der römischen Armee. Der ultimative Karriereführer“ erinnert gefühlt, in denen versucht wurde über solche Themenstellungen Wissen zusammenhängend weiterzugeben. Und im Falle Bronzezeit, Mykener, westliche Vasallenstaaten der Hethiter hat sich einiges angesammelt, was man auf diese Art und Weise weitergeben kann.

Zum letztgenannten Themenfeld gibt es natürlich auch unabhängig vom Mythos Troja immer neue Beiträge. Ein Beispiel wären die „Überlegungen zum Untergang der mykenischen Palastzivilisation“ von Tassilo Schmitt und die „Bemerkungen zur Identifizierung der Ahhijawa“ von Klaus Tausend in „Von der bronzezeitlichen Geschichte zur modernen Antikenrezeption“ (via dem Link zum Feld „URL“ kommt man an die pdf-Datei). Und zu Troja wird fortlaufend weiter geforscht, siehe das Interview mit Ernst Pernicka bei Bild der Wissenschaft. Ohne groß weiter gesucht zu haben, wird schon manches von Barry Straus durch Tassilo Schmitt und durch im Netz verfügbare Interviews mit Ernst Pernicka relativiert. Ich bedaure trotzdem nicht, das Buch von Barry Strauss gelesen zu haben. Es war recht interessant und kurzweilig. Mir war mit dem Buch sogar einmal egal, daß ich auf einer Bahnfahrt wegen eines Wagenschadens eine Stunde Verspätung hatte.

Manches mag aber grenzwertig sein. Wenn man für das Buch deutlich mehr als die knapp über 200 Seiten aufwenden müßte, dann würde man das starke „könnte sein“ vielleicht nicht mehr in diesem Maße akzeptieren. Bei Barry Strauss wäre es schön, wenn er stärker an dem Gebiet drangeblieben wäre - auf seiner Website ist der letzte Eintrag zur „Category Troy“ vom Oktober 2009. Er hätte auf aktuelle Erkenntnisse eingehen und damit zu einem Anlaufpunkt für das Thema werden können.

Manchmal bietet es sich an, sich an Webprojekte anzuhängen, etwa im Fall des oben genannten Rom-Führers wären das vielleicht passende Visiualisierungsprojekte in der Art Rome Reborn. Wenn das Webprojekt fachlich gut gemacht ist und die neuen Erkenntnisse fortlaufend eingepflegt würden, könnte man so manche Aufgaben von der Bereitstellung bis zur Aktualisierung delegieren. Zumindest ein bisschen. Vermutlich werden offline befindliche Buchkäufer immer noch ein paar Skizzen erwarten. Und in der Zukunft könnte man sich statt dem realen Buch erfolgreiche Visualisierungen mit Softwareschnittstelle vorstellen, auf der man einen virtuellen Reiseführer aufsetzen kann, der dann nicht einmal mehr an ein eBook erinnert.

Die fachliche Betreuung so eines fortwährend aktualisierten und bekannten Anlaufpunktes im Internet könnte vielleicht für die Reputation der betreuenden Institutionen und für das Einwerben von Sponsorengeldern gut sein?? Also wenn Hollywood ruft, dann haben die Macher von Rome Reborn das meiste Wissen wie Rom so in etwa ausgesehen hat? Interessanterweise zeigt die Homepage des Tübinger Troia-Projekts für so einen Anlaufpunkt sehr gute Ansätze. Wenn man für ihre Sichtbarkeit sorgen konnte, dann war sie vielleicht vor 10 Jahren zum Thema Troja im Netz wirklich von Bedeutung. Irgendwie muß dann der Schwung verloren gegangen sein.

Freitag, 4. April 2014

Grabhügelsuche in der Allacher Lohe

Vor zwei Wochen war ich in Allach. Allach liegt im Nordwesten von München und ist Teil des Münchner Stadtbezirks Allach-Untermenzing. Nach der Wikipedia wurde Allach „erstmals urkundlich am 30. März 774 als Ahaloh erwähnt. Der Name bedeutet Wald am Wasser, da 'aha' = Wasser und 'loh' = Wald bedeutet. 'Loh' wurde im Laufe der Zeit zu '-lach' abgeschliffen.“

St. Peter und Paul Allach

Mit dem Wasser meinte man wohl damals die durch Allach fließende Würm. Zum übrig gebliebenen Wald wollte ich auf Empfehlung des BayernViewer-denkmal weiter, um nach den Grabhügeln mit der Denkmalnummer D-1-7734-0102 zu sehen.

Aus dem Großraum München ist die kleine Tour in den Grabhügelwald bequem via dem S-Bahnhof Karlsfeld nachvollziehbar. Wenn man die Allacher Kirche St. Peter und Paul und den Blick auf die Würm mitnehmen will, dann geht das gut über den S-Bahnhof Allach. Von da kommt man mit dem Bus bis nahe an die Würm und die Kirche mit Friedhof (Denkmalnummer D-1-7734-0132 und D-1-7734-0132). Bei St. Peter und Paul geht es dann gleich via der Pasteurstraße weiter in Richtung Wald und in Karlsfeld kann man wieder in die S-Bahn einsteigen.

Ich nehme es vorweg: meine Grabhügelergebnisse waren jetzt nicht so der Knaller. Die wesentlich interessanteren Inhalte zu Allach habe ich bei meiner Allacher-Lohe-Bildersuche im Vorfeld gefunden (den Blog „Nerd In Deutschland. Kristen spends a year in Germany“) bzw. sind kurz vor meiner Tour an mir vorbeigetwittert (der Link auf auf den Ende Februar bei Archäologie Online eingestellten Artikel „Die Plejaden in Gold auf einem keltischen Schwert“ von Dr. Dr. Peter Kurzmann).

Den Blog von Kristen empfehle ich ausgiebig zu durchforsten. Die Fotos ihrer Allacher Exkursion finden sich mit anderen Bildern in „I go and find things: grave mounds, Celtic stuff, castle ruins, empty fields“. Im Artikel von Dr. Dr. Peter Kurzmann geht es um ein schon 1891 „in der Nähe des Bahnhofs Allach an der Bahnlinie München-Ingolstadt in einem nach Dannheimer offenbar früh- bis frühmittellatènezeitlichen Grab“ gefundenes Schwert. Mit diesem Grab könnte vielleicht ein „Grabhügel vorgeschichtlicher Zeitstellung, daraus Funde der Bronzezeit, der frühen Latènezeit und der römischen Kaiserzeit.“ Denkmalnummer D-1-7834-0102 direkt beim heutigen S-Bahnhof Allach gemeint sein. Durch dieses Grabhügelfeld fahren heutzutage werktäglich Tausende mit der S-Bahn.

Noch zu meiner Tour: ich habe im Anschluß an einen Termin in Allach meinen Stadtplan für die Grabhügelsuche weiterverwendet. In dem war anstatt der roten Fläche im BayernViewer-denkmal der Text „Grabhügel“ gestanden. Ich tippe jetzt schon auf ein Gräberfeld mit verflachten Gräbern, an denen ich zumindest vorbeigekommen bin. Das konkrete Problem waren die unsicheren Orientierungsmarken. Manchmal gibt es solche Marken und wenig Auswahl bei den Wegen und dann kommt man auch auf so eine sparsame Weise noch ganz gut hin. Aber in dem Fall passten die eingezeichneten Wege nur zum Teil auf die besser ausgebauten Waldwege vor Ort. Beim anderen Teil hatte man die Auswahl zwischen wenig ausgebauten Waldwegen und zahlreichen gut ausgelaufenen Fußpfaden. Also besser als da immer herumzurätseln ist natürlich richtig schön ausmessen und dann mit GPS mittenrein.

Samstag, 29. März 2014

Am nächsten Freitag beginnt der HanseMOOC!

Wieder der Hinweis auf ein paar Massive Open Online Courses (MOOCs): Schon seit dem 10. März geht es bei Coursera um das Thema Practicing Tolerance in a Religious Society: The Church and the Jews in Italy. Ab nächster Woche kann man mit der Fachhochschule Lübeck im HanseMOOC die Hanse entdecken. Ende April startet bei Coursera der Kurs The Art and Archaeology of Ancient Nubia und im Mai The Bible's Prehistory, Purpose, and Political Future.

Vom HanseMOOC war ich besonders freudig überrascht. Freudig deshalb, weil es zu Geschichte und Archäologie sicher auch hierzulande viele hörenswerte Stimmen gibt. Da ist es doch schön, wenn einem zum Hören so eine Gelegenheit gegeben wird. Überrascht war ich, weil die Systeme, mit denen ich in den 5 Bloggerjahren zu tun hatte, häufig nicht besonders anpassungfähig wirkten. Nun muß man den HanseMOOC noch vor dem Hintergrund sehen, daß die MOOC-Welle gerade erst ins Rollen kommt. Das muß in Deutschland erst noch so richtig festgestellt und danach kritisch ausdiskutiert werden. Die Entscheidung für den HanseMOOC ist aber zwecks Vorbereitung sicher schon vor einiger Zeit gefallen. Und dafür mußten auch noch mehrere Beteiligte von dem neuen Format überzeugt werden. Laut FH Lübeck findet das „zehnwöchige Kursangebot, gefördert durch die Possehl-Stiftung“ „in Hinführung auf den Hansetag 2014 statt, der vom 22.-25. Mai 2014 in Lübeck abgehalten wird.“ Also schon viel zur Hanse passender unternehmerischer Geist im Vorfeld des HanseMOOCs, dem ich sehr viel Erfolg wünsche!

Leserinnen und Leser, die sich mehr vom Thema Ancient Nubia oder dem ägyptischen und nahöstlichen Hintergrund des Bibel-Kurses angesprochen fühlen, mögen einmal die Twitter-Timeline von Dr. Julia Budka mit zahlreichen interessanten Links durchsehen. Über Julia Budka gibt es einen Artikel bei derStandard.at vom Juli 2012 ( „Die Archäologin Julia Budka wird ägyptische Siedlungen im Nordsudan ausgraben“). Viel Text und zahlreiche Fotos zu dieser Ausgrabung kann man in dem Projekt-Blog AcrossBorders finden.

Freitag, 14. März 2014

Steinreiches Korsika

Via der Blogroll von Quizzy bin ich schon früher einmal auf dem Steinreich-Blog gelandet. Dort wird mit Steinen ein Faden gesponnen. Und ich glaube, damals bin ich in etwas Interessantes hineingeraten und drumherum ging es mit ganz anderen Themen mit Stein-Bezug weiter.

Nun gibt es aber aus dem Korsika-Urlaub eine ganze Serie von Einträgen zu meinem Zeitbereich, etwa den Dolmen von Fontanaccia oder das Castellu di Capula. Die Interessierten mögen sich via Vor- und Zurückpfeilen durch den Korsika-Urlaub klicken oder via dieser Übersicht einsteigen.

Der schottischen Megalithanlage Cairn o’ Get ist ein älterer Eintrag gewidmet. Über diese Schottland-Ecke habe ich auch den Link zum Ring of Bodar bei Rabensturm gefunden. Zwischen Cairn o’ Get und der Fortingall Yew, dem vielleicht ältesten Baum Europas, liegen im Steinreich-Blog noch ein paar Schlösser, Burgen und natürliche Felsformationen. Wenn mehr entsprechend Interessierte rübersehen, müssen wir unbedingt geeignete Tags für „Graue Vorzeit“, „Burgen“ und ggf. auch „Kultplatz“ beantragen.

So ein „Kultplatz“-Tag ist heikel. Oft ist ja nicht klar, ob es wirklich ein Kultplatz gewesen ist. Aber ich brauche den Tag jetzt zur Überleitung auf die Veranstaltung „Kultplätze und Heiligtümer – Was macht einen Platz zum Kultplatz?“ des Forums Eggenberg, welche sich gestern mit dieser Kultplatz-Frage beschäftigt hat. Zu der Veranstaltung soll es noch einen Nachbericht geben.

Für bayerische Schnellstarter ein sehr interessanter und noch wahrnehmbarer Termin: morgen startet im Manchinger Museum eine Archäologische Wanderung mit Museumsdirektor Dr. Wolfgang David M.A. zu Stätten der Antike und des Zweiten Weltkrieges. Die Wanderung führt u.a. zur Tor-Kulisse am echten Wall und zum ehemaligen Osttor des Oppidums Manching. Wie im Eintrag zur Keltenschanze Buchendorf erwähnt, wurde am Osttor das Skelett eines etwa 6-jährigen Kindes gefunden, welches als Bauopfer interpretiert wurde. Also das wäre dann wohl ein Nachweis kultischer Handlungen. Manching liegt tief im Stephan-Land, da noch schnell der Link zu seinen gesammelten Keltenfesten 2014.

Die Wanderung startet morgen um 14 Uhr mit einer 30minütigen Einführung. In der Tageszeit habe ich nach unserem letzten Besuch des kelten römer museum manching die Fotos im Außenbereich gemacht. Danach sind wir weiter zum ehemaligen Kastell Abusina. Das ließe sich morgen in umgedrehter Reihenfolge wiederholen. Man könnte aber auch in der Gegend von Eining bleiben und das Kastell mit dort räumlich viel näher liegenden Zielen kombinieren. Zur reichen Auswahl ist mit dem Limesturm Hienheim eine neue Attraktion hinzugekommen. Offenbar will man am Limes die Anzahl der Türme wieder auf den alten Stand bringen. In seinen Limeswanderweg-News berichtet Werner Lang auch von neuen Türmen im Limespark Osterburken und bei Rommelshausen/Limeshain.

Einem fast schon ein Jahr alten Werner-Lang-Hinweis auf einen Podcast bei piratte looking at things von einem Road-Trip ein paar Kilometer entlang des Hessischen Limes bin ich seinerzeit nicht gefolgt. Aber zum Glück über eine andere Ecke vor ein paar Tagen wieder darauf gestoßen. So etwa ab Minute 3 gehts zu unseren Themen richtig los. Der Podcast ist super gemacht und bleibt mit vielen Informationen bis zum Schluß sehr hörenswert.

Abschließend noch ein Blick auf die MOOCs (Massive Open Online Courses). Da wird ab Mai 2014 bei Future Learn der Kurs Archaeology of Portus: exploring the lost harbour of ancient Rome angeboten. Ich bin in einem früheren Eintrag auf einige Aspekte der MOOCs eingegangen. Drei Wochen später ist ein Interview mit Prof. Dr. Bernd Huber von der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Thema erschienen. Das Interview richtet natürlich auch den Blick auf die Auswirkungen auf die klassische Universitätsausbildung. Da wäre anzumerken, daß schon vor Jahrzehnten vom lebenslangem Lernen gesprochen wurde und daß sich deshalb etwas hinsichtlich universitären Weiterbildungsangeboten für Absolventen tun sollte. Vielleicht lag es an der oft beklagten Unterfinanzierung, jedenfalls habe ich in den Jahren nichts groß von solchen neuen Angeboten mitbekommen. Bis eben jetzt im Zuge der MOOCs, an denen sich auch deutsche Hochschulen beteiligen.

Die Verwertbarkeit der Kurse und die Finanzierung der Kursanbieter wurde in dem Interview auch angesprochen. Ich hatte in meinem Eintrag gemeint, daß ich in einer Bewerbung auch die Erwähnung eines kurzen einführenden Kurses für nützlich halten würde, wenn die Inhalte auf eine Position passen und die Hauptqualifikation woanders gesucht wird. Man könnte da vielleicht sechswöchige openHPI-Kurse ohne abgeprüfte Übungen als Beispiel nehmen, also vielleicht so etwa maximal halber Vorlesungsumfang ohne Übungen. Anderseits gibt es schon deutlich verschärftere Varianten - länger dauernde Kurse mit abgeprüften Übungen. Solche Kurse kann man dann noch bündeln und dafür ein Zertifikat vergeben, das gibt es mittlerweile in Form von „Specializations“ auch von Coursera, wobei Coursera ergänzend zu den Kursen noch die Teilnahme an einem abschließenden „Capstone Project“ verlangt. Damit kann man sich schon sehr weit in ein Gebiet einarbeiten und das dürfte auch viele motivieren die Kosten für „Verified Certificates“ aufzubringen. Die kostenlosen Kurs-Versionen gibt es glücklicherweise noch weiterhin.

Freitag, 28. Februar 2014

Steinzeit-Häuslebauer gesucht!

Im Mai letzten Jahres waren wir wieder auf dem Gelände des Herxheimer Bandkeramiker-Kultplatzes. Der Kannibalismus, der dort möglicherweise in der Jungsteinzeit stattfand, hat die Herxheimer Ausgrabungen sogar international groß in die Medien gebracht. Näheres zum Sachverhalt kann via dem verlinkten Blogeintrag nachgelesen werden. Oder man kann sich schon einmal damit beschäftigen, die Lage des Kultplatzes auf einer Karte zu suchen und nebenbei den vor ein paar Tagen erschienenen Podcast #18 von Mirko Gutjahr „Herxheim – Nagende Ungewissheit“ anhören.

Im Blogeintrag zum Kultplatz sind auch schon die Informationen über eine ausstehende Publikation und über eine von der Gemeinde Herxheim angedachte Hausrekonstruktion wiedergegeben, die wir damals im Herxheimer Museum vom Museumsleiter Dr. Alexander Gramsch und seiner Mitarbeiterin an der Kasse bekommen haben.

Zu beiden Punkten gibt es Neues: Von Dr. Gramsch werden Steinzeit-Häuslebauer gesucht. Nach dem Vorbild der linearbandkeramischen Langhäuser soll ab 15. September 2014 ein 15m langes Haus auf dem Gelände der Landesgartenschau Landau entstehen. Die Landesgartenschau dauert vom 17. April – 18. Oktober 2015 und nach ihrem Ende soll das Haus zerlegt und am Ortseingang von Herxheim aufgestellt werden.

Die neue Publikation unter dem Titel „Menschenopfer - Zerstörungsrituale mit Kannibalismus - Schädelkult. Der jungsteinzeitliche Ritualplatz von Herxheim“ gibt es schon viel eher. Die Publikation soll am 9. März präsentiert werden, dem Tag der Herxheimer Archäologie 2014. Dr. Andrea Zeeb-Lanz will bei der Präsentation von den Grabungen in Herxheim und dem internationalen Forschungsprojekt erzählen, auf dessen Grundlage das neue Buch entstanden ist.

Landau liegt ein kleines Stück nordwestlich von Herxheim. Östlich von Herxheim liegt das aktuell durch den „Barbarenschatz von Rülzheim“ bekannt gewordene Rülzheim. Südöstlich von Herxheim und südlich von Rülzheim liegt Rheinzabern, das römische Tabernae. Wir hatten dessen Terra-Sigillata-Museum 2010 besucht, bevor wir nach Herxheim weitergefahren sind. Rheinzabern/Tabernae lag an der Römischen Rheintalstraße, die von Straßburg kommend über Rheinzabern nach Norden in Richtung Rülzheim und dann weiter nach Speyer und Mainz führte. Zum „Barbarenschatz von Rülzheim“ wird angegeben, er sei neben einer alten Römerstraße im Wald entdeckt worden. Damit muß aber nicht unbedingt die Rheintalstraße gemeint sein, es wird auch Nebenstrecken bspw. in Richtung Herxheim gegeben haben, siehe der im dritten Herxheim-Teil erwähnte römische Glaskrug aus einem Brandgrab im Herxheimer Gewerbegebiet West.

Östlich von Rheinzabern liegt Neupotz, das durch den Hortfund von Neupotz bekannt wurde. Dieser Fund wird als Beutegut interpretiert, das bei der Rheinüberquerung verloren gegangen ist. Möglicherweise durch die Einwirkung römischer Patroullienboote. Ich weiß nicht, welchen Einfluß diese Spekulation auf die heutige Stationierung des Patroullienbootnachbaus Lusoria Rhenana bei Neupotz hatte.

Samstag, 8. Februar 2014

„Ötzi 2.0“ in der Archäologischen Staatssammlung

Seit gestern ist in der Münchner Archäologischen Staatssammlung die Ausstellung „Ötzi 2.0 - Neues von der Eismumie“ zu sehen.

„2.0“ oder „3.0“ zeigen als Versionsnummern eine größere Veränderung gegenüber den Vorgängerversionen an als „1.9“ oder „2.9“. Man erwartet da vielleicht schon einen Generationswechsel, was immer das dann für die Produkte bedeuten mag. Speziell die Versionsnummer „2.0“ hat durch das Schlagwort „Web 2.0“ eine große Verbreitung gefunden. Beim Web 2.0 ging das in Richtung „Mitmachweb“, veränderte Nutzung und Wahrnehmung des Internets, das war verglichen mit den sanften Generationswechseln mehr ein Paradigmenwechsel.

Bei der Ausstellung in der Archäologischen Staatssammlung darf man zwar mitmachen - man darf auf „interaktiven Modulen“ herumdrücken und einige Mikroskope stehen für eigene Untersuchungen bereit. Aber die Ergebnisse fließen natürlich nicht in die Ötzi-Forschung ein. Die „2.0“ drückt auch keinen Paradigmenwechsel aus, sondern mehr die aktuelle Generation des Wissens, das man in den zurückliegenden Jahren gewonnen hat. Die „2.0“ ist also mehr die normale Versionsnummer, deren technische Anmutung hat man gerne für die Ausstellung übernommen hat: wie schon in der Karfunkelstein- und Seide-Ausstellung vorgezeichnet, soll die Verbindung von Archäologie und Naturwissenschaften deutlich werden. Zudem gibt die Versionsnummer der Hoffnung Ausdruck, daß es weitere sensationelle Erkenntnisse und mithin irgendwann auch einen Ötzi 3.0 und einen Ötzi 4.0 geben wird.

Mit diesen Erklärungen für „Ötzi 2.0“ kommt man in der Ausstellung fast schon hin. Zu ergänzen wäre noch, daß die Münchner Ausstellung vom Südtiroler Archäologiemuseum Bozen konzipiert wurde (andere gehörte Formulierung: „kompakte Form dessen, was es in Bozen zu sehen gibt“) und daß es in Bozen zum 20. Jahrestag des Ötzifundes 2011 eine „Ötzi20“-Ausstellung gab und daß das in München verkaufte „Ötzi 2.0“-Buch von 2011 ist und von der Bozener Museumschefin Dr. Angelika Fleckinger herausgegeben wurde. Da habe ich das Nachsuchen zur Historie abgebrochen, wie die 20 mit der 2.0 zusammenhängt ist mir unbekannt geblieben.

Bozen ist der aktuelle Aufbewahrungsort von Ötzi. Die Geokoordinaten der Fundstelle von Ötzi und die Diskussionen um die Zuordnung zu Südtirol oder Österreich kann man dem Wikipedia-Artikel zu Ötzi entnehmen. Die Fundstelle ist von München aus nicht so aus der Welt. Nur mit Karte und ohne tiefere Ahnung meinerseits gesagt, wäre die Strecke für einen Ötzi auf vorhandenen Jungsteinzeitpfaden gut machbar gewesen. In das Karwendelgebirge geht es ja außerhalb der Winterzeit noch einfach, das habe ich mal in „Alpine Contrasts“ geschrieben. Von dort rüber in das Inntal und vom Inntal in das Ötztal und dann hoch zum Fundort.

Wie die Situation da oben so in etwa ausgesehen hat, also wo vielleicht die damaligen Verbindungen über die Wasserscheide verliefen und wo Ötzi in das 5000jährige Eis geraten ist, dazu hat mir im Nachhinein ein klassisches Modell gefehlt. Wäre ja nicht schlecht zu sehen, wo und wie sich der Bogenschütze anschleichen konnte, wenn Ötzi tatsächlich da oben durch einen Pfeilschuß getötet wurde. Ansonsten wird in der Ausstellung der Ötzi-Fund aber wie es zu erwarten ist in sehr sehr vielen Facetten ausgeleuchtet. Die Umstände des Fundes, die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Fund, die Abfolge der Erkenntnisse in der Ötzi-Forschung, die orginalgetreu rekonstruierten Ausrüstungsgegenstände Ötzis, die zeitliche Einsortierung Ötzis lange nach den ersten Bauern in Mitteleuropa und vor den großen Pyramiden, das Klima, die Lebensumstände. Man kann in einem interaktiven Modul sehen, wie die einzelnen Kleidungsstücke getragen wurden. Man kann an einer Station Fell und mitgenommene Pilzarten anfassen und das unterschiedliche Gewicht und die unterschiedliche Beschaffenheit der verwendeten Holzarten feststellen. Überhaupt ist die Ausstellung sehr auf dieses Erfahren von Wissenschaft ausgerichtet. In einem vom Hauptraum abgetrennten Bereich sind die genannten Mikroskope aufgebaut und man kann sich dem Erforschen verschiedener Getreidearten, den unterschiedlichen Spuren an Zähnen oder der Untersuchung gebrochener Knochen widmen.

Der große Hauptraum der Ausstellung ist in ein Rechteck und ein an zwei der Rechteckseiten anliegendes größeres L geteilt. Diese beiden Teile sind ziemlich dunkel gehalten. Die meisten Austellungsmodule sind selbstleuchtend, also Schrift auf einer leuchtenden Fläche oder Auswahlfeld hintergrundbeleuchtet und angezeigte Kleidung ebenfalls hintergrundbeleuchtet. In dem Rechteck ist die gegenüber dem Eingang liegende Langseite mit solchen Modulen bestückt, so daß man beim Hineingehen auf ein paar helle Module zuläuft, was mit etwas Deko am Eingang an einen Gletscher denken lassen soll. Wurde mir hinterher gesagt, ich habe irgendwie nur die Module fixiert und das nicht gemerkt. In der Mitte dieses Rechtecks ist im Dunkeln eine Ötzi-Replik aufgebahrt. An der anderen Langseite ein einsamer waagrecht angebrachter Zeitstrahl - wohl in dem Fall ein Horizontal- oder Längsmodul. Der Zeitstrahl reagiert segmentweise mit seiner Beleuchtung auf Annäherung - vielleicht hätte der Zeitstrahl wegen dem dunklen Ötzi davor und den Modulen gegenüber permanent heller leuchten müssen. Etwas komisch fand ich die Aufstellung von zwei interaktiven Modulen im Übergang vom Rechteck in den L-Teil. Passend damit ich etwas zum Anschwärzen sehe, wollte vor mir ein von Dunkelheit umgebener Rollstuhlfahrer durchgeschoben werden, während vor den beiden hellen Modulen jeweils Leute standen. In beiden Raumteilen hätte es noch genug Platz an dunklen Wänden gegeben.

Verständlicherweise - man braucht ja noch das Forschungsmaterial für Ötzi 3.0 und 4.0 - ist von der Ötzi-Ausrüstung in der Ausstellung fast nichts im Orginal zu sehen. Nur ein Ahornblatt tief unter Glas, das Ötzi für das Einwickeln von Glut verwendet hat. Und „eine Life-webcam ist direkt mit der Kühlkammer“ des originalen Ötzi „in Bozen verbunden“. Ich habe nichts erkennen können, was ich aber auch nicht schlimm gefunden habe.

Ötzi-Fans müssen natürlich in die Ausstellung, wenn sie nicht lieber gleich nach Bozen fahren. Die Münchner Ausstellung ist nicht als Ersatz, sondern als Werbung für das Südtiroler Archäologische Museum gedacht. Leute mit Forscherdrang dürfen sich an mehreren Stationen endlich einmal selbst mit der Altersbestimmung aus Schädeln und ähnlichem beschäftigen. Eltern mit entsprechend interessierten Kindern sollten Zeit einplanen. Vielleicht wären da auch die angebotenen „Workshops für Erwachsene und Kinder“ eine nette Idee. Außer wegen den Veranstaltungen zur Ötzi-Ausstellung empfiehlt sich auch wegen der Möglichkeit einer Kombination mit der kommenden Sonderausstellung „Die Mumie aus der Inkazeit“ ein Blick auf die Museumswebsite. Diese Ausstellung soll ab 28. Februar in der Archäologischen Staatssammlung starten und dann wie die Ötzi-Ausstellung bis zum 31. August dauern.