Freitag, 28. Februar 2014

Steinzeit-Häuslebauer gesucht!

Im Mai letzten Jahres waren wir wieder auf dem Gelände des Herxheimer Bandkeramiker-Kultplatzes. Der Kannibalismus, der dort möglicherweise in der Jungsteinzeit stattfand, hat die Herxheimer Ausgrabungen sogar international groß in die Medien gebracht. Näheres zum Sachverhalt kann via dem verlinkten Blogeintrag nachgelesen werden. Oder man kann sich schon einmal damit beschäftigen, die Lage des Kultplatzes auf einer Karte zu suchen und nebenbei den vor ein paar Tagen erschienenen Podcast #18 von Mirko Gutjahr „Herxheim – Nagende Ungewissheit“ anhören.

Im Blogeintrag zum Kultplatz sind auch schon die Informationen über eine ausstehende Publikation und über eine von der Gemeinde Herxheim angedachte Hausrekonstruktion wiedergegeben, die wir damals im Herxheimer Museum vom Museumsleiter Dr. Alexander Gramsch und seiner Mitarbeiterin an der Kasse bekommen haben.

Zu beiden Punkten gibt es Neues: Von Dr. Gramsch werden Steinzeit-Häuslebauer gesucht. Nach dem Vorbild der linearbandkeramischen Langhäuser soll ab 15. September 2014 ein 15m langes Haus auf dem Gelände der Landesgartenschau Landau entstehen. Die Landesgartenschau dauert vom 17. April – 18. Oktober 2015 und nach ihrem Ende soll das Haus zerlegt und am Ortseingang von Herxheim aufgestellt werden.

Die neue Publikation unter dem Titel „Menschenopfer - Zerstörungsrituale mit Kannibalismus - Schädelkult. Der jungsteinzeitliche Ritualplatz von Herxheim“ gibt es schon viel eher. Die Publikation soll am 9. März präsentiert werden, dem Tag der Herxheimer Archäologie 2014. Dr. Andrea Zeeb-Lanz will bei der Präsentation von den Grabungen in Herxheim und dem internationalen Forschungsprojekt erzählen, auf dessen Grundlage das neue Buch entstanden ist.

Landau liegt ein kleines Stück nordwestlich von Herxheim. Östlich von Herxheim liegt das aktuell durch den „Barbarenschatz von Rülzheim“ bekannt gewordene Rülzheim. Südöstlich von Herxheim und südlich von Rülzheim liegt Rheinzabern, das römische Tabernae. Wir hatten dessen Terra-Sigillata-Museum 2010 besucht, bevor wir nach Herxheim weitergefahren sind. Rheinzabern/Tabernae lag an der Römischen Rheintalstraße, die von Straßburg kommend über Rheinzabern nach Norden in Richtung Rülzheim und dann weiter nach Speyer und Mainz führte. Zum „Barbarenschatz von Rülzheim“ wird angegeben, er sei neben einer alten Römerstraße im Wald entdeckt worden. Damit muß aber nicht unbedingt die Rheintalstraße gemeint sein, es wird auch Nebenstrecken bspw. in Richtung Herxheim gegeben haben, siehe der im dritten Herxheim-Teil erwähnte römische Glaskrug aus einem Brandgrab im Herxheimer Gewerbegebiet West.

Östlich von Rheinzabern liegt Neupotz, das durch den Hortfund von Neupotz bekannt wurde. Dieser Fund wird als Beutegut interpretiert, das bei der Rheinüberquerung verloren gegangen ist. Möglicherweise durch die Einwirkung römischer Patroullienboote. Ich weiß nicht, welchen Einfluß diese Spekulation auf die heutige Stationierung des Patroullienbootnachbaus Lusoria Rhenana bei Neupotz hatte.

Samstag, 8. Februar 2014

„Ötzi 2.0“ in der Archäologischen Staatssammlung

Seit gestern ist in der Münchner Archäologischen Staatssammlung die Ausstellung „Ötzi 2.0 - Neues von der Eismumie“ zu sehen.

„2.0“ oder „3.0“ zeigen als Versionsnummern eine größere Veränderung gegenüber den Vorgängerversionen an als „1.9“ oder „2.9“. Man erwartet da vielleicht schon einen Generationswechsel, was immer das dann für die Produkte bedeuten mag. Speziell die Versionsnummer „2.0“ hat durch das Schlagwort „Web 2.0“ eine große Verbreitung gefunden. Beim Web 2.0 ging das in Richtung „Mitmachweb“, veränderte Nutzung und Wahrnehmung des Internets, das war verglichen mit den sanften Generationswechseln mehr ein Paradigmenwechsel.

Bei der Ausstellung in der Archäologischen Staatssammlung darf man zwar mitmachen - man darf auf „interaktiven Modulen“ herumdrücken und einige Mikroskope stehen für eigene Untersuchungen bereit. Aber die Ergebnisse fließen natürlich nicht in die Ötzi-Forschung ein. Die „2.0“ drückt auch keinen Paradigmenwechsel aus, sondern mehr die aktuelle Generation des Wissens, das man in den zurückliegenden Jahren gewonnen hat. Die „2.0“ ist also mehr die normale Versionsnummer, deren technische Anmutung hat man gerne für die Ausstellung übernommen hat: wie schon in der Karfunkelstein- und Seide-Ausstellung vorgezeichnet, soll die Verbindung von Archäologie und Naturwissenschaften deutlich werden. Zudem gibt die Versionsnummer der Hoffnung Ausdruck, daß es weitere sensationelle Erkenntnisse und mithin irgendwann auch einen Ötzi 3.0 und einen Ötzi 4.0 geben wird.

Mit diesen Erklärungen für „Ötzi 2.0“ kommt man in der Ausstellung fast schon hin. Zu ergänzen wäre noch, daß die Münchner Ausstellung vom Südtiroler Archäologiemuseum Bozen konzipiert wurde (andere gehörte Formulierung: „kompakte Form dessen, was es in Bozen zu sehen gibt“) und daß es in Bozen zum 20. Jahrestag des Ötzifundes 2011 eine „Ötzi20“-Ausstellung gab und daß das in München verkaufte „Ötzi 2.0“-Buch von 2011 ist und von der Bozener Museumschefin Dr. Angelika Fleckinger herausgegeben wurde. Da habe ich das Nachsuchen zur Historie abgebrochen, wie die 20 mit der 2.0 zusammenhängt ist mir unbekannt geblieben.

Bozen ist der aktuelle Aufbewahrungsort von Ötzi. Die Geokoordinaten der Fundstelle von Ötzi und die Diskussionen um die Zuordnung zu Südtirol oder Österreich kann man dem Wikipedia-Artikel zu Ötzi entnehmen. Die Fundstelle ist von München aus nicht so aus der Welt. Nur mit Karte und ohne tiefere Ahnung meinerseits gesagt, wäre die Strecke für einen Ötzi auf vorhandenen Jungsteinzeitpfaden gut machbar gewesen. In das Karwendelgebirge geht es ja außerhalb der Winterzeit noch einfach, das habe ich mal in „Alpine Contrasts“ geschrieben. Von dort rüber in das Inntal und vom Inntal in das Ötztal und dann hoch zum Fundort.

Wie die Situation da oben so in etwa ausgesehen hat, also wo vielleicht die damaligen Verbindungen über die Wasserscheide verliefen und wo Ötzi in das 5000jährige Eis geraten ist, dazu hat mir im Nachhinein ein klassisches Modell gefehlt. Wäre ja nicht schlecht zu sehen, wo und wie sich der Bogenschütze anschleichen konnte, wenn Ötzi tatsächlich da oben durch einen Pfeilschuß getötet wurde. Ansonsten wird in der Ausstellung der Ötzi-Fund aber wie es zu erwarten ist in sehr sehr vielen Facetten ausgeleuchtet. Die Umstände des Fundes, die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Fund, die Abfolge der Erkenntnisse in der Ötzi-Forschung, die orginalgetreu rekonstruierten Ausrüstungsgegenstände Ötzis, die zeitliche Einsortierung Ötzis lange nach den ersten Bauern in Mitteleuropa und vor den großen Pyramiden, das Klima, die Lebensumstände. Man kann in einem interaktiven Modul sehen, wie die einzelnen Kleidungsstücke getragen wurden. Man kann an einer Station Fell und mitgenommene Pilzarten anfassen und das unterschiedliche Gewicht und die unterschiedliche Beschaffenheit der verwendeten Holzarten feststellen. Überhaupt ist die Ausstellung sehr auf dieses Erfahren von Wissenschaft ausgerichtet. In einem vom Hauptraum abgetrennten Bereich sind die genannten Mikroskope aufgebaut und man kann sich dem Erforschen verschiedener Getreidearten, den unterschiedlichen Spuren an Zähnen oder der Untersuchung gebrochener Knochen widmen.

Der große Hauptraum der Ausstellung ist in ein Rechteck und ein an zwei der Rechteckseiten anliegendes größeres L geteilt. Diese beiden Teile sind ziemlich dunkel gehalten. Die meisten Austellungsmodule sind selbstleuchtend, also Schrift auf einer leuchtenden Fläche oder Auswahlfeld hintergrundbeleuchtet und angezeigte Kleidung ebenfalls hintergrundbeleuchtet. In dem Rechteck ist die gegenüber dem Eingang liegende Langseite mit solchen Modulen bestückt, so daß man beim Hineingehen auf ein paar helle Module zuläuft, was mit etwas Deko am Eingang an einen Gletscher denken lassen soll. Wurde mir hinterher gesagt, ich habe irgendwie nur die Module fixiert und das nicht gemerkt. In der Mitte dieses Rechtecks ist im Dunkeln eine Ötzi-Replik aufgebahrt. An der anderen Langseite ein einsamer waagrecht angebrachter Zeitstrahl - wohl in dem Fall ein Horizontal- oder Längsmodul. Der Zeitstrahl reagiert segmentweise mit seiner Beleuchtung auf Annäherung - vielleicht hätte der Zeitstrahl wegen dem dunklen Ötzi davor und den Modulen gegenüber permanent heller leuchten müssen. Etwas komisch fand ich die Aufstellung von zwei interaktiven Modulen im Übergang vom Rechteck in den L-Teil. Passend damit ich etwas zum Anschwärzen sehe, wollte vor mir ein von Dunkelheit umgebener Rollstuhlfahrer durchgeschoben werden, während vor den beiden hellen Modulen jeweils Leute standen. In beiden Raumteilen hätte es noch genug Platz an dunklen Wänden gegeben.

Verständlicherweise - man braucht ja noch das Forschungsmaterial für Ötzi 3.0 und 4.0 - ist von der Ötzi-Ausrüstung in der Ausstellung fast nichts im Orginal zu sehen. Nur ein Ahornblatt tief unter Glas, das Ötzi für das Einwickeln von Glut verwendet hat. Und „eine Life-webcam ist direkt mit der Kühlkammer“ des originalen Ötzi „in Bozen verbunden“. Ich habe nichts erkennen können, was ich aber auch nicht schlimm gefunden habe.

Ötzi-Fans müssen natürlich in die Ausstellung, wenn sie nicht lieber gleich nach Bozen fahren. Die Münchner Ausstellung ist nicht als Ersatz, sondern als Werbung für das Südtiroler Archäologische Museum gedacht. Leute mit Forscherdrang dürfen sich an mehreren Stationen endlich einmal selbst mit der Altersbestimmung aus Schädeln und ähnlichem beschäftigen. Eltern mit entsprechend interessierten Kindern sollten Zeit einplanen. Vielleicht wären da auch die angebotenen „Workshops für Erwachsene und Kinder“ eine nette Idee. Außer wegen den Veranstaltungen zur Ötzi-Ausstellung empfiehlt sich auch wegen der Möglichkeit einer Kombination mit der kommenden Sonderausstellung „Die Mumie aus der Inkazeit“ ein Blick auf die Museumswebsite. Diese Ausstellung soll ab 28. Februar in der Archäologischen Staatssammlung starten und dann wie die Ötzi-Ausstellung bis zum 31. August dauern.