Seit letzter Woche kann man sich bei Netflix die Serie „Barbaren“ ansehen, die die Schlacht im Teutoburger Wald und ihr engeres zeitliches Vorfeld als Vorlage verwendet. Wie die verlinkten kurzen Netflix-Inhaltsangaben zu den sechs Teilen zeigen, trifft man zwar auf einige geschichtlich bekannte Personen und Ereignisse, bei denen die bekannte Entwicklung des römischen Offiziers Arminius hin zum gegnerischen Germanenführer die prominente Rolle spielt. Das wird aber durch starke frei erfundene Handlungsstränge ergänzt und dabei etwa der späteren Ehefrau des Arminius Thusnelda eine Rolle verpasst, die weit von der Überlieferung entfernt ist.
Ich habe bislang nur kleine Ausschnitte gesehen und bin mir gerade nicht sicher, wie scharf ich auf diese Barbaren-Folgen bin. Das kann ich noch abwarten. Die Serie halte ich aber schon insofern für sehr bemerkenswert, als Netflix versucht, solche Filme über für Lokalmärkte bedeutsame Ereignisse in diesem lokalen Umfeld zu entwickeln und dann international zu präsentieren. Das hat hier offenbar mit großem Erfolg geklappt, Business Insider gab für letzte Woche einen zweiten Rang für die Serie bei Netflix in den USA an.
Der Artikel von Thomas Rogers in der New York Times erläutert diese Entwicklung aus dem lokalen Umfeld heraus genauer. So scheint man etwa mit Absicht einen blonden und blauäugigen Arminius vermieden zu haben. Außerdem war es wichtig, ihn nicht als großen Kriegshelden oder als Gründer eines Germanenreichs zu zeigen.
Die Zerrissenheit unter den germanischen Stämmen im Vorfeld der Schlacht hat man in der Serie allerdings schon thematisiert. Römerherrschaft hätte ja neben einem Entwicklungssprung, den man dann allein in der Folge nicht hingekriegt hat, auch Landnahme, Ausplünderung, Versklavungen und für Germanen unübliche Strafen bedeutet. Ein freier Geist darf das ja abwägen und Kleist hat das, als er eine ähnliche Konstellation gesehen hat, in seiner „Hermannsschlacht“ verarbeitet. Die scheint im Übrigen wesentlich freier mit der Überlieferung umgegangen zu sein als die Barbaren-Serie, insofern ist eine an die heutige Zeit angepasste aktivere Thusnelda-Rolle doch ganz in Ordnung.
Die Schlacht läuft aktuell in der Wikipedia unter der Bezeichnung „Varusschlacht (auch Schlacht im Teutoburger Wald oder Hermannsschlacht, von römischen Schriftstellern als clades Variana, als „Varusniederlage“ bezeichnet)“. Die „Schlacht im Teutoburger Wald“ wurde bei uns vermutlich im Zuge der Kalkriese-Funde hinfällig und dafür „Varusschlacht“ erfolgreich installiert. Schaltet man auf die englische Wikipedia um, hängt die noch nach: „The Battle of the Teutoburg Forest (German: Schlacht im Teutoburger Wald, Hermannsschlacht, or Varusschlacht), described as the Varian Disaster (Latin: Clades Variana) by Roman historians, took place in the Teutoburg Forest in 9 CE..“. Netflix verwendet auch im Deutschen diese englische Bezeichnung. Ich jetzt für meine Überschrift auch. Die scheint wenigstens orginell zu sein, „Barbaren bei Netflix“ habe ich beim Nachgoogeln gleich mehrfach gesehen.
Die eigentliche Schlacht mag sich wie auch die Serie es nahelegt tatsächlich über eine lange Strecke verzettelt abgespielt haben. Wie ich mal dem Buch „Die Schlacht im Teutoburger Wald: Arminius, Varus und das römische Germanien“ von Reinhard Wolters entnommen habe, sind viele römische Quellen über solche Kämpfe aber oft erst ziemlich lange danach entstanden und es gibt in diesen Texten dieses Angriffsmuster häufiger. Das kann so in unterschiedlichen Fällen gewesen sein, aber man könnte sich auch vorstellen, daß man unzutreffende Standarderläuterungen wegen Unwissen oder einem Verheimlichungsinteresse gegeben hat. Im Falle der Schlacht im Teutoburger Wald muß es wohl auch schon lange den Gedanken geben, daß sich die Armee zu einem guten Teil selbst durch einen hohen aufständischen Germanenanteil besiegt hat. Ich habe das durch einen in andern Gefilden tätigen Archäologie-Absolventen vor fast 20 Jahren mitbekommen. Es gab/gibt dazu wohl keine Vorstellung über die Höhe der Germanenanteile in den römischen Truppen, aber die Idee lässt sich etwa auch in der Serienbesprechung von Thomas Schlüter wiederfinden.
Thomas Schlüter findet die „Kostüme, Requisiten und Bauten .. sehr gut gelungen, die Ausrüstung der römischen Legionäre entspricht der historischen Wirklichkeit. Auch die germanischen Langhäuser wirken erstaunlich authentisch.“ Thomas Rogers Artikel in der New York Times scheint mir mit seiner Nähe zu den Serienschöpfern vielleicht etwas zu unkritisch zu sein. Der Film- und Serien-erfahrene Thomas Schlüter wirkt etwas ausgewogener. Wer es hingegen richtig kritisch mag, kommt bei bislang gleich drei Einträgen zur Barbaren-Serie im Blog des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen vermutlich voll auf seine Kosten.
Laut Den of Geek scheint die Serie „a massive hit for Netflix“ zu werden. Da muß man sicher schon über die zweite Staffel nachdenken. So wie die erste Staffel auf die Schlacht im Teutoburger Wald zusteuerte, könnte die zweite Staffel mit der Schlacht von Idistaviso (oder am Angrivarierwall) enden.
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