Überraschend schnell nach meinen Links auf Medienberichte von der gerade eröffneten Ausstellung „Das Königreich der Vandalen“ bin ich selbst im Karlsruher Landesmuseum gelandet. Aber wenn man Zeit hat, nur einen Kilometer entfernt ist und das Ausstellungsthema zum Zeitspringer-Blog passt, dann muß das Baby ja damit gefüttert werden.
Auf den in den Links auf Medienberichte erwähnten Artikel „Karthago ist lieblich und süss“ von Roman Hollenstein in der NZZ Online will ich hier nochmals hinweisen. Der ist eine gute Einführung in die geschichtlichen Hintergründe, die Fundsituation und die Ausstellungskonzeption. Die Ausstellung schlägt wie dort beschrieben einen Bogen von den vermutlichen Ursprüngen der Vandalen in der Przeworsk-Kultur im südöstlichen Polen bis zu ihrem Ende durch ein oströmisches Heer.
Räumlich kann man sich das im Karlsruher Schloss etwa so vorstellen: die Ausstellung befindet sich wie die seinerzeit hier besprochene Ausstellung „Zeit der Helden. Die 'dunklen Jahrhunderte' Griechenlands 1200 - 700 v. Chr“ in der Osthälfte des Erdgeschosses. Der Ein- und Ausgang der Ausstellung befindet sich im Mittelteil des Schlosses. Das Karlsruher Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg „entkernt“ und ohne die Restaurierung der früheren Räume und ohne deren Raumtrennung im Innern wieder aufgebaut, d.h. die Ausstellung ist nur durch die Ausstellungsaufbauten gegliedert durchgängig vom Eingang bis zur Spitze des Ostflügels begehbar. Erst die Flügelspitze ist durch zwei Türen vom Ausstellungsraum abgetrennt. Dort ist ein Bastelraum für Kinder für ein museumspädagogisches Begleitprogramm eingerichtet.
Die räumlichen Gegebenheiten werden genutzt, um die Vandalen in ihrer zeitlichen Entwicklung fortlaufend vom Eingang bis zur Spitze des Ostflügels darzustellen. Rechts von der Eingangstür beginnt die Ausstellung mit den vermuteten Ursprüngen der Vandalen in der Przeworsk-Kultur, es geht dann weiter mit der Überquerung des Rheins, den Ausseinandersetzungen mit anderen germanischen Stämmen in Spanien bis hin zum Übergang nach Nordafrika. Gegenüber an der linken Wand begleitende römische Kulturzeugnisse, darunter das die Zeit veranschaulichende Elfenbein-Dyptichon mit dem römischen Heermeister Stilicho, der Sohn eines Vandalen und einer Römerin war.
Der Zeitabschnitt nach der Machtübernahme in Nordafrika hinterläßt den Eindruck, als sei dort alles weitergegangen wie bisher. Nach Aussage der Ausstellung gab es in Nordafrika die höchste Dichte an Städten im römischen Reich, mit einer provinzialrömischen Bevölkerung von zwei Millionen gegenüber vielleicht 80- oder 100000 Vandalen. So wie ich diesen Abschnitt der Ausstellung verstanden habe, wurden von den Vandalen die Landbesitzer enteignet, das Land an die Vandalen verteilt und eine vandalische Machtstruktur über die erhalten gebliebenen Selbstverwaltungsstrukturen der Städte gelegt.
Großen Raum nimmt das frühe Christentum in Nordafrika in der Ausstellung ein. Es gab vor den Vandalen widerstrebende christliche Richtungen in Nordafrika, von denen die orthodox-katholische dominant war. Die Vandalen bekannten sich zum arianischen Christentum und betrieben eine intolerante Glaubenspolitik gegen alle anderen christlichen Richtungen. Der erste glaubenstolerante Vandalenherrscher wurde nach wenigen Jahren gestürzt, sein Nachfolger unterlag bald darauf einem relativ kleinen oströmischen Invansionsheer.
In der Folge förderten die Oströmer massiv die Restauration und Erweiterung des orthodox-katholischen Kirchenbesitzes, was zahlreiche Kirchenbauten zur Folge hatte und etwa 150 Jahre später durch die arabische Eroberung beendet wurde. Die arabische Eroberung wird in Karlsruhe an der Wand zum oben erwähnten Bastelraum an der Spitze des Ostflügels dargestellt und bildet den Abschluß der Ausstellung.
Wegen unseren Problemen mit der Ausstellung am selben Ort zur letzten Jahreswende: das war hauptsächlich zum einen die Beleuchtung, zum anderen die Koppelung der Helden Homers an die „dunklen Jahrhunderte“, diese Koppelung kann ich heute immer noch nicht nachvollziehen. Die Beleuchtung ist dieses Mal bei der Vandalen-Austellung sehr gut und an der Logik der Ausstellungsdramaturgie ist auch nichts auszusetzen.
Als möglicher überspitzer Hauptkritikpunkt an der Ausstellung könnte ich mir eine Argumentation in Richtung auf „Des Kaisers neue Kleider“ vorstellen. Also die Frage, wieviel von den Vandalen eigentlich in der Ausstellung zu sehen ist. Tatsächlich scheint schon die Fundlage bei der Przeworsk-Kultur nicht so berauschend zu sein. In Nordafrika ist offenbar die provinzialrömische Produktion ohne kulturellen Umbruch weitergegangen und selbst der Glaubensstreit mit ihren Untertanen offenbarte sich laut Ausstellung „nicht in Kirchenarchitektur und Bildzeugnissen“.
Letztlich wird die Ausstellung damit zwar immer noch ihrem Thema gerecht, das relativ ungestörte Weiterführen der spätantiken römischen Kultur ist ja auch schon eine bemerkenswerte Aussage über das Königreich der Vandalen. Für die Bewertung der Ausstellung muß man aber vermutlich das Augenmerk mehr auf die von der Ausstellungskonzeption dargestellten Zusammenhänge richten. Dann liefert die Ausstellung sehr reichhaltige Einblicke in die Spätantike und ist vielseitig anregend.
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