Donnerstag, 13. Oktober 2022

Streamingdienste

Meine beiden Einträge vor zwei Jahren über die Barbaren-Serie (Teil 1, Teil 2) und die folgenden Einträge über die Liberator-Serie und den Spielfilm zur Sutton-Hoo-Ausgrabung waren selbst als Blogeintrag-Miniserie gedacht, die zeitnah zur Veröffentlichung der Filme bei Netflix bei mir erscheinen sollte.

Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022

Das Zeitnahe ist beim abschließenden Film zur Sutton-Hoo-Ausgrabung deutlich schief gegangen. Mein Eintrag kam erst ein Jahr nach Erscheinen des Filmes „The Dig“ bzw. „Die Ausgrabung“. Das späte Erscheinen hatte zumindest den Vorteil, daß man leicht die enorme Medienresonanz des Filmes nachvollziehen konnte. Neben den klassischen Medien sind hier auch Fachmagazine und insbesonders auch die Medien der betroffenen Ausstellungsstätten zu erwähnen (Blogs, Social-Media-Accounts, Webseiten). Man konnte gut sehen, daß versucht wurde, möglichst lange mit dem gesteigerten Publikumsinteresse zu gehen. Von dem mitgenommenen Schwung profitieren sicher auch noch die aktuellen Ausgrabungen. Man beachte bei der Meldung „Royal Hall of the East Anglian Kings found in Suffolk“ die sehr hohen Zahl an Volunteers.

Bei den deutschen Archäologen schien mir bislang das Medium Streamingdienst kein Thema zu sein. Das Schema blieb bei der Barbaren-Serie wie gehabt. Zeitungen oder Radiosender machten etwas über die Barbaren-Serie und die befragten Archäologen gaben auch brav und vermutlich fundiert ihre Expertisen ab. Aber irgendwelche Überlegungen über das Medium Streamingdienst selbst oder ein Vermissen einer Reaktion wie in England auf so ein Streaming-Ereignis habe ich nicht gesehen. Ich habe jetzt Kurzscans auf das Museum Kalkriese und die KZ Gedenkstätte Dachau wegen der Barbaren- bzw. der Liberator-Serie gemacht und nur auf der Kalkrieser Facebook-Präsenz und dem Youtube-Kanal des Museums zwei kurze Barbaren-Faktenchecks gefunden. Youtube gibt für die zusammen 7 Minuten langen Videos insgesamt 1300 Aufrufe an. Eine Teilnehmerin der von mir im zweiten Barbaren-Eintrag verlinkten 44-minütigen Diskussion „Die 'Barbaren' auf Netflix - Was wissen wir über die Varus-Schlacht?“ war vom Museum Kalkriese. Der Verweis, daß ein Museum in so einer Sendung präsent war, sollte natürlich auch auf die Museumsplattformen. Das war mir aber jetzt keinen Kurzscan wert. Mein im „Barbaren-Nachtrag“ angegebener Link zur Barbaren-Diskussion funktioniert übrigens nicht mehr, diese Diskussionssendung sucht man am besten über den angegebenen Titel.

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In unserem Umfeld spielen Streamingdienste wie Netflix teilweise noch überhaupt keine Rolle, teilweise werden solche Dienste schon seit Jahren abonniert, dann aber in allen Fällen die wir kennen gleich mehrere Dienste. Es gibt auch unterschiedlichste Umgehungsmöglichkeiten. Wir kennen jemand, der hat keinen Bezug zu solchen Streamingdiensten, aber will bestimmte Serien weitersehen und wartet darauf, daß er die neue Staffel als DVD erwerben kann. Ich habe schon mehrere Serien in der Stadtbibliothek ausgeliehen. Und die Jugend soll sowieso alles kennen. D.h. da wird jeder im Kopf haben, wer aus seinem Freundeskreis welche Zugänge verfügbar hat.

Jedenfalls kann man aber nicht davon ausgehen, daß Zugreifende auf ein Informationsangebot den Film oder die Serie schon gesehen haben. Insofern sollten die Interessenten vielleicht zunächst mit einer zum Museum oder der Gedenkstätte passenden Inhaltsangabe versorgt werden. Darauf würde dann der beliebte Faktencheck aufsetzen, also ein Abgleich des aktuellen Wissensstandes, den das Museum/die Gedenkstätte vertritt, mit dem Gezeigten im Film. Die Dachauer Gedenkstätte wäre ein ganz interessantes Beispiel, weil man hier von in der Liberator-Serie gezeigten Szenen auf heute noch besichtigbare Örtlichkeiten verweisen könnte.

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Ich will jetzt noch allgemeiner auf Streamingdienste eingehen. In dem Zusammenhang haben meine eingestreuten Fotos vom Women's Elite Road Race bei den European Championships Munich 2022 einen Sinn: die Aussage wäre, jeder kann heutzutage ein Streamer sein, kurze Videos sind besonders gefragt. Meine Fotoserie war mithin schon veraltet, bevor ich sie überhaupt gemacht habe. Aktuell gab es die Aussage, daß Jugendliche lieber auf TikTok statt auf Google suchen. Und Instagram und Youtube haben schon hinsichtlich kürzerer Videos auf den Erfolg von TikTok reagiert. Die Älteren mögen sich etwas wundern. Anderseits ist die Einbindung von Kurzvideos in Social Media schon seit längerem gang und gäbe und derzeit gewöhnt man sich auch daran, diese Filmchen um 20 Uhr in den Hauptnachrichten zu sehen. Man denke an die Rückeroberung von Lyman, an Videos in denen sich in der Pampa vergessene russische Mobilisierte aufgenommen haben oder an die Zerstörungen auf der Krim-Brücke.

Die letztgenannten Videos trafen auf eine riesige Nachfrage, in so einer Konstellation mag tatsächlich jeder die Chance auf ein Millionenpublikum haben. Im Fall des Radrennens hätte es eher nur für ein paar hundert Zugriffe gereicht. Und das mangels eines etablierten Videokanals auch nur, wenn wenig Video-anbietende Konkurrenz vorhanden gewesen wäre. Ohne Lucky Punch bräuchte man ein auf neue Videos wartendes Stammpublikum. Bzw. einen Algorithmus, der die eigene Wichtigkeit kennt und die Videos den Leuten zur Auswahl anbietet. Um das aufzubauen wird selbst Einzelkämpfern, die ihre Produkte oder Dienstleistungen via Social-Media-Kanälen vertreiben, schnell eine wesentlich höhere Video-Frequenz vorgeschlagen, als sie bei unseren ambitioniertesten Archäologiemuseen zu sehen ist.

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Diese Nebenherprofis im Videobereich geben uns einen Anhaltspunkt, wie die Videoproduktion der Museen und Gedenkstätten einzuschätzen ist. Konkret wird man es in den Museen/Gedenkstätten stattdessen vermutlich wieder eher mit Hobbyisten zu tun haben. Ich denke da an die Sonderaustellungsbesucher, von denen ich berichtet hatte, die trotz Fotografierverbot fotografiert haben, die wären irgendwie in die Kurzvideowelt weiterzudenken. Den Fotografierenden müssen die Fotos offenbar wichtig gewesen sein und man kann sich gut vorstellen, daß viele der Fotos später über einen Messenger weitergegeben werden sollten. Mir sind damals mehrere Fotografierende pro Ausstellungsbesuch aufgefallen. Wenn man das auf die Dauer der Ausstellung hochrechnet und tatsächlich ein guter Anteil davon die Fotos weitergibt, vermutlich mehrfach, damit sich die Arbeit auch lohnt, dann kämen da schon interessante Zahlen zusammen. Verschiedentlich habe ich Reaktionen auf solche Fotografierwünsche gesehen, in einem Kunstmuseum gab es unterschiedliche Objektauszeichnungen, nach denen fotografiert oder nicht fotografiert werden durfte. Davon wären Angebote zu unterscheiden, die sich mehr aus der Selfie-Schiene heraus entwickelt haben und in denen eher Kulissen angeboten werden um sich selbst zu fotografieren oder fotografieren zu lassen.

Abschließend noch etwas über Streaming im Schach. Die üblichen Mannschaftskämpfe, bei denen die Spieler beider Mannschaften einander gegenüber sitzen, konnten zeitweise wegen Corona nicht durchgeführt werden. Als Ersatz hat der Deutsche Schachbund für interessierte Vereine eine Online-Liga gestartet. Bei Bundesliga-Partien konnte man zwar schon vor Corona live die Partien mitverfolgen, aber nun konnte man das bei allen Partien dieser Online-Liga und mein alter Verein spielte mit mehreren Mannschaften mit. Wobei ich aber nur noch wenige der Spieler persönlich kannte. Manche Vereine boten ihren Mitgliedern an, auf unterschiedlicher Softwarebasis gemeinsam die Vereinspartien zu verfolgen. Da war ich zurückhaltend, denn mein Verein hat in dieser Zeit wegen Corona auf Lichess online auch kleine Turniere gespielt und da hätte man ja gleich noch auf die Idee kommen können, mir eine Prüfung meines aktuellen Leistungsstandes anzubieten.

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Zusätzlich zur Möglichkeit die Partien online zu verfolgen wurde ein von einem Großmeister moderiertes „Schachdeutschland TV“ live via Twitch angeboten, in dem aktuell laufende Partien besprochen und Interviews mit Vertretern teilnehmender Vereine geführt wurden. Insbesonders diese Interviews scheinen mir bemerkenswert, weil man über Wochen immer wieder neue Leute live in von diesen Leuten selbst bereitgestellten Räumen und mit von ihnen selbst vorbereiteter Ausrüstung in die Sendung einbinden mußte. Ja klar, in Zeiten wo viele im Home Office arbeiten ist das kein Hexenwerk. Aber sich ein Sendungskonzept auf dieser Basis auszudenken und das dann einfach durchzuziehen und das klappt dann auch noch einfach so, das finde ich schon sehr faszinierend.