Samstag, 22. Juni 2019

Maiausflug zur verschwundenen Grünwalder Römerbrücke

Südlich Grünwald, an der Grünwalder Römerschanze vorbei, verlief eine wichtige römische Ost-West-Verbindung. Wo diese Straße östlich und westlich der Isar von der Schotterebene in das Tal hinabstieg scheint klar zu sein. Auf der westlichen Seite sind hohlwegartige Strukturen erkennbar - man mag glauben, daß die so alt sind. Auf der östlichen Seite geht es bei einem Geländeinschnitt abwärts - der sieht in seinem Bereich noch alternativloser aus.

Isar bei der mittlerweile aus dem Denkmal-Atlas verschwundenen Römerbrücke

Während also oben alles klar zu sein scheint, ist unten je nach Quelle nicht einmal eine Brücke belegt. Es kann also auch nur eine Furt gewesen sein. Die Idee mit dem Georgenstein als römischem Brückenpfeiler bleibt zwar gut im Kopf hängen, paßt aber vermutlich nur gut zu den versunkenen Städten, die im 19ten Jahrhundert Konjunktur hatten. Anders gesagt: man bräuchte so eine Stadt, um eine Brücke an dieser Stelle zu unterhalten, und so eine Stadt wurde bislang noch nicht gefunden. Die Isar biegt im Bereich des Georgensteins selbst heutzutage mit einer ziemlichen Energie um die Ecke. Und damals konnte ein Hochwasser noch nicht mit dem Sylvensteinspeicher heruntergedimmt werden und führte bisweilen Baumstämme mit sich.

Isar bei der mittlerweile aus dem Denkmal-Atlas verschwundenen Römerbrücke

Verbindet man die unstrittigen östlichen und westlichen Teile der Römerstraße irgendwie, dann würde die Georgensteinvariante einen Schlenker in südwestlicher Richtung bedeuten. Unter meinem westliche-Seite-Link findet sich man eine abfotografierte Informationstafel, auf deren Skizze die Linie stattdessen einfach so ohne Schlenker durchgezogen wird. Nach meiner Vermutung ohne fachliche Grundlage, aber da ist man jetzt weiter flußabwärts zwischen Georgenstein und Stauwehr und hat die Ecke hinter sich.

Isar bei der mittlerweile aus dem Denkmal-Atlas verschwundenen Römerbrücke

Der Bayerische Denkmal-Atlas als Vertreter der offiziellen Sichtweise hält sich hinsichtlich der genauen Übergangsstelle zurück, d.h. er lässt bei der Isardurchquerung eine Lücke. Die östliche Straßenseite schwenkt aber im Denkmal-Atlas vor der Isardurchquerung relativ stark nach Nordosten ein. Also tendiert zu einem Schlenker in der Gegenrichtung zum Georgenstein, das ist noch weiter flußabwärts. Geht man bei den roten Straßenenden über die Isar, dann wäre das fast beim Stauwehr.

Isar bei der mittlerweile aus dem Denkmal-Atlas verschwundenen Römerbrücke

Das Gelände wird mittlerweile im Bayerischen Denkmal-Atlas sehr gut angezeigt, man sollte sich das dort mal genauer ansehen. Als Einstieg bietet sich die Suche nach der Denkmalnummer D-1-7935-0002 der oberhalb des östlichen Straßenteils befindlichen Römerschanze an.

Isar bei der mittlerweile aus dem Denkmal-Atlas verschwundenen Römerbrücke

Neben der Römerstraße stach im Bayerischen Denkmal-Atlas jahrelang eine mittlerweile gelöschte „Brücke der römischen Kaiserzeit“ mit der Denkmalnummer D-1-7935-0005 heraus, die ein kleines Stück flußabwärts vom Stauwehr angezeigt wurde. Die Fotos 1 - 5 habe ich im Bereich der Brücke aufgenommen. Wobei hier aber durch das Stauwehr und den Isarkanal auch in diesem naturnäheren Teil der Isar alles bis in den Wald auf der östlichen Seite hinein neuzeitlich überarbeitet wurde. Jedenfalls, die Brücke der römischen Kaiserzeit ergab in dem kurzen Abstand zur Straße eigentlich keinen Sinn, sofern die Straße tatsächlich noch oberhalb des Stauwehrs die Isar über- oder durchquerte. Zur Zeit als ich den oben verlinkten westliche-Seite-Eintrag geschrieben habe, gab es die Brücke im Bayerischen Denkmal-Atlas noch. Mittlerweile ist sie weg, die Stelle wurde aber zuvor von Vici.org übernommen. Ich gebe hier mal die google-baren Koordinaten an: 48.028500,11.507797 Man beachte die Hochspannungsleitungen und den kleinen Wasserlauf, die man vor Ort oder auf Karten/Fotos zur besseren Orientierung verwenden kann.

Wasserkraftwerk Höllriegelskreuth

Vici.org hat mittlerweile seine im Römerschanzen-Bereich etwas bizarre Streckenführung an diejenige des Denkmal-Atlasses angepasst. Geht ohne Begründung sogar darüber hinaus und verbindet die beiden Endpunkte, legt sich also derzeit auf einen Übergang beim Stauwehr fest. Es kann sein, daß das so ganz gut passt und sich der Denkmal-Atlas nur aus administrativen Gründen zurückhält, eben weil dieses Gebiet baulich schon total überarbeitet wurde und für die Archäologie nichts mehr zu holen ist. Anderseits gäbe es auch Argumente dafür, den Schlenker bis hin zur früher eingezeichneten Brücke auszudehnen und erst da über die Isar zu gehen. Das Tal ist hier deutlich verbreitert, das Hochwasserproblem vermindert sich. Seitens der westlichen Straße wäre so eine Änderung neutral zu bewerkstelligen. Der Hohlweg läuft in einen überarbeiteten Bereich ein kleines Stück oberhalb der Isar aus, von dem man mit gleicher Entfernung in verschiedene Richtungen wegknicken kann. Die mehreren hundert Meter zusätzlicher Weg kämen bei der östlichen Straße dazu. Um dieselbe Entfernung würde aber dafür der Weg von Grünwald herunter kürzer. Man beachte im Denkmal-Atlas die Rotfärbung zwischen Perlach und Oberhaching. Die könnte eine viel Verkehr liefernde Querverbindung über Grünwald in das Hachinger Tal nahelegen. Wenn dem so gewesen ist und es hier durch die Isartalverbreiterung eine gut nutzbare Furt gegeben hat, dann müßte man das alles vielleicht sowieso etwas lockerer sehen. Also den einen Übergang gab es vielleicht garnicht, sondern mehrere, sich zeitweise ändernde östliche Einstiegspunkte. Und an einer Stelle hat man vielleicht etwas gebaut, was dann als Brücke im Denkmal-Atlas gelandet ist. Vielleicht wird es hier unten noch ein Haus für überwachende Soldaten aus der Römerschanze gegeben haben. Vielleicht konnte man hier unten noch Verpflegung kaufen und Ochsen mieten, um sich auf der anderen Seite hochziehen zu lassen.

Burg und Schlosshotel Grünwald

Für diejenigen die sich die Sache vor Ort ansehen wollen: das ist eine gute Idee, durch die Isar ist es da unten meist interessanter als oben auf der Schotterebene. Aber man kann Sonnenanbeter, Brutvögel und Wurzeln stören. Die Kiesbank wird von Sonnenanbetern genützt. Ich bin am 2. Mai hin, um möglichst wenige mit der Kamera zu stören. Das hat gut geklappt. Es gibt Bereiche, wo man wegen Brutvögeln nicht hinsoll. Letztes Jahr habe ich auf der gegenüberliegenden Seite ein umgekipptes Warnschild gefunden. Eine Infotafel, die hinsichtlich der Brutvögel über die Zeiten informiert, wo man dort nicht aufkreuzen soll, habe ich nirgends gesehen. Hin zum Georgenstein gibt es auf der gegenüberliegenden Seite Bereiche, in denen man zum Schutz der Baumwurzeln sein Rad schieben soll. Die Beschilderung erschien mir aber inkonsistent. Also erst mal absteigen, als kein Problem zu sehen war. Da kamen mir dann Radler entgegen. Später angesichts der Wurzeln nochmal ein Absteigschild.

Montag, 10. Juni 2019

Gemischte Links

Im Mai war ich sichtlich indisponiert und konnte den Faden nicht aufnehmen, den mir Marcellina via Kommentaren und Blog-Eintrag reichte. Nun etwas spät der Hinweis auf ihr „In Via: The Keltenschanze near Utting“. Die Uttinger Schanze wäre je nach Ausflugsinteressen eine interessante Alternative zu oder Kombinationsmöglichkeit mit den Holzhausener Schanzen in meinen letzten beiden Blog-Einträgen. Wobei wegen der Verwechslungsgefahr hier wieder darauf hinzuweisen ist, daß mit Holzhausen der relativ Utting-nahe Ortsteil der Gemeinde Alling im Landkreis Fürstenfeldbruck gemeint ist.

Die Uttinger Keltenschanze wird wie die Holzhausener Schanzen in Kombination mit einer Römerstraße angeboten. In dem Fall mit der in den Süden führenden Via Claudia Augusta, von der Marcellina in ihrem jüngsten Eintrag eine Meilenstein-Replik zeigt. Zur Via Claudia Augusta gibt es eine Vielzahl von Links. Ich verweise auf den jüngst erschienenen Scinexx-Artikel „Eine Römerstraße als europäische Verbindungsachse“ , der sich wiederum auf eine Website der Universität Innsbruck als Quelle beruft.

Diese Quelle sollte man sich wegen den Fotos und Karten ebenfalls ansehen. Und im Text finden sich genügend viele Stichworte, über die man weitersuchen kann. Ich wollte jetzt dennoch über Scinexx gehen, weil Scinexx zum einen einige solcher Dossiers mit Archäologie-Bezug zusammengepackt hat. Ich fands jetzt nur auf die Schnelle schwierig, dort einen Überblick über dieses Dossier-Angebot zu bekommen. Zum anderen hat Scinexx im verlinkten Artikel ein Via-Claudia-Augusta-Video von Via Claudia Augusta Transnational eingebunden. Dessen Aufrufzahl ist passabel, aber man beachte bei der Gelegenheit die auffallend geringe Zahl der Likes und Abonnenten sowie die sehr geringen Aufrufzahlen der anderen durch den Kanal upgeloadeten Videos.

Der Name Via Claudia Augusta ist tatsächlich antiken Ursprungs. Dagegen ist die Bezeichnung „Via Julia“, die bisweilen für die an den Holzhausener Keltenschanzen vorbeiführenden Römerstraße verwendet wird, eine neuzeitliche Erfindung. Die Streckenführung der „Via Julia“ orientiert sich zwar an der Trasse der alten Römerstraße, soll aber fahrradtauglich sein und weicht deshalb manchmal empfindlich von der Römerstraße ab. Zur Via Claudia Augusta gibt es ebenfalls einen Radweg, wegen des antiken Ursprungs des Namens kann man sauberer zwischen der antiken Via Claudia Augusta und dem Via-Claudia-Augusta-Radweg trennen.

Geht man nach der Anzahl der Tourberichte auf Youtube, ist der Via-Claudia-Augusta-Radweg für die Radler wesentlich interessanter als die Via Julia. Ich will hier als Beispiel auf den Teil 1 der Tour von Rainer Dornburg aus dem Jahr 2015 verweisen. Ich habe mir sämtliche Teile angesehen. Die Römer kommen zwar ganz klar zu kurz, aber die Videos sind sehr gut und interessant gemacht. Irgendwie kommt auch trotz Rainer Dornburgs Schnellweiterkommenwollens manchmal etwas von dem rüber, was diese Reise immer ausmachte, und in dem verlinkten Via-Claudia-Augusta-Video mit seinen Landschaftspanoramen fehlte.

Man vergleiche jetzt mal das verlinkte Einzelvideo und den Kanal von Rainer Dornburg mit dem Einzelvideo und dem Kanal von Via Claudia Augusta Transnational hinsichtlich Aufrufen, Abonnenten und Likes. Die Gesamtzahl der Aufrufe des Youtube-Kanals von Rainer Dornburg liegen um zwei Größenordnungen über den Aufrufen des Kanals von Via Claudia Augusta Transnational. Ich will jetzt weder nachrecherchieren noch groß herumspekulieren. Vielleicht kommen die Zahlen von Via Claudia Augusta Transnational so zustande, daß sie ihr Filmmaterial schon gut in Fernsehsendungen unterbringen konnten und den kostenträchtigen Aufwand im Netz für ein paar hundert zusätzliche Aufrufe scheuten.

Jedenfalls glaube ich, daß viele Kultureinrichtungen trotz angeflanschten Netzaktivitäten bei den Möglichkeiten etwas via dem Netz durchzudrücken eher Via Claudia Augusta Transnational als Rainer Dornburg gleichen. Ich glaube, die haben häufig keine Ahnung von den starken Akteuren im Netz, vermutlich haben sie auch keine Leute, um die eigenen Zahlen und die Zahlen jener Akteure, die gerade einen guten Lauf haben, bewerten zu können. Professionell wäre es vielleicht gewesen, in so einer Konstellation jemand wie Rainer Dornburg im Vorfeld zu identifizieren und hinsichtlich seiner 2015er-Tour dahingehend zu überzeugen, daß er ab und zu lokale Experten trifft, die ihm noch sichtbare Teile der Via Claudia Augusta oder interessante Funde in örtlichen Museen zeigen. Wie gesagt, ich halte die Videos von Rainer Dornburg für sehr gut und interessant gemacht und er hätte solche Experten-Einbindungen in seine Videos sicher auch sehr gut hingekriegt.

Wem jetzt ganz allgemein der Sinn nach einer Auswahl von Videos oder Hörbarem steht, für den ist Hiltibold aus Graz immer eine gute Adresse. Ich möchte heute aber besonders auf seine Interview- und Gastbeiträge-Rubrik raus. Hiltibolds Interviews sind generell von bleibendem Wert, sie illustrieren einem noch ferner Zukunft die heutigen Sichtweisen wichtiger Personen zu einem bestimmten Thema.

„Ohne 'Raubgräber' keine Sensationen? - Ein Interview mit dem Denkmalpfleger Harald Meller“ - ich hatte den Hinweis auf Harald Mellers Buch „Die Himmelsscheibe von Nebra: Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas“ und dessen ungewöhnlich umfangreiche Besprechung durch Florian Freistätter gerade in meinen letzten „Gemischten Links“ . Ging es bei Florian Freistätter mehr um die Bronzezeit, sind in Hiltibolds Interview das Schatzregal, Sondengänger, der Begriff „Raubgräber“, das „Entsammeln“ überquellender Depots und die konträre Sichtweise von Raimund Karl die Themen (ich hatte Links zur Sichtweise von Raimund Karl 2016 unter dem Titel „Der Schutt muß weg“ im Blog). Auf das Hiltibold-Interview mit Harald Meller antwortete Raimund Karl zwei Wochen später mit dem Gastbeitrag „Archäologische Wissenschaft, Denkmalpflege oder G’schichtldruckerei? Reaktion auf ein Interview mit Harald Meller“ .