Mittwoch, 18. November 2009

Dauer- versus Sonderausstellung

Von Ausstellungen bekannter Großkünstler kennt man schon seit längerem Besucherschlangen vor dem Museum. In natura habe ich so eine Schlange Anfang letzten Jahres beim abgebrochenen Versuch gesehen, die Grünewald-Ausstellung in der Staatlichen Karlsruher Kunsthalle zu besuchen.

Vom Museumseingang den Gehweg entlang bis um die Hausecke mindestens 30 Meter, und das werktags. Beim Besuch der Dauerausstellung am Jahresende hielten sich dagegen Aufsichtspersonal und Besucher zahlenmäßig die Waage. Trotz vieler Gemälde, die bei Sonderausstellungen locker als „hochkarätige Exponate“ durchgehen würden.

Man kann sich viele Gründe für dieses Übergewicht bei den Sonderausstellungen einfallen lassen, und vermutlich wird das Übergewicht auch wirklich auf vielen für die Sonderausstellung sprechenden Gründen basieren.

Bezogen auf die Exponate ist aber schon ein starker irrationaler Aspekt dabei. Ich will das anhand meiner Erfahrung bei der Sonderausstellung „Imperium Romanum. Römer, Christen, Alamannen - Die Spätantike am Oberrhein“ im Badischen Landesmuseum weiter veranschaulichen. Dort gab es zwar keine Riesenschlangen vor der Kasse, aber die Ausstellung war proppevoll.

Diese Ausstellung fand seinerzeit im ersten Obergeschoß in der Westhälfte des Karlsruher Schlosses statt. Das Landesmuseum hat soviel Platz, daß die Daueraustellung nahezu unbeeinträchtigt weiterlaufen kann. Deshalb hätte man zusätzlich zwei Stock tiefer im Keller die Römer am Oberrhein besichtigen können. Das wäre nicht viel mehr Weg gewesen, weil man zum Ausgang über eine Treppe in das Erdgeschoß geführt wurde, die man nur noch ein Stockwerk tiefer hätte gehen müssen.

Karlsruher Schloss

Aber dort war ich ganz allein. Wie gesagt, oben proppevoll, diese Dauerausstellung hätte thematisch zur Sonderausstellung gepasst und zumindest von den auswärtigen Besuchern sollten viele die Dauerausstellung nicht kennen, aber unten war leer. Das war auch schon bei der Sonderausstellung „Hannibal ad portas“ so, die ebenfalls im Westteil stattfand, aber beim „Imperium Romanum“ ist mir das besonders aufgefallen.

Ich gehe sowieso immer noch gerne beim Mithräum in der Römer-Dauerausstellung vorbei. Aber jetzt mit eingebautem Besucherzähler - und beim Mithräum ist nie jemand da.

In der Sonderausstellung „Zeit der Helden. Die 'dunklen Jahrhunderte' Griechenlands 1200 - 700 v. Chr“, die im Erdgeschoß in der Osthälfte des Schlosses stattfand, waren vielleicht gerade über hundert Besucher, als wir heraus gingen. Bei den oberrheinischen Römern im Keller auf der Westseite dann wie gesagt niemand, und bei den „Antiken Kulturen“ auf der Westseite im Erdgeschoß mit sehr schönen Exponaten aus den hellen Jahrhunderten des antiken Griechenlands zwei Personen.

Jetzt bei der Vandalen-Ausstellung an einem Freitagmittag ca. 80 Besucher gleichzeitig in der Sonderausstellung auf der Ostseite, niemand bei den Römern im Keller und niemand bei den Oströmern/Byzantinern im Erdgeschoß-Westflügel des Schlosses, obwohl in die Dauerausstellung freitags ab 14 Uhr der Eintritt sogar frei gewesen wäre („Happy Friday“, ich glaube das gilt nur für die Dauerausstellung und nicht für die Sonderausstellung.).

Also ich hoffe die Irrationalität hinsichtlich der Exponate ausreichend begründet zu haben. Bezogen auf die Exponate müßte der Anteil der Besucher in der Dauerausstellung viel höher sein. Vielleicht ist das so: viele Gründe sprechen für die Sonderausstellung, und der Herdentrieb führt zu irrational wirkenden Randerscheinungen, das Soziale sticht mehr als die Exponate.

Das will ich nicht negativ bewerten, vermutlich hat sich diese Strategie entwicklungsgeschichtlich als optimal herausgestellt. Man kann den Witz mit dem Kind nehmen, das seinen Papa frägt: „Wenn im Wald ein Baum umfällt und das Fernsehen war nicht dabei, ist der Baum dann wirklich umgefallen?“ und das umformulieren hin zu dem Gedanken, wieso man sich um einen umgefallenen Baum im Wald kümmern soll, wenn der es nicht in die Medien geschafft hat. Zu prüfen wäre natürlich bei der gewaltigen Besucherdifferenz eine größere Verpflichtung derjenigen, die die Medieninhalte bestimmen, also man hätte vielleicht das eine oder andere Medium (Schild) zusätzlich in der Sonderausstellung für die Besucherführung spendieren können, so in der Art „zu dem Thema haben wir noch... in unserer Dauerausstellung“.

Wenn Sie jetzt noch Zeit haben, stöbern Sie doch mal auf dem Blog Mittagstische in Karlsruhe herum, selbst wenn Sie absehbar kein Ernährungsproblem in Karlsruhe haben werden. Die Blog-Idee ist sehr gut, die anfallenden Kosten sind überschaubar und die Texte sehr kurzweilig geschrieben. Blog-systemisch sind die vielen Kommentare als zusätzliches Plus zu betrachten. Die Angaben zu den Stadtteilen werden dem Auswärtigen nicht soviel sagen, aber mit einem Klick auf die Geokoordinaten rechts unter dem Blog-Posting ist das Lokal leicht zu finden.

Den Stadteil Durlach könnten sich Interessenten am historischen Roman allerdings merken. Der Autorenkreis Historischer Roman Quo vadis will in Durlach nächstes Jahr vom 12. bis zum 14. November die Historica 2010 veranstalten. Auf die Historica 2009 in Hamburg-Bergedorf hatte ich hingewiesen. Nachberichte von der Veranstaltung gibt es auf der Website von Quo Vadis und bei der Büchereule.

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