Sant’Angelo Muxaro liegt im Hinterland von Agrigent, nicht weit von unserer letztjährigen Unterkunft bei Raffadali entfernt.
Die Geschichte der archäologischen Sehenswürdigkeiten von Sant’Angelo Muxaro reicht in die Jahrhunderte vor der griechischen Kolonisation zurück. Im Vergleich zu den späteren Auseinandersetzungen zwischen Griechen, Karthagern und Römern auf Sizilien muß es ebenfalls bewegt zugegangen sein - die Wikipedia nennt als ursprüngliche Bevölkerung die Sikaner, die von eingewanderten Sikelern im Osten und den Elymern im Nordwesten zurückgedrängt wurden. Während aber vieles von den geschichtlichen Ereignissen unter Beteiligung der Griechen überliefert ist, gibt es zu den vorherigen Kulturen anscheinend nur archäologische Funde und Mythisches.
Sant’Angelo Muxaro ist dafür ein gutes Beispiel. Hier wird der Hauptort der Sikanen Kamikos vermutet. Es trifft sich Mythisches mit beeindruckenden archäologischen Funden: Der Kreta entflohene Dädalos (bzw. Daidalos) soll in Kamikos für den Sikanerkönig Kokalos eine Festungsanlage errichtet haben. Der kretische König Minos sei bei Eraclea Minoa auf Sizilien gelandet und habe den Flüchtling bis zum Hofe von Kokalos verfolgt, wo er die Auslieferung Dädalos verlangte und in der Folge ermordet wurde.
Was gibt es vor Ort zu sehen? Für mich war schon Sant’Angelo Muxaro selbst ein Rätsel - wie konnte dieses Städtchen in Berglage in Zeiten ohne moderne Wasserversorgung und Verkehrsmittel funktionieren? Das erste Bild in der ersten Serie ist von der Straße aus Richtung Raffadali aufgenommen, da sind noch Häuser im Vordergrund dazwischen, die Straße geht erst wieder hinunter und dann in Serpentinen nach Sant’Angelo Muxaro hinauf.
An archäologischen Sehenswürdigkeiten von Sant’Angelo Muxaro nennt die Wikipedia zwei Typen von Negropolen: „einem ersten Typ aus dem 11. - 9. Jahrhundert v. Chr., dort wurden Bronzemesser und Bronzedolche und Tongefäße gefunden“ und „einem zweiten Typ aus der Zeit zwischen 9. und 5. Jahrhundert vor Christus mit großen Kuppelgräbern (bis 9 m Durchmesser), der bedeutendste Fund aus diesen Gräbern ist eine Goldschale mit einem Relief einer Prozession von Stieren im Kreis.“
Die Goldschale und zwei Goldringe, die mich noch mehr beeindruckt haben, sind als Repliken im Archäologischen Museum von Agrigent zu besichtigen. Die Goldschale ist zur Vorlage für ein Wahrzeichen von Sant’Angelo Muxaro an der Straße unterhalb des Ortes geworden (zweites Bild, siehe auch das Bild in der Wikipedia).
Die beiden Typen von Negropolen können an dem im dritten Bild zu sehenden Abhang besichtigt werden. Zu den meisten Gräber geht über den Weg, der von der Straße Sant’Angelo Muxaro hoch abzweigt und in das Tal hineinführt. Im Fall des größten Grabes („Tomba del Principe“, „Grab des Fürsten“) muß man die Serpentinen bis zur letzten 180°-Kehre vor Sant’Angelo Muxaro hoch. Man kann die Straße im dritten Bild anhand der Lichtmasten etwas nachvollziehen. Zum Grabeingang geht es dann einen kurzen Pfad den Abhang herunter, auf dem dritten Bild ist der Eingang als schwarzes Viereck zu erkennen.
Die zweite Bilderserie in diesem Blog-Eintrag ist von diesem „Tomba del Principe“. Die dritte und vierte Bildserie zeigt unten am abzweigenden Weg in das Tal hinaus liegende Gräber. In der dritten Bildserie weitere, kleinere Beispiele des Kuppelgrabtyps. Diese Gräber haben unterschiedliche Größen, manche der Kuppelgräber wurden später als Unterkunft oder Viehstall benutzt. Beim älteren Negropolentyp in der vierten Bildserie sind die Gräber hingegen gleichartig groß und in Reihen angebracht. Dort gibt es am Geländer bis ins Detail gehende Beschriftungen, leider nur auf Italienisch.
Der Wikipedia-Artikel zu Sant’Angelo Muxaro läßt zur Zeit des Blog-Eintrags noch eine besondere Sehenswürdigkeit aus, das ist die „Grotta di Sant Angelo Muxaro“, die sich unterhalb des Weges in das Tal hinein befindet. Im dritten Bild ist der Eingang zu erkennen, man vergleiche dazu das erste Bild in der fünften Bildserie. Wenn die Grotte schon in sikanischen Zeiten in ähnlicher Größe existierte, dann läge ja auch die Idee eines bedeutenden Kultortes nahe, der die in den Fels gehauenen Gräber nach sich gezogen hatte. Die Wikipedia-Argumentation im Kamikos-Artikel, daß aus der Nekropole auf eine bedeutende Ansiedlung geschlossen werden kann, wäre im Falle eines Kultortes nicht mehr plausibel.
Die fünfte Bildserie ist von der Höhle. An der Stelle, wo wir das dritte Bild dieser Serie aufgenommen haben, ist mir zum ersten Mal der Gedanke gekommen, daß man als Blogger zu archäologischen Themen eine Taschenlampe mit auf die Tour nehmen sollte. Das ist mir dann oben im Kuppelgrab wieder bewußt geworden - dort konnten wir nur via Kamerablitz in die zweite Kammer hineinsehen. Bei der Höhlen-Frage wurde uns aber von einem Fremdenführer geholfen, der oben auf dem Weg auf seine Gruppe wartete. Ihn haben wir so verstanden, daß man in der Höhle unter ganz Sant’Angelo Muxaro durchkommen würde.
Der Führer hat uns auf meine weitergereichte Frage von Kamikos erzählt, was wir nicht mehr verstanden haben, und uns angeboten uns mit seiner Gruppe wieder hinunter zur Höhle zu nehmen. Wir hatten einige solcher Erlebnisse und fanden die Sizilianer sehr nett. Ob der alte Mann mir allein seine Kaninchen gezeigt hätte, bin ich mir aber nicht so sicher. Ob da nicht die auf dem Weg zum Auto hinterherlaufende Blondine den Ausschlag gab? Er hat uns gefragt, woher wir kommen, dann haben wir Duisburg und etwas von der Schwierigkeit Arbeit zu finden verstanden. Vermutlich ist ein Familienmitglied in Duisburg gelandet. So Gastarbeiterschicksalen sind wir allenthalben begegnet, unser Sommerhaus hatten wir ja letztlich auch so einer Geschichte zu verdanken.
Wenn man nach Sant’Angelo Muxaro googelt, macht es touristisch ein ganz rührigen Eindruck. Anscheinend verfügt der kleine Ort über die Möglichkeit ganze Touristengruppen unterzubringen. Nach unserem Baedecker-Reiseführer hat der „engagierte Bürgermeister die alten Maultierpfade auf den Monte Castello als Wanderwege ausbauen lassen“, und es würden auch Höhlenexkursionen organisiert. Von unseren Standorten unten - gegenüber den Parkplätzen im zweiten Bild befindet sich eine kleine Anlage - und oben beim Tomba del Principe - konnten wir keine Hinweistafel o.ä. Informationen über die touristischen Angebote (Gastronomie, Unterkunft, Tourenangebote) finden. Mehrsprachige Hinweistafeln wären schon mal nicht schlecht, um die Angebote zu vernetzen, und die Übersetzungen der Hinweistafeln könnte man dann gleich noch in das Internet einstellen.
Idealerweise hätte ich auch gern die archäologischen italienischen Texte übersetzt im Internet. Speziell zu den archäologischen Funden von Sant’Angelo Muxaro ist mir leider kein Link mit tiefergehenden Informationen aufgefallen. Allgemein zum Vorgang der griechischen Kolonisation in Sizilien finde ich den Artikel Die Scherbensammler von Gela von Michael Zick in Bild der Wissenschaft 7/2005 sehr lesenswert. Der im Artikel angegebene weiterführende Link zur Uni Bochum funktioniert nicht mehr, probieren Sie stattdessen den zur Webseite Gela-Survey der Uni Göttingen.
Mittwoch, 18. August 2010
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