Letzten Dezember hatte ich anläßlich des Medien-Hypes um die Kannibalen von Herxheim geschrieben, daß ich Rheinzabern und Herxheim besuchen wollte. Letzte Woche haben wir das sogar zu zweit geschafft.
Rheinzabern liegt nahe dem Rhein in der Südpfalz, weniger als 20 km Luftlinie vom südöstlich auf der anderen Rheinseite liegenden Karlsruhe entfernt. Das heutige Rheinzabern überdeckt den antiken Ort Tabernae zu annähernd 90 %, wie im „Museumskatalog Terra-Sigillata in Rheinzabern“ von Rüdiger Schulz und Walter Schellenberger zu lesen ist (von 1996 für 4,60 Euro).
Im geschichtlichen Überblick ist dort weiter zu lesen, daß Tabernae zeitweise die größte Terra-Sigillata-Manufaktursiedlung nördlich der Alpen gewesen ist, der jährliche Ausstoß wird auf 1 bis 1,5 Millionen Gefäße geschätzt. Vermutet wird, daß die dazu notwendigen reichen und hochqualitativen Tonlagerstätten durch die Römer beim Bau der linksrheinischen Fernstraße entdeckt wurden, die von Italien über den großen Bernhard kommend Basel, Straßburg, Speyer und Mainz verband. Eine zwischen 10 und 20 n.Chr. gebaute Straßenstation könnte der Ausgangspunkt der Siedlung gewesen sein.
Vieles von der späteren Entwicklung läßt sich dann anhand der Tonwaren ablesen. Der Ausbau der Militärlager am Rhein erforderte Unmengen Baukeramik wie Dachziegel und Bodenplatten, wobei die Produktionseinheiten durch Legionssiegel gekennzeichnet wurde, die späteren Reliefwaren und glatte Sigillaten meist durch eingestempelte Produzentennamen. Nach Katalog sind 600 Produzentennamen bekannt.
Es wird davon ausgegangen, daß schon früh Gebrauchsgefäße entstanden und gehandelt wurden. Die Terra-Sigillata-Qualität konnte aber noch nicht erreicht werden. Terra Sigillata wird auch als das „Porzellan der Römer“ bezeichnet. Geändert hat sich das schlagartig Mitte des zweiten Jahrhunderts n.Chr., als zwei namentlich bekannte Töpfer aus alten gallischen Töpferzentren ihre Werkstätten nach Tabernae verlegten. Man kann offenbar diesen Umbruch außer an den Brennöfen auch an vergrößerten und in der Struktur geänderten Produktionsbetrieben archäologisch nachweisen.
Die Hauptabnehmer der Terra Sigillata fanden sich entlang des Rheins, in den angrenzenden römischen Provinzen entlang der Donau, und im nicht römisch beherrschten Mittel- und Osteuropa bis hin nach Skandinavien. War hier Tabernae bei seiner Terra Sigillata marktbeherrschend, war sie in England nur sehr gut und in Gallien wenig vertreten. Mit dem Fall des Limes und einer vermehrten Glasproduktion kommt es zu einem Niedergang der Produktion, die mit einer Verschlechterung der Qualität einhergeht. Archäologisch nachweisbar ist noch eine landwirtschaftliche Neunutzung eines Manufakturbetriebes. Das Siedlungsende wird laut Museumskatalog anhand eines kleinen Münzschatzes zur Zeit der Unruhen von 352 n.Chr. oder von 406 nach Chr. vermutet.
Ein sehr spannendes Thema - die Kenntnis der Produzenten und produzierten Waren im relativ kleinen Tabernae gibt einen Schlüssel Funde aus großen Teilen Europas! Als eine der Besonderheiten von Rheinzabern kommt hinzu, daß die Erforschung der seinerzeitigen Produkte und Herstellungsverfahren mit neuzeitlichen Produktionsstätten einhergeht. Der Katalog nennt als Beispiel den Fabrikanten Ludowici, der viel für die Erforschung der römischen Töpferkunst getan hat und 1883 seine Falzziegelfabrikation von Ludwigshafen nach Jockgrim bei Rheinzabern verlegt hatte.
Und die Website des Terra-Sigillata-Museums nennt aktuell häufig die Firma Schnorr Keramik als Förderer. U.a. brennt sie auch Reliefschüsselchen oder mit Kerbschnitt verzierte Tontäfelchen, die im museumspädagogischen Programm von Schülern erstellt werden können. Übrigens eine andere wesentliche Besonderheit von Rheinzabern, daß diese Angebote und der Museumsbetrieb von einem Verein getragen werden.
Was gab es für uns zu sehen? Das Terra Sigillata Museum Rheinzabern versucht die oben skizzierte Geschichte zu vermitteln. Es gibt die unterschiedlichen Töpferwaren, es wird auf deren Verwendung eingegangen, es wird auf die unterschiedlichen Produktionsverfahren und die Verbindungswege hingewiesen usf. Zusätzlich kann man in einem Raum mehr über das Alltagsleben erfahren. Man kann römische Textilien anfassen, römische Düfte riechen, römische Spiele spielen. Ganz nett eine Reihe von Tonwaren in die Tierspuren eingebrannt sind, was Rückschlüsse über die damaligen Mitbewohner zuläßt.
Neben dem Museumsbesuch bietet sich ein „Historischer Rundgang durch Rheinzabern“ an, ein Prospekt liegt kostenlos bei der Museumskasse bereit. Wir haben hier natürlich nur die Orte zeitlich bis zur Spätantike herausgepickt und sind über den „Römischen Friedhof“ an der Maximiliansstraße, wo wir keine Kennzeichnung gefunden haben, weiter zur Scheune aus Römerschutt gelaufen, auch ohne Kennzeichnung, im Abgleich mit dem Prospektfoto denken wir, daß es die im siebten Bild fotografierte Scheune ist.
Dann ging es zu den römischen Brennöfen in der Faustinastraße. Die sind im Kindergarten (das Foto mit dem eingerüsteten Gebäude) integriert, da kann man von außen das Licht einschalten und auf die Brennöfen heruntersehen, zum Hinuntergehen bräuchte man aber jemand mit Schlüssel. Den römischen Brunnen vermutlich 10 Minuten entfernt haben wir in Erinnerung an unseren Weg zum Friedhof sein lassen, da war im Prospekt kein mutmachendes Bild. Wenn es der auf der Website des Museumsvereins gewesen wäre, dann hätte sich das aber noch rentiert.
Hinsichtlich unserer Tour und der Vorbereitung muß ich zugeben, daß es umständehalber sehr locker zuging. Hatte ich letztes Jahr intensiv die Website gesichtet, haben wir uns letzte Woche ziemlich schnell ohne Vorbereitung entschieden. Wir sind auch erst um die Mittagszeit angerückt und wollten zudem noch in Herxheim vorbeisehen. Für uns hat das trotzdem als Vorbereitung für einen weiteren Besuch in das gut per Bahn und Auto erreichbare Rheinzabern gepasst. Wir kommen ohnehin öfters im nahen Baden vorbei, und das an diesem Tag nicht mehr geschaffte Museum Herxheim steht ja auch noch aus. Vielleicht ist die beste Lösung ohnehin eine Kombination von Einlesen auf dem Level des Museumskatalogs und einer folgender Teilnahme an einer passend angebotenen Führung, wo man seine wichtigsten offenen Punkte nachfragen kann.
Mittwoch, 26. Mai 2010
Rheinzabern - Tabernae
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