Montag, 30. Januar 2012
Zu meiner Blogsoftware
Unter dem Titel „Ungleiches Rennen“ geht es um die Konkurrenz der Browser, und in dem Editorial wird ein systematisches Aussperren des Opera-Browsers von neuen Google-Diensten behauptet. Ich habe mich beim Lesen nicht so betroffen gefühlt, ich verwende mit blogger.com zwar einen Google-Dienst zum Bloggen, aber dazu keinen Opera-Browser. Heiß wurde es mir erst durch den Vorfall vorletzte Woche - zum Lesen des Blogs sollte man nicht unbedingt einen Google-genehmen Browser benötigen.
Ich hoffe, daß mein Problemchen ein kleiner Warnschuß bleibt und kein Vorspiel für ein permanentes großes Browser-Problem ist. Ich will aber trotzdem die Gelegenheit nutzen und etwas zur Auswahl meiner Blogsoftware schreiben. Das war kein Ergebnis sorgsamer Evaluation. Eigentlich wäre etwas Größeres notwendig gewesen, als Blogger.com zu bieten hatte (wenn es ganz schnell ganz viele Keltenschanzen-Besuche geworden wären und ich dringend Übersichtsseiten und Übersichtskarten gebraucht hätte, oder wenn sich dauernd Gastblogger beworben hätten u.ä.). Aber für den Anfang reichte die Blogger.com-Klasse, und in der Klasse ist Blogger.com in demselben Sinne ein sehr gutes Angebot gewesen, so wie mancher von uns den Email-Dienst von Google ausgewählt. Beim Email-Dienst wäre das Argument vielleicht das besseres Angebot als die Alternativen, und die Werbung fliegt einem auch nicht so um die Ohren. Beim Blogger-Dienst war der Vorteil, daß man gleich loslegen konnte. Es gab keine Sorgen wegen dem Speicherplatz für die Bilder, der Dienst war immer erreichbar, die Blog-Einträge nie verschwunden. Ich muß mir keine Sorgen um Software-Updates machen.
Von der Mächtigkeit und den Erweiterungsmöglichkeiten her hätte ich seinerzeit Content Management Systeme (CMS) mit Blogerweiterung oben hin gesetzt, dann käme die Wordpress-Klasse auf eigenem Webspace und dann die gehosteten Systeme der Blogger.com-Klasse. Mittlerweile dürfte die ursprüngliche Blogsoftware Wordpress mit ihren Erweiterungen noch weiter in die CMS-Klasse hineingewachsen sein, als sie vor drei Jahren schon war. Zudem kommen laufend leichtgewichtigere Dienste unterhalb der Blogger.com-Klasse dazu, die sich je nach Veröffentlichungsprojekt auch eignen würden. Das Anfangen ist sehr einfach, nur die Sichtbarkeit fehlt.
Übrigens, wenn jemand loslegt und das Projekt zu meinem Themenspektrum passt, kann sie oder er mir gerne mailen und ich baue irgendwann einen Hinweis bei mir ein. Zwischenzeitlich hatte ich mal ein besseres Selbstbewußtsein, was meinen Überblick angeht. Derzeit denke ich, man kann sehr gut im Web untergehen, wenn man keine Werbung für sein Projekt macht. Bei der Suche nach „Keltenschanzen“ findet Google gerade 57.700 Ergebnisse, da braucht es schon einen Extra-Hinweis, um gesehen zu werden.
Zurück zu Blogger.com: Einen großen Denkfehler habe ich gemacht, und da muß ich dem Editorial widersprechen. Ich glaube statt diesem „Ingenieurstraum, dass sich die richtigen Ideen von alleine durchsetzen werden“ gab es schon früher einen Knick in die Richtung „Club“. Als Manko der Blogger.com-Software habe ich die fehlenden Trackback-Möglichkeiten angesehen. Trackbacks wären ganz gut um anhand der Kommentare sehen zu können, wer sich auf meine Blog-Einträge bezogen hat. Das sieht man bei mir nicht. Umgekehrt muß ich manuell versuchen, Trackbacks auf andere Blogs zu setzen, was je nach Einstellung und Blogsoftware oft nicht funktioniert. Ich war überzeugt, Google wird da über die Zeit aufschließen („Ingenieurstraum“), es tat sich aber nichts. Ich glaube in der ersten Hälfte 2010 habe ich dann Artikel im Sinne Facebook (also ein „Club“) als Bedrohung für Google gelesen, ab da habe ich das Manko im Sinne der Konkurrenz zwischen „Clubs“ interpretiert. Denn die Mehrzahl der Blogger verwendet eine andere Blogsoftware als die von Google, die Unterstützung der Vernetzung der Blogosphäre würde aus dem Google-Club herausführen.
Bei dieser Gelegenheit auch etwas zu Blog-Zugriffsstatistiken und zu Google Analytics - den Punkt fand mein bei den Kykladen in Karlsruhe erwähnter Freund interessant. Nein, ich kann nicht sehen, ob aus dem Raum Karlsruhe überhaupt Zugriffe kommen. Ich wollte Google Analytics installieren, das habe ich vor mir hergeschoben, und irgendwann hat Google seiner Blogger-Blogsoftware Zugriffsstatistiken spendiert. Die sind verglichen mit den in die Kritik geratenen Möglichkeiten von Analytics sehr rudimentär. Ich rätsele etwas bei den Zahlen herum - Gesamtzugriffe und Zugriffe auf einzelne Posts - aber ich komme derzeit einigermaßen damit hin. Wem das noch unbekannt ist, daß die da gucken wer auf ihre Website zugreift - das kommt in den besten Kreisen vor, gerade ist was vom Informationsdienst Wissenschaft über die Zugriffe auf die Archäologische Objektdatenbank Arachne durchgetickert. Je ernsthafter der Einsatz für eine Website ist, desto wichtiger sind auch die Zugriffsstatistiken (Optimierung des Angebots, Erfolgsnachweis für Geldgeber oder Werbepartner etc.), und bei dieser Software glänzt dann Google genau wie bei der Blogsoftware und dem Email-Dienst mit einem guten kostenlosen Angebot.
Ein Problem des Analytics-Einsatz ist die im verlinkten Wikipedia-Artikel erwähnte potentiell mögliche Verfolgbarkeit der Zugriffe einer bestimmten Person über verschiedene Analytics nutzende Websites hinweg, wobei die Person beim Anmelden an einen Google-Dienst auch noch genauer identifizierbar ist. Diese potentielle Möglichkeit der Datenzusammenführung wäre natürlich auch schon gegeben, wenn man auf einen von Google gehosteten Blog zugreift. Das wäre sozusagen eine Möglichkeit „von unten“, bspw. über die IP-Adresse. Die jetzt vorgesehene, hier von Martin Mißfeldt im tagSeoBlog behandelte Änderung der Google-Datenschutzbestimmungen ist etwas anderes, nämlich eine Zusammenführung der Daten „von oben“, also ausgehend von einer Anmeldung an einen Google-Dienst würden die Daten dieses Dienstes mit den weiteren genutzten Google-Diensten zusammengeführt. Diese offizielle Datenzusammenführung würde nach meinem Verständnis wesentlich weniger Daten zusammenführen als es potentiell möglich ist.
Das größere Analytics-Gedöns ist ja jetzt schon eine Zeitlang her. Damals ist mir dazu eine Menge eingefallen, u.a. meine alte Tante, die in den 90ern die Lösungen von Kreuzworträtseln in Apotheker-, Metzger-Heft und Frauenzeitschrift eingesandt und sich über unerwünschte Werbepost und -Anrufe gewundert hat. Die aktuelle Änderung der Datenschutzbestimmungen begleitet Google dagegen mit folgender Zusicherung: „Ihre persönlichen Daten werden weder von uns verkauft, noch (abgesehen von seltenen Ausnahmefällen wie wirksamen rechtlichen Anfragen) ohne Ihre Genehmigung weitergegeben.“ Die Sache ist natürlich trotzdem ziemlich heiß wegen den vielen Diensten von Google und den viel mehr in die Privatsphäre gehenden Daten, an die Google mittlerweile via Google+ und Android-Smartphones heran kommt.
Das Image der Politik ist hinsichtlich der Internetkompetenz nicht so besonders, siehe die Broschüre „Wie das Internet funktioniert“ von der Digitalen Gesellschaft. Diese Imageprobleme gehen jetzt in die zweite Generation, manche erinnern sich noch an das Modem-Monopol der Deutschen Bundespost (Geschichte des Modems in der Wikipedia). Den Druck auf unsere Politiker durch die Neuerungen von der anderen Seite des großen Teichs finde ich da ganz gut. Mit eigenen Mitteln bin ich sehr sehr skeptisch, wann wir zu so einem Stand wie jetzt gekommen wären. Wobei ich an den deutschen oder europäischen Ingenieuren nicht zweifle. Aber es gibt ja soviele Clubs, deren Interessen gewahrt bleiben müssen.
Ich freue mich also über die Dynamik, die mir unter dem Strich viel gebracht hat. Irgendwas bleibt da aber noch. Ich will mal ein wildes Szenario beschreiben: etwa die Vorstellung, daß das Programmieren irgendwann bspw. durch (ggf. triviale) Softwarepatente - siehe hier die Warnung von Richard Stallman vor dem EU-Einheitspatenten - zum Minenfeld wird. Gleichzeitig wird kontrolliert, was wir auf unseren Rechnern installieren - hier dazu Dr. Oliver Diedrich über UEFI Secure Boot. Dann könnten vielleicht ohne weitere Prüfungen und Beglaubigungen nur Programme aus sauberer Quelle zugelassen werden, also etwa von Firmen mit vielen Patenten und Patentabkommen mit anderen Firmen mit vielen Patenten. Man kann in die Artikel reinsehen und sich andere Dinge ausdenken. Aber unter dem Aspekt hätte es was, eine freie, von einer Community realisierte Blogsoftware zu verwenden, um mehr beteiligt zu sein und solche Entwicklungen immer hautnah mitzubekommen.
Freitag, 20. Januar 2012
Oppidum Finsterlohr-Burgstall
Das Keltenjahr 2012 der Baden-Württemberger sollte ich dazu nützen, endlich meine im September 2008 gemachten Bilder vom keltischen Oppidum Finsterlohr-Burgstall nachzutragen.
Das Oppidum wird meist nach den Orten Burgstall oder Finsterlohr benannt, die „Gesellschaft für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern e.V.“ nennt es im Langtext einer im Rahmen der Keltenjahr-Veranstaltungen stattfindenden Exkursion „Oppidum von Creglingen-Finsterlohr“. Immer mit dabei ist die Bezeichnung „Oppidum“, obwohl gerade das zweifelhaft ist, wenn man unter „Oppidum“ eine befestigte Keltenstadt versteht. Denn in dem durch die Wälle gesicherten Gebiet wurde bislang keine Siedlung gefunden.
Ich habe im Blog-Eintrag über den Kurzbesuch des Oppidums Heidengraben die mögliche Schutzfunktion für das Umland schon erwähnt. Außer der Bevölkerung hätten in einem so großen Oppidum auch deren Tiere unterkommen können. Finsterlohr-Burgstall bietet ähnliche Voraussetzungen wie der Heidengraben. Einerseits umfasst das Oppidum ein sehr großes Gebiet - die Gesellschaft für Archäologie gibt in ihrem Text 112 ha an - anderseits ist das Oppidum an den vielen Stellen durch stark abfallendes Gelände geschützt. An einer Längs- und einer Schmalseite durch das Taubertal, an den beiden anderen Seiten teilweise durch Bachtäler.
Das erste Bild ist im Taubertal bei Tauberscheckenbach aufgenommen. Im Hintergrund geht es die auf dem Bild gerade noch erkennbare Straße hoch zum Oppidum. Sowohl beim Verein Keltisches Oppidum Finsterlohr-Burgstall e.V als auch in der Wikipedia gibt es ein Luftbild, auf dem man diese natürlichen Gegebenheiten an einer Biegung des Taubertals gut nachvollziehen kann.
Oben auf dem Gelände des ehemaligen Oppidums spielt sich heutzutage alles auf einer Teilfläche ab. Auf der ist ein Keltenlehrpfad mit einzelnen, mit Infotafeln versehenen Stationen eingerichtet. Entweder geht es an den Infotafeln um das, was gerade zu sehen ist, oder es werden allgemeine Aspekte des keltischen Lebens erläutert. Zu sehen gab es 2008 vor allem an der Westseite des Rundwegs mit den Wallresten etwas. Hier wurde ein Teilstück des Walles als keltische Pfostenschlitzmauer rekonstruiert, außerdem befinden sich an der Nordwestecke des Oppidums die Reste eines keltischen Zangentors (das „Alte Tor“). Die Steinsammlung in vierten Bild habe ich in der Nähe der Rekonstruktion gefunden. Ob die Steine echt keltisch sind?
Beim Info-Zentrum/Parkplatz des Rundwegs gab es bei unserem Besuch eine interessante Flachsbrechhütte, in man aber nur nach Anmeldung hineingekommen ist. Mittlerweile kam mit dem Keltenhaus eine weitere Attraktion hinzu. Online bin ich bis zum Bau dieses Keltenhauses selten auf Neuigkeiten vom Oppidum gestoßen. Das änderte sich schlagartig, wobei das überregionale Interesse vermutlich stärker durch das Resozialisierungsprojekt für junge Männer als durch das Keltenhaus ausgelöst wurde. Der Verein hat eine lange Bildstrecke vom Bau des Keltenhauses eingestellt. Unter den Bildern sind auch ein paar von den Fernsehaufnahmen des Bayerischen Rundfunks zu sehen.
Der Besuch des Bayerischen Rundfunks soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Oppidum zu Baden-Württemberg gehört. Aber mit der Besonderheit, daß die Grenze zu Bayern ganz knapp um einen großen Teil des Oppidums herum liegt. Denn das Taubertal unterhalb des Oppidums ist in diesem Abschnitt noch bayerisch.
Wir sind seinerzeit von einer Fahrt von Würzburg nach München auf bayerischem Gebiet bei der A7-Ausfahrt Bad Windsheim abgezweigt und erst über hügeliges Ackerland und dann stark abschüssig hinunter ins Taubertal nach Tauberscheckenbach gefahren. Von dort ging es hoch nach Burgstall zum Oppidum-Besuch und dann auf baden-württembergischer Seite weiter in das nahe Rothenburg ob der Tauber. Bei dem, was es zu sehen gibt, ist Rothenburg verglichen mit den Keltenwällen und dem Keltenhaus des Oppidums natürlich der pure Overkill.
Montag, 16. Januar 2012
Keltenjahr 2012
Im September wird in Stuttgart die große Landesausstellung „Die Welt der Kelten“ eröffnet. Das ist für die Baden-Württemberger der Anlaß, das Jahr 2012 mit einem umfangreichen Begleitprogramm zum Keltenjahr auszurufen.
Von den bekanntesten baden-württembergischen Kelten-Orten hatte ich hier im Blog schon das Keltenmuseum Hochdorf, das Oppidum Heidengraben und zweimal die Heuneburg (Bienenmarkt auf der Heuneburg und etwas zum Sensationsfund). Das Oppidum Finsterlohr-Burgstall ist bei mir gerade noch im Bau.
An diesen Orten finden sowieso immer wieder Veranstaltungen statt. Aber wenn man sich das Veranstaltungsprogramm zum Keltenjahr 2012 ansieht, ist man beeindruckt, was in diesem Jahr angeboten wird.
Donnerstag, 5. Januar 2012
Kykladen in Karlsruhe
Ohne Karte kann man sich mittels der Worterklärung für „Kykladen“ - von kyklos, Kreis, „da die Inseln kreisförmig um Delos, die heilige Insel des Apollon, angeordnet sind“ - und dem in der Ausstellung verwendeten Bild einer „Drehscheibe zwischen griechischem Festland, Kreta und Anatolien“ die Lage der Inseln vorstellen. Von dem Gebiet mit vielen Inseln, das man jetzt vielleicht in den Kopf bekommt, der linke Bereich, also nicht die Inseln rechts direkt vor dem anatolischen Festland, dann passt das so in etwa.
Bei der Kykladen-Kultur geht es um eine Kultur der Bronzezeit, als deren Zeugnisse sind aber vor allem steinerne Hinterlassenschaften bekannt, und zwar besonders Idole wie im fünften Bild (im Museums-Shop gekaufte Nachbildung). Wie im Eingangsszenario der Ausstellung beschrieben, wurde diesen Funden aber bei den ersten Ausgrabungen im 19. Jahrhundert wenig Bedeutung zugemessen. Man hatte seinerzeit einen soliden Hintergrund durch die Texte antiker Autoren, das Ideal war klassisch-griechisch in der Tradition Winckelmanns - ich hatte das Thema Griechenbegeisterung im ersten Teil Agrigent - und Herodot hatte die Kykladen als von kleinasiatischen Karern besiedelt beschrieben, deren Hinterlassenschaften konnten also nicht bedeutend sein.
Erst später trat gegenüber dem angelesenen Wissen der Wert der archäologischen Funde und des archäologischen Fundzusammenhangs stärker hervor. Für die große Bekanntheit der kykladischen Idole bzw. zumindest für ein gewisses „habe ich schon einmal gesehen“-Gefühl sorgten dann aber erst moderne Künstler wie Pablo Picasso, Henry Moore, Hans Arp und Alexander Archipenko, die sich von der „elementaren Einfachheit“ und „bloßen Form“ inspirieren liessen. Am Ende der Ausstellung sind einige Werke zu sehen, eingangs der Ausstellung dient Henry Moore dazu diese Entwicklung zu skizzieren.
Die Ausstellung geht nach dem Eingangsszenario zunächst auf die Lebenswelten dieser frühgriechischen Kultur ein. Das geschieht eher mittelbar über die Gegebenheiten der Inseln. Ein Modell zeigt deren Lage. Es wird beschrieben welche Schätze die Inseln zu bieten hatten - den vor allem in der Steinzeit wichtigen Obsidian von der Insel Melos, Marmor von den Inseln Paros und Naxos, das Schleifmittel Bimsstein von Thera, Silber und Blei von Siphnos, Kupfer zusammen mit den in Kupferlagerstätten zu findenden Färbemitteln Azurit und Malachit auf Kythnos, Seriphos, Siphnos und Kea. Landwirtschaftlich waren die Inseln nur schlecht nutzbar, für den Fischfang und speziell den Thunfischfang aber sehr gut.
In diesem Ausstellungsbereich findet sich auch das angekündigte „rekonstruierte Modell eines kykladischen Langbootes“. Nicht groß, es hätte auf einem Wohnzimmertisch Platz. Es ist - so zumindest mein Eindruck in der Ausstellung - einer der wichtigen Dreh- und Angelpunkte bei der Interpretation der Leistungsfähigkeit und des Niedergangs der kykladischen Kultur. Gegen Ende der Ausstellung wird noch einmal ausführlicher auf die Langboote eingegangen. Vorlage für die Boote sind Ritzzeichnungen, man stellt sie sich als gepaddelte Einbäume vergleichbar derjenigen der Maoris und und den Indianerstämmen der Haida an der Nordwestküste Amerikas vor. Man vergleicht deren Aktionsradien mit den Gegebenheiten der griechischen Inselwelt und kommt zu dem Schluß, daß neben der genannten Drehscheibenfunktion zwischen griechischem Festland, Kreta und Anatolien - in dieser Inselwelt soll bei guter Sicht immer eine Landmarke zur Navigation zu sehen gewesen sein - sogar der Bosporus im Aktionsradius gelegen haben müßte.
Gegenüber gesegelten Schiffen ergab sich der Vorteil, daß man nicht auf günstige Winde für die Befahrung des Bosporus warten mußte. Allerdings ergeben sich auch einige Nachteile: Als geeignete Baumart wurde die griechische Tanne identifiziert. Durch deren Verwendung würde sich mit der Zeit ein Ressourcenengpaß ergeben. Zudem verrottet sie eher als das Holz, aus dem die Planken der minoischen Schiffe gemacht wurden, und die Langboote haben eine geringere Transportkapazität als die gesegelten Schiffe der Minoer.
Anderseits wird auf einer anderen Infotafel auch eine Klimaänderung als möglicher Grund für einen abrupten Wandel um 2250 v. Chr. angeführt, von dem zudem auch das Festland betroffen war, nur auf Kreta hätte es diesen Einbruch nicht gegeben. Die Kykladen sind dadurch zunächst in den Schatten der Minoer und später der Mykener geraten.
Aber zurück zum ersten Teil der Ausstellung mit dem Langboot-Modell. Dort findet sich auch ein Siedlungsmodell mit auffallend viel Befestigungsmauern für relativ wenige Wohnhäuser. Die Siedlungen seien erhöht in Sichtkontakt zueinander angelegt worden, wenige hundert Bewohner bei kleiner Grundfläche. Das passt zu dem Analogieschluß mit Maoris und Haida, nach dem diese Langboote mit vielen Paddlern auch gut für Überfälle geeignet waren. Anderseits wurde der daraus folgende räuberische Aspekt der Kykladen-Kultur in der Ausstellung nicht weiter ausgeführt und belegt.
Stattdessen ist man im weiteren Verlauf der Ausstellung beeindruckt von Gefäßen aus Marmor. Sie „imitieren Tongefäße“ und „verleihen durch das lichtdurchlässige Material Marmor hohen optischen Reiz“. Es gibt „Kykladenpfannen“ mit einem Dekor aus ineinander verwobenen Spiralen, Bronzedolche und natürlich viele Idole, die wohl nach einzelnen Grabstätten typisiert werden und sich in Plastizität, Proportion etc. unterscheiden.
Die Idole waren nicht marmorweiß, sondern bunt bemalt. Da hätte man also eine vergleichbare Situation wie bei den Ägineten, nur daß die wegen zusätzlichen Accessoires wie bemalten Bleilocken vielleicht noch mehr von unseren heutigen Vorstellungen entfernt ausgesehen haben. Im Laufe der Zeit wurden manche Idole mehrfach übermalt, Spuren der früheren Bemalung blieben teilweise erhalten. Eine Projektion zeigt solch unterschiedliche Bemalungen.
Ab dem Bereich mit der Projektion geht die Ausstellung räumlich gedrängter über in die genannten Teile mit den Langboot-Analogieschlüssen und der Reflektion durch moderne Künstler. Eine umfangreichere Ausstellungsfläche davor erscheint verglichen zu früheren Ausstellungen deutlich lockerer besetzt. Vielleicht steht das im Zusammenhang mit erwarteten Ausstellungsstücken aus Griechenland, die man aufgrund eines Streits um Raubgrabungen nicht bekommen hat. Das ist aber jetzt reine Spekulation. Bei dem Streit um Raubgrabungen dreht es sich um zwei Idole, die man vor einer Zeitgrenze erworben hat, für die Deutschland rückwirkend entsprechende Verfahrensregeln der Unesco anerkannt hat.
In einer kleinen Presseschau im Eingangsbereich des Schlosses wird ein Schaden für die Ausstellung entweder nicht angesprochen oder durch zwei Autoren verneint. Interessanterweise mit demselben Argument, dem großen eigenen Bestand der Karlsruher. Das Problem der Raubgrabungen wird in der Ausstellung allgemein thematisiert, ebenfalls im gedrängten letzten Teil. Es geht dabei um die zeitliche Zuordnung, die ohne den Fundzusammenhang nicht mehr möglich ist, und um das Problem zahlreicher Fälschungen, die mit dem steigenden Interesse an den Idolen aufgetaucht sind.
Die eigenständige Blütezeit der Kykladen-Kultur müßte nach meinem Verständnis vom Wechsel Steinzeit zur Bronzezeit um 3000 v.Chr. bis zu der oben genannten Zeit um 2250 v.Chr. gegangen sein. Zahlreiche Ausstellungsstücke sind entsprechend datiert - 3200-2900 und 2700-2400. Die in der Ausstellung genannte eigentlich klare Abfolge kann ich jetzt nur schwer mittels der Wikipedia nachvollziehen. Also vielleicht sollte man hier bei stärkerem Interesse an den Daten und den Übergängen den Ausstellungskatalog in das Auge fassen. Ich habe darin im Shop nur angefangen zu blättern und dann schon meinen Schulfreund im Foyer gesehen, mit dem ich die Ausstellung besuchen wollte (Wintersonne im „Mitglieder“-Bereich rechts oben). Die Presseabteilung könnte natürlich auch versuchen die Wikipedia zu aktualisieren oder eifrigen Wikipedianern Kataloge zukommen zu lassen. Mehr Leser als einzelne Presseartikel zur Ausstellung werden diese Kykladen-Artikel in der Wikipedia sehr wahrscheinlich haben.
Was wir in der Ausstellung beide vermisst haben - vielleicht ist da auch etwas dazu im Buch - waren Einflüsse der Kykladen-Kultur auf die Nachbarkulturen. Es gab offenbar durch die Kultur geprägte Siedlungen auf dem griechischen Festland und auf Kreta und einzelne Objektfunde außerhalb. Aber in der Ausstellung war kein Nachwirken in dem Sinne zu sehen, daß Minoer oder Mykener Idole so aufgegriffen und in ihr Schaffen eingebaut hätten wie Pablo Picasso oder Henry Moore.
Zum Multimedia-Guide: erstmalig gibt es im Karlsruher Landesmuseum eine App zur Ausstellung. Anscheinend nur iPhone, und wer kein iPhone hat kann ein iPad ausleihen. Zum Fotografierverbot: war glaube ich in den Karlsruher Sonderausstellungen immer so. In den Dauerausstellungen darf man laut Info an der Kasse fotografieren, die Bilder aber nur mit Erlaubnis der Presseabteilung in das Internet stellen. Ich will das jetzt nicht ausdiskutieren (ich habe nie versucht, in Karlsruhe die Erlaubnis für Innenaufnahmen zu bekommen, es gibt schon relativ viele Bilder beim Landesmuseum, sogar ein digitaler Katalog ist im Bau, es gibt Bilder beim Landesbildungsserver Baden-Württemberg u.ä.. Das Fotografieren stört in gutbesuchten Ausstellungen, und die Sonderausstellungen sind oft sehr gut besucht. Viele der Texte in der Ausstellung braucht man nicht fotografieren, um sich Notizen zu sparen, man kann sie von der Museumswebsite herunterladen. Die generelle Fotografiererlaubnis würde vielleicht gegenüber den Leihgebern Probleme bereiten. An eine Kannibalisierung des Katalogverkaufs glaube ich dagegen nicht, mit dem Argument müßten bei den vielen Tierpark-Sendungen im Fernsehen alle Zoos mittlerweile unter massivem Besucherschwund leiden. Und zur Preisliste beim Digitalen Katalog würde mich wie bei anderen derartigen Bilderdiensten mal eine Gegenüberstellung des zusätzlichen Aufwands gegenüber dem Ertrag und den entgangenen Vorteilen beim Museums-Marketing interessieren).
Aber aus meiner Sicht beisst sich App und iPhone mit dem Fotografierverbot. Das Fotografierverbot ist mit dem iPhone in der Hand nicht kontrollierbar und es holpert auch bei der Kommunizierbarkeit. Für Veranstaltungen wie die Tweetups wäre so ein Fotografierverbot schon eine Einschränkung. Meinen Gedanken zum Tweetup, daß auch genug Leute kommen sollten, die nicht aus der Szene Museumsmitarbeiter/Dienstleister kommen, sehe ich da in anderem Licht. Vielleicht wäre es gerade für die Museumsleute gut, so etwas mal mitzumachen. Die klassischen Medien sind beschränkt, ich habe in keinem der ausgehängten Presseartikel einen Hinweis auf die App-Neuerung gesehen. Zwangsläufig fallen auch viele andere Dinge unter den Tisch, ich gehe ja jetzt auch nicht mehr auf das sehr interessante Begleitprogramm ein (auf der Museumswebsite im herunterladbaren Flyer ). Mittels sozialen Medien könnten die Besucher/Teilnehmer angeregt werden, selbst Werbung für das zu machen, was ihnen gefallen hat.