Freitag, 26. Juli 2013

Alpine Contrasts

Mal etwas Nichtarchäologisches. Letztes Jahr sind wir ein paar Tage „in die Eng“. Die Eng liegt im Karwendelgebirge und gehört zu der im Inntal gelegenen österreichischen Gemeinde Vomp. Von der Eng ist es zwar per Luftline nicht weit in das Inntal und zum Achensee, per Auto kann das Gebiet aber nur von Norden aus Bayern über eine Straße durch das Rißtal angefahren werden. Im Winter ist die Straße gesperrt, aber sonst ist das Rißtal und die Eng speziell aus München sehr gut zu erreichen. Auch ohne Auto mit der Bayerischen Oberlandbahn und einem Linienbus ab Lenggries. Und damit geht sogar morgens hin, ein paar Stunden wandern und nachmittags/abends wieder zurück.

Die Ausblicke in den Alpen sind dann gigantisch. So wie sie das Video „Alpine Contrasts“ eingefangen hat. Den Film bitte möglichst im Vollbild-Modus mit voller Auflösung (1080p, Full-HD) und angestelltem Ton ansehen! Aber schon die Anfahrt ist schön. Durch das Voralpengebiet, auf einer Brücke über den Sylvensteinsee und an der Isar entlang zum Rißtal. Das Rißtal ist streckenweise recht schmal, so daß man glaubt bei Hinterriß schon nahe am Talende zu sein. Stattdessen geht es etwas breiter noch 15 km so weiter, es gehen mehrere große Seitentäler ab und schließlich weitet sich das Tal sogar noch zu einem „Großen Ahornboden“.

Das Bildmaterial für den Film stammt aus dem Bereich des Talendes des Laliderer Tals, einem der Seitentäler des Rißtals. U.a. ist die Laliderer Wand und die Falkenhütte zu sehen. Es ist für einen Zeitraffer-Wettbewerb erstellt worden und durfte nur maximal 90 Sekunden lang sein und ist deshalb leider zu kurz für das, was es alles im Film zu sehen gibt. Aber eine längere Version soll folgen.

Den Kameramann, Regisseur und Produzenten Denis Mario Ahrens haben wir letztes Jahr bei seinem Aufstieg zur Falkenhütte im Johannestal kennengelernt. Er war umfangreich bepackt und zog einen zweirädrigen Wagen mit den Schienen für die in den Video-Kommentaren erwähnten Motorschlitten hinterher. Wir durften damals in unserer Wanderpause schon vorab ein paar Filmproben auf seinem iPhone ansehen.

Der notwendige Aufwand für so einen Film ist sehr hoch, nicht nur für das notwendige Gerät, das auch noch den Berg hinauf geschleppt werden muß, sondern auch der Zeitaufwand für die Aufnahmen. Ich glaube, an dem Wochenende, als wir uns getroffen haben, blieb der Himmel zumindest bei uns in der Eng ziemlich zu. Da war nichts mit der im Video zu sehenden Milchstraße. Dazu die Unbequemlichkeiten, die in Kauf zu nehmen sind – für manche Aufnahmen hat Denis Ahrens oben auch biwakiert. Auch die spätere Bearbeitung der Aufnahmen ist ein riesiger Aufwand für Mensch und Maschine.

Wie in den „Alpine Contrasts“ zu sehen ist, stehen in dem ganzen Gebiet schroffen Felswänden große Grün- und Waldflächen gegenüber. Ich habe an die Unterstände steinzeitlicher Jäger gedacht, die bei der im letzten Eintrag erwähnten Alpen-Überquerung in Ötzi-Ausrüstung gezeigt wurden. Bei so einem Unterstand hat man aktuell sogar ein Kupferbeil aus der „Ötzi“-Zeit gefunden. Ich hatte aber im Netz vorab nichts über entsprechende archäologische Fundplätze gefunden. Die Wikipedia gibt zur Geschichte des Gebietes ein bei Hinterriß gefundenes Bronzeschwert an. Das lässt nach der Wikipedia „darauf schließen, dass schon während der Bronzezeit Menschen dieses abgelegene Tal durchstreiften“. Nach einem Artikel über Steinzeitjäger in Jagd & Natur würde ich von Steinzeitjägern und -sammlern in dem Gebiet ausgehen. „Ab der Bronzezeit im 2. Jahrtausend v. Chr.“ gewann aber „die sommerliche Alpwirtschaft“ eine grosse Bedeutung.

Wie erwähnt haben wir Denis Mario Ahrens im Johannestal getroffen, von dem aus er dann zur Falkenhütte oberhalb des Talendes des Laliderer Tals hinüber gewechselt ist. Von der Falkenhütte käme man über die Talenden auch weiter in die Eng und von dort gibt es sowohl Fußpfade nach Vomp im Inntal als auch in Richtung Achensee. D.h. zu Fuß ist das Gebiet ziemlich durchlässig und es wird in der Stein- und Bronzezeit sicher mehr als heute auf das Inntal ausgerichtet gewesen sein - heute gibt es ja im Sommer eine tägliche Invasion aus Bayern. Im Inntal gibt es dann auch die umfangreicheren vorzeitlichen Funde, aktuell hat sich dort Marcellina noch einmal mit dem Bergisel beschäftigt. Vielleicht sind die eisenzeitlichen Nachfahren des Bronzeschwert-Besitzers aus Hinterriß zu großen Treffen am Brandopferplatz auf dem Bergisel gepilgert und haben auf dem Weg noch ein paar Erzeugnisse ihrer Alpwirtschaft verkauft.

Samstag, 13. Juli 2013

Herxheim, Teil 3 – Anne Reichert und Eckhard Czarnowski

Nach dem Besuch der Dauerausstellung im Museum Herxheim sind wir weiter zum Stand von Eckhard Czarnowski. Eckhard Czarnowski (Bild 1) bietet – siehe seine Website www.steinzeitspur.de – u.a. „Vorführungen zu steinzeitlicher Technologie und Ergologie“ und „Rekonstruktionen steinzeitlicher Werkzeuge und Geräte“ an und war am Internationalen Museumstag 2013 eine der im Internet angekündigten Publikumsattraktionen. Er war einigermaßen regengeschützt im Ausgangsbereich des Museums untergebracht (der „Eingang“ im ersten Bild ist ein abgeschnittener „Kein Eingang“). Im zweiten Bild von Herxheim, Teil 2 war das bei dem großen roten Schirm vor dem rechten Gebäude.

Eckhard Czarnowski hat uns im Schnelldurchlauf die Geräte zum Getreideernten in Bild 2 erklärt. Er hat eine Flamme an eine Kugel Birkenpech gehalten und uns daran riechen lassen. Hat gezeigt wie man einen Stiel glättet (Bild 3) und wie man eine Steinklinge schärft (Bild 4). Witterungsbedingt hat er den Auftritt in Steinzeitkleidung sein gelassen, sonst hätte er uns sicher auch zur Kleidung noch schnell ein paar Besonderheiten gezeigt.

Eckhard Czarnowski am Internationalen Museumstag 2013 in Herxheim

Ich habe immer die Steinbeile mit Skepsis betrachtet. Mussten die nicht häufig ersetzt oder zumindest repariert werden? Nach Eckhard Czarnowski ist das bei guter Behandlung nicht notwendig gewesen. Dabei sei auch die richtige Herstellung zu beachten. Er hat von einem Versuch erzählt, bei dem Eichen geschlagen wurden und seine manuell erstellte Steinklinge das überstanden hat, während mit der Flex erstellte Klingen kaputt gegangen seien.

Eckhard Czarnowski am Internationalen Museumstag 2013 in Herxheim

In dem Versuch waren Dechseln im Einsatz. Bei diesen „Querbeilen“ sind die Steine anders geschäftet. So wie bei der kleinen Rekonstruktion, die Eckhard Czarnowski in Bild 1 in der Hand hält. In Neuguinea-Dokumentationen waren solche Beile bisweilen zu sehen, ich habe dazu noch ungefähre Erinnerungen an das in Jugend gelesene Buch „Ich komme aus der Steinzeit“ von Heinrich Harrer. Eckhard Czarnowski muß Orginalbeile kennen. Er hat kurz die Schäftung der dortigen Ureinwohner erwähnt, die er sich zum Vorbild genommen hat.

Eckhard Czarnowski am Internationalen Museumstag 2013 in Herxheim

Zur „Ergologie“ entnehme ich mal die Definition „Wissenschaft von Arbeitsgeräten und -gebräuchen“ aus dem Netz. Außer zu Fragen nach dem Aufwand für die Erstellung und für die Erhaltung der einzelnen Geräte wird man sich sicher auch Gedanken dazu gemacht haben, in welcher Kombination sie eingesetzt wurden. Die „dicken Eichen“, die in diesem Rekonstruktionsversuch von Bandkeramiker-Langhäusern angedacht sind, wird man vielleicht mit Haustieren zur Baustelle gezogen haben. Das zukünftige Brennholz wird anders ausgesehen haben als der Ster Holz auf dem Foto in der Wikipedia, weil es beim damaligen Arbeitsablauf vorher und nachher keine Säge gegeben hat. Auf dem Foto sind auch der Länge nach aufgespaltene Stämme zu sehen. Ob eine Kombination von schweren Steinhämmern und Steinkeilen damals funktionierte, und ob sie im damaligen Arbeitsablauf sinnvoll war? Und der Wagen für den Weitertransport wurde erst Jahrhunderte nach den Bandkeramikern erfunden, habe ich in der Jungsteinzeit-Ausstellung in Karlsruhe gelernt.

Eckhard Czarnowski am Internationalen Museumstag 2013 in Herxheim

Also Fragen über Fragen. Bevor wir sie uns haben einfallen lassen können, wurde Eckhard Czarnowski vom Museumsleiter Dr. Alexander Gramsch benötigt. Anne Reichert (Bild 5) ist kurz für ihn in die Bresche gesprungen. Aber der halbe Schritt zurück zum Fotografieren hat anderen Museumsbesuchern gereicht, um sie aus der ungeschützten linken Flanke heraus in Beschlag zu nehmen. Zu den Rekonstruktionen von Anne Reichert gibt es eine interessante Webseite zur Sonderausstellung „Bast, Binsen, Brennnessel: textiles Material der Steinzeit im Museum Albersdorf“. Da sollte man einmal durch die einzelnen Beispiele durchklicken. Die über 5000 Jahre alten Vorlagen für den Dolch und die Dolchscheide in Bild 5 sind auf der Seite „Zwirnen und Zwirnbinden“ zu sehen. Rekonstruktionen von Anne Reichert sind schon sehr bekannt geworden: vor einigen Jahren war die im Fernsehen ausgestrahlte Alpenüberquerung in Steinzeit-Ausrüstung von Henning Fenner und Ingo Schuster sehr populär, und von Anne Reichert stammten die auffälligen großen Schuhe („Innengeflecht der 'Ötzi'-Schuhe aus Lindenbast”). Der damals zur Filmserie eingerichtete Blog ist heute noch zugreifbar, siehe hier „Aufstieg im Schnee“: „Die Ötzischuhe bewähren sich: Henning und Ingo sinken damit viel weniger tief ein als wir mit unseren modernen Wanderstiefeln. Außerdem rutschen sie weniger und sind warm! Endlich haben wir den Zweck der Schuhe enträtselt – und können sagen, warum sie so riesig sind!“

Anne Reichert am Internationalen Museumstag 2013 in Herxheim

In München hatte ich mir im Internet relativ kurz mögliche Ziele für den Internationalen Museumstag durchgesehen und dabei die Ankündigung von Eckhard Czarnowski mitbekommen. Anne Reichert war eine Überraschung. Ich habe erst im Nachhinein gesehen, daß in Herxheim schon mehrere Workshops (pdf) mit Anne Reichert angeboten wurden. Ich glaube es ist nicht das erste Mal, daß ich eine etwas oberflächliche Vorbereitung erwähne, aber oft entscheiden wir relativ kurzfristig wohin es gehen wird. In dem Fall kam als zu berücksichtigende Rahmenbedingung zum Wetter noch der Muttertag hinzu. Daß wir nach Herxheim gefahren sind, ist dann für uns ganz super gelaufen. Dafür vielen Dank an alle die uns Informationen und ihre Erlaubnis gegeben haben, die Fotos veröffentlichen zu dürfen! Insbesonders auch vielen Dank für die Unterstützung durch den Museumsleiter Dr. Alexander Gramsch!

Beim Nachsurfen habe ich gesehen, daß Dr. Alexander Gramsch Herausgeber von The European Archaeologist ist, dem Newsletter der European Association of Archaeologists. Dr. Gramsch gestaltet ihn als „eine jederzeit lesenswerte und allgemein zugängliche e-Zeitschrift für schnelle Nachrichten und offene peer-to-peer-Kommunikation“. TEA richtet sich an ein Fachpublikum, aber nach der Long-Tail-Theorie müßten sich auch ein paar Nichtarchäologen unter den Leserinnen und Lesern den Newsletter ansehen wollen.

Bei der Nachfrage, ob ich den TEA-Link weitergeben kann, hat mich Dr. Gramsch darauf hingewiesen, daß seine Artikel größtenteils bei Academia.edu zu finden sind. Für den Vollzugriff muss man dort aber Mitglied werden. Zum Projekt Herxheim habe ich von ihm die Information, daß es dieses Jahr noch ein Zusammentreffen und nach der Zusammenstellung der Ergebnisse eine gemeinsame Gesamtpublikation geben soll. Außerdem sind mehrere Dissertationen in Arbeit. Also es bleibt spannend bei den Herxheimer Bandkeramikern. Und hinzu kommen noch die aktuellen Ausgrabungen im Herxheimer Gewerbegebiet – auf der Museumswebsite ist dazu ein römischer Glaskrug aus einem Brandgrab zu sehen.