Freitag, 25. Mai 2012

Familienausflug nach Neuenbürg

Neuenbürg dürfte überregional als ehemaliger Keltenort nicht so bekannt sein. Vermutlich führen in Baden-Württemberg mit weitem Abstand die Heuneburg und Hochdorf. Dieser große Abstand ist in mehreren Fällen ungerechtfertigt. Mir hängt da das Oppidum Heidengraben mit der besonderen landschaftlichen Lage im Kopf herum. Wie kommt man auf sowas, wie wurde das organisiert? Wer mal in der Nähe auf der A 8 vorbeifährt sollte sich den Ausflug auf das Plateau gönnen. Aber auch der wunderschöne Ipf ist im Hintertreffen - fehlt dort nur der Sensationsfund, oder war er wirklich als Fürstensitz gegenüber Hochdorf/Asperg und Heuneburg nachrangig?

Die Enz in Neuenbürg

Allein mit dem, was ich so aus der Ferne mitbekommen habe, könnte ich diese Liste noch zwei Abschnitte fortsetzen. Vielleicht hilft das breite Programm des Keltenjahrs 2012 Baden-Württemberg nicht nur als Ort von ein paar Sensationsfunden sondern in Gänze als ehemaliges Keltenland zu sehen. Das etwa 35 km Luftline vom enzabwärts gelegenen Hochdorf entfernte Neuenbürg wäre auch so ein Ort, der mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Nach dem von Dr. Günther Wieland am letzten Sonntag ausgelegten Flyer wurde der Beginn der Eisenproduktion in Neuenbürg auf das 7./6. Jahrhundert v.Chr. datiert. Das sei der „bislang älteste sichere Nachweis nördlich der Alpen“. Auf dem Neuenbürger Schlossberg wurden nach dem Flyer Sensenblätter, Meißel, Armringe, Hakenschlüssel und ein Amboss aus Eisen gefunden, um Neuenbürg herum 41 Verhüttungsplätze entdeckt.

Das Schloss oberhalb der Altstadt von Neuenbürg

Im Programm des Keltenjahrs ist Neunbürg mit drei Terminen vertreten. Am letzten Sonntag sollte es auf dem Schlossberg um das Eisen schmieden vor 2500 Jahren und die Arbeitsabläufe vom ersten Finden des Erzes über die Produktion bis hin zum Verhandeln gehen. Am 8. Juli und am 7. Oktober wird am Verhüttungsplatz beim Besucherbergwerk „Frischglück“ die keltische Eisenverhüttung in einem originalgetreu nachgebauten Rennfeuerofen vorgeführt werden.

Maimarkt in Neuenbürg

Ganz am Ende des Eintrags zur Keltenschanze Kreuzpullach hatte ich darauf getippt, daß die renovierte Infotafel aus der Zeit um 1988 stammt. Damals war das Informationsumfeld komplett anders, man denke an die heimischen Lexika, die oft veraltet und nicht sehr umfangreich waren. Wie bringt man das Informationsangebot bei der Keltenschanze Kreuzpullach auf den heutigen Stand? Die Augmented Reality dürfte ein Schritt zu weit sein. Machbar wäre etwas in Richtung auf einen schnellen Schritt zu den vielen Informationen, die im Hintergrund gesammelt wurden und die man nur vernetzen und zugänglich machen müßte. Also dorthin ein Einsprungspunkt im Internet und den als QR-Code auf die Infotafel kleben.

Aufstieg auf den Schlossberg Neuenbürg

Bayern hätte schon Einträge zu den einzelnen Denkmalen im BayernViewer-denkmal, die man als Einsprungspunkte verwenden könnte. Allerdings ist der Text dort meist sehr dünn und es fehlen weiterführende Verweise, also abgesehen von den Geo-Informationen sind kaum Inhalte da. In Baden-Württemberg fehlt ein allgemein zugängliches Geo-Informationssystem wie BayernViewer-denkmal, aber die Baden-Württemberger hatten/haben speziell zu den Kelten die glänzend mit Inhalten bestückte und wissenschaftlich bis zum Auslaufen des „Schwerpunktprogramm 1171 der Deutschen Forschungsgemeinschaft“ auf dem neuesten Stand gehaltene und seit 2010 nicht mehr aktualisierte Website www.fuerstensitze.de. Ich hatte auf die Website im obigen Heuneburg-Eintrag verlinkt.

Blick vom Schlossberg hinunter nach Neuenbürg

Gut, die Website ist keine rein baden-württembergische Website und das Thema „Fürstensitze“ müßte man noch allgemein auf die Kelten umbiegen. Aber von der Grundstruktur her hätte man eine derartige auf allerneuestem wissenschaftlichem Stand gehaltene Website für ein Wechselspiel mit den Webseiten von Museen und Gemeinden vor Ort verwenden können. Oder im Falle des Keltenjahrs 2012 und irgendwelcher Keltenschanzen- und Oppida-Infotafeln in Baden-Württemberg: die wissenschaftlichen Inhalte auf www.fuerstensitze.de entsprechend ausdehnen, dazu Einsprungsseiten für die Veranstaltung, die Keltenschanze oder das Oppidum und vor Ort den QR-Code und fertig.

Schlosshof Neuenbürg

Der Schlossberg von Neuenbürg liegt als langer Geländesporn in einer Schleife der Enz. An der Spitze des Sporns das Schloss oberhalb der Altstadt von Neuenbürg, das von unten zu Fuß in etwa 15 Minuten zu erreichen ist. Hinter dem Schloss der Schlossgarten, in dem die Veranstaltung stattgefunden hat. Dahinter die Ruine des hinteren Schlosses.

Schlossgarten Neuenbürg

Wir waren etwa eine Viertelstunde nach dem offiziellen Start um 14 Uhr dort und sind etwa eine Stunde später weiter in das im Museum begehbare Märchen „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff. Wie im Bild 7 zu sehen ist, verteilten sich die Besucher auf drei Stände und es war überall einfach, Fragen zu stellen. Vielleicht wurde es später noch voller, wenn einige Besucher durch den Maimarkt unten in der Stadt hängengeblieben sind.

Patrick Geiger (links) und Frank Trommer von Trommer Archäotechnik

Links im Bild 7 war der Stand der Keltenfamilie Abnoba, dann kamen Frank Trommer, Patrick Geiger und Hund Joda von Trommer Archäotechnik, dann Dr. Günther Wieland. Mit der Keltenfamilie Abnoba habe ich das Zumailen des vorgesehenen Fotos abgesprochen. Das trage ich nach, wenn ich das Einverständnis für die Veröffentlichung bekomme. Von Frank Trommer ist es schon da. Dr. Günther Wieland wollte nicht in das Internet, sie publizieren selber.

Auslage von Trommer Archäotechnik mit Hund Joda

Das ist ja schön. Passend dazu hatte ich nicht einmal eine Fragenliste für diese tolle Gelegenheit vorbereitet. Es war erst gegen Freitag ziemlich sicher, daß wir hinfahren. Dann haben wir meinen Cousin und meinen Bruder eingesammelt. Bei solchen Großunternehmen rutscht das keltische Eisen dann in den Hintergrund. Wir hätten den Blog-Eintrag dann im Team erstellen müssen, da sind meine privaten Informationstrukturen aber noch nicht so ideal. Mein Bruder hatte schon mal Messer geschmiedet, unser Cousin war mal weg und „mußte Frank Trommer ein paar Fragen stellen“ und ich weiß nicht welche. Aber ich war ja froh, daß die beiden mit sind und habe mich beim abendlichen Grillen nicht getraut, das zum Arbeitsessen umzufunktionieren.

Hintere Schlossruine Neuenbürg

Zur Entschädigung für die Leserinnen und Leser noch ein paar Links: auf der Website des Landesdenkmalamts Baden-Württemberg gibt es neben dem obigen Flyer noch einiges andere zum herunterladen, etwa ein „Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege” oder dieses interessante pdf über den Einsatz von Flugzeug, Laser, Sonde und Spaten. Der nächste Link führt zu einem Interview. Prof. Harald Meller befragt Dr. Barbara Armbruster zum vorzeitlichen Metallhandwerk. Diese Tage ging der Hinweis auf „ORBIS: The Stanford Geospatial Network Model of the Roman World“ durch das Internet. Ich verlinke auf den diesbezüglichen Eintrag in der Geschichtsweberei mit dem Hinweis, daß man dort wie bei den beiden vorgenannten Links noch etwas herumstöbern sollte.

Samstag, 5. Mai 2012

Villa Rustica Möckenlohe

Wie schon im Eintrag zum Kastell Pfünz erwähnt, lag die bei Möckenlohe gefundene Villa Rustica in einem Gebiet mit sehr guten Böden und zahlreichen, bis in Jungsteinzeit zurückreichenden Besiedlungsspuren, in dem gleich mehrere römische Gutshöfe nachgewiesen wurden.

Villa Rustica Möckenlohe

Treibende Kraft wird zur Römerzeit das Militär gewesen sein. „Der römische Limes in Bayern“ gibt für das Kastell im ca. 2 km von der Villa Rustica Möckenlohe entfernten Nassenfels als Bauzeit die 90er Jahre des 1. Jahrhunderts an. Nach diesem Buch wurde das Kastell schon am Beginn des 2. Jahrhunderts von Pfünz abgelöst, legte aber die Grundlage für den Vicus Scuttarensium, einen wegen einer Straßenkreuzung und der für kleinere Wasserfahrzeuge zur Donau hin schiffbaren Schutter bedeutsam werdenden Zentralort.

Villa Rustica Möckenlohe

Das Hauptgebäude der Villa Rustica Möckenlohe soll in der Regierungszeit Kaiser Hadrians (117 - 138 n.Chr.) entstanden sein. Spuren eines Vorgängerbaus in Holz fanden sich nicht, Spuren größerer Umbauarbeiten auch nicht. Trotz des Repräsentationraums mit Apsis, Unterfußbodenheizung, verglasten und vergitterten Fenstern und Bruchstücken von Terra Sigillata wird der Gutshof mit heutigen Aussiedlerhöfen verglichen. Also ein eher „normaler“ Familienbetrieb. Das Wohnhaus soll mit den vorspringenden Eckräumen „zu dem am weitesten verbreiteten Bautyp der ländlichen Wohnarchitektur“ gehört haben. Der Gutshof ist mit dem Fall des Limes etwa 100 Jahre nach seinem Bau untergegangen.

Villa Rustica Möckenlohe

Daß die Villa Rustica Möckenlohe wiedererstanden und nicht nur ein roter Fleck in archäologischen Karten geblieben ist, haben wir Michael Donabauer zu verdanken. Begonnen als Projekt eines Mannes, in das, wie man vermuten darf, auch seine Familie stark miteinbezogen wurde, steht uns jetzt der Verein „Römervilla Möckenlohe“ gegenüber.

Villa Rustica Möckenlohe

Die heutige Form des Museumsbetriebs mit einem römischen Haustierpark wird aber trotzdem kaum von der Familie Donabauer zu trennen sein. So etwas geht wohl nur dann, wenn man auf dem Gelände daneben sowieso um 5 Uhr in der Frühe nach den eigenen Tieren sehen muß. Hier ein Luftbild, das die Römervilla zeigt. Wer zur Motivation für den Familienausflug noch mehr Pferde braucht: hier noch der Link zum Reiterhof Donabauer.

Villa Rustica Möckenlohe

Über die Geschichte des Wiederaufbaus der Villa gibt es einen ausführlichen Artikel von Petra Preis auf der Website des Landkreises Eichstätt. Es wird sogar einen Film über den „Untergang und Wiederaufbau der Römervilla in Möckenlohe“ geben. Die Filmpremiere findet am 04./05. August 2012 beim jährlichen Römischen Erntefest an der Villa Rustica in Möckenlohe statt.

Villa Rustica Möckenlohe

Wegen der zahlreichen interessanten Details sollte man schon mindestens eine Stunde einplanen. Und wegen den vielen Fragen, die einem dann einfallen können, ist die telefonisch vorab zu vereinbarende Führung sicher ein ganz interessantes Angebot.

Villa Rustica Möckenlohe

Für die Verankerung im Kopf - so kommt es mir jedenfalls vor - ist eine Darstellungsform im Zusammenhang wie bei der Römervilla Möckenlohe unschlagbar. Also vielleicht sich zuerst in Möckenlohe ansehen, was so alles dazugehörte, und dann mit einem anderen Blick konservierte Reste wie die der Villa Rustica in Karlsruhe-Durlach und der Villa Rustica Leutstetten besuchen.

Villa Rustica Möckenlohe

Hinsichtlich den Fotos bedanke ich mich bei Frau Donabauer für die Erlaubnis die auf dem Gelände der Villa gemachten Bilder in das Internet einstellen zu dürfen! Ich denke man darf generell beides, also fotografieren und einstellen, aber man kann ja noch mal nachfragen. Die Fotos sind nur als Appetithappen für die Website des Vereins „Römervilla Möckenlohe“ zu sehen, die ist viel besser bestückt und hat auch noch erläuternde Texte dazu.

Villa Rustica Möckenlohe

Abschließend noch zwei Hinweise. Zum einen auf das erste Augsburger Römerfest, das morgen und übermorgen auf dem großen Parkplatzareal hinter dem Römischen Museum stattfindet. Wer es weniger pazifistisch als in Möckenlohe mag: dort sollen nach dem verlinkten Text auch Katapultschießen und Gladiatorenkämpfe geboten werden. Passend dazu gibt es ein Buch und Buchrezension: „Die römische Armee im Experiment“.

Villa Rustica Möckenlohe

Der zweite Hinweis führt in die ganz andere Ecke der Brettspieleforscher. Spiegel Online berichtete über deren Konferenz in Haar bei München. Weitere Informationen finden sich auf der leider nicht so aktuell gehaltenen Website der Spieleforscher.