Montag, 23. September 2024

Der Oberhachinger Kyberg

.. ist nicht so bekannt, wenn ich nach einem seit 60 Jahren im Raum München lebenden Freund der Familie gehe. Dem hatte ich am Freitag Grüße vom Oberhachinger Kyberg geschickt. Nach seiner Antwort schickte ich gleich die Entwarnung hinterher: der Kyberg ist nur so hoch wie es auf den beigefügten Fotos aussieht. Die alten Kelten mußten hier aber einen „Herrenhof“ bauen und ich jetzt zu dem Herrenhof die Informationstafel durchlesen.

Blick vom Oberhachinger Kyberg

Tatsächlich wird es vorzeitlich ganz interessant gewesen sein, hier den Geländesporn oberhalb des Hachinger Bachs zu besetzen. Der Geländesporn hat zwei leichter zu verteidigende Seiten. Man sieht was in der Umgebung vor sich geht und man kann besser seinen Herrenhof präsentieren. Es wird aber etwas gekostet haben, denn für die später um den Kyberg herum entstandenen Keltenschanzen brauchte man keinen erhöhten Geländesporn mehr. Und die noch später entstandene Kette der Römersiedlungen entlang des Hachinger Bachs arbeitete sogar sehr eng mit dem Bach zusammen, wie eine in Altperlach im Gelände dokumentierte Ausgrabung eines römischen Mühlkanals belegt.

Mein Fotografenstandort beim Blick vom Kyberg befand sich ein paar Meter hinter dem Oberhachinger Rathaus. Ich war früher häufiger im Bereich der Oberhachinger/Deisenhofener Keltenschanzen unterwegs, jetzt schon lange nicht mehr. Meine Freitagstour war nur als lockere Vorbereitungsfahrt bis zur Kyberg-Informationstafel für spätere Touren zu meiner Hachinger-Bach-Serie gedacht. Ich wollte an dem Tag nicht noch rechts im ersten Bild runter um nach der Quelle des Hachinger Bachs zu suchen, sondern bin nach links hinten und unter der Haltestelle Deisenhofen durch wieder heimgeradelt.

Informationstafel beim Rathaus auf dem Kyberg in Oberhaching

Die fotografierte Informationstafel wurde zusammen mit einigen weiteren Informationstafeln neu aufgestellt und erst im August breiter publik gemacht. Wer sich für geschichtliche Oberhaching-Touren kundiger machen will, mag sich via dieser Oberhachinger Website, der OHA App oder dem Bayerischen Denkmal-Atlas weiter informieren. Auf der Oberhachinger Website werden die weiteren Standorte der Informationstafeln angegeben.

Informationstafel beim Rathaus auf dem Kyberg in Oberhaching

Die im Zusammenhang mit dem Heimatmuseum Unterhaching erwähnte „Hachinger Bach“-App böte ebenfalls Anregungen, weil sie den Hachinger Bach übergreifend behandelt und weit in das an Oberhaching anschließende Gleißental heineinführt.

Informationstafel beim Rathaus auf dem Kyberg in Oberhaching

In meinen letzten „Gemischten Links“ hatte ich auf einen Kelten-Vortrag in Oberhaching und einen „Kelten-Römer-Tag für die ganze Familie“ bei der Keltenschanze im Lanzenhaarer Feld hingewiesen. Der Vortrag fand statt, der Kelten-Römer-Tag fiel starkem Regen zum Opfer und soll im nächsten Jahr stattfinden.

Noch ein Hinweis auf den Beginn des kostenlosen openHPI-Kurses „Python – schnell und intensiv Programmieren lernen“ am 2. Oktober. Der Hinweis klingt jetzt vielleicht nicht so zum Zeitspektrum des Blogs passend, aber Python ist beispielsweise für viele Digital-Humanities-Leute schon wichtig und deren Themen passen schon öfters zu meinem engeren Blogbereich.

Donnerstag, 15. August 2024

Gemischte Links

Im letzten Jahr schrieb Conrad Schormann anläßlich des 80sten Geburtstages des Schachgroßmeisters Dr. Helmut Pfleger über ihn in den Perlen vom Bodensee: „Die breite Öffentlichkeit kannte und kennt ihn vor allem als den Schacherklärer aus dem Fernsehen. Von den frühen 80ern bis Mitte der 2000er war Helmut Pfleger das TV-Gesicht des deutschen Schachs.“

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

Meine Fotos stammen von der Einweihung eines neuen großen Bodenschachspiels auf der Kulturinsel vor dem Gasteig-Ausweichquartier HP8 am 17. Juli 2024. Jana Schneider und Svenja Butenandt spielten zwei Schachpartien miteinander und Dr. Helmut Pfleger kommentierte. Es war schön zu sehen, wie Helmut Pfleger trotz des vorgerückten Alters souverän wie früher seine Rolle gemeistert hat. Er könnte nahtlos wieder an seine Fernsehkommentatorenzeit anknüpfen! Zu Jana Schneider, Svenja Butenandt und dem Endergebnis gibt es etwas mehr Informationen vom Schach-Ticker

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

Man kann nun selbst beim HP8 Hand an die Schachfiguren legen. Die Ausleihbedingungen findet man auf dem letzten Foto. Vielleicht wäre mit einem elektrisches Verfahren mit App das Ausleihen aus dem Schrank und die Figurenübergabe an andere Spieler eine kleinere Hürde? Das könnte ich nächste Woche am 22.8. die Teilnehmer der Untergiesinger Schachwanderung nicht weit vom HP8 entfernt auf der anderen Isarseite fragen. Bei Interesse beachte man das weiter unten auf der Website verlinkte Plakat mit zwei weiteren Augustterminen und drei im September.

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

In der Münchner Innenstadt läuft derzeit ein Stelenprojekt, bei dem mittels 13 Infostelen Passanten auf bedeutende archäologische Fundstellen aufmerksam gemacht werden. Im Zusammenhang mit dem Stelenprojekt lädt laut Münchner Wochenanzeiger die Archäologische Staatssammlung bis Ende Oktober zu kostenlosen Führungen ein. Die nächsten Termine sind am 21. und 29. August.

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

Ende Juli und Anfang August meldete das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege neue Erkenntnisse aus dem Raum München. Zum einen konnten Siedlungsfunde im Ortskern von Neufahrn auf eine Zeit vor der ersten urkundlichen Erwähnung der Gemeinde datiert werden. Zum anderen ist man im Oberschleißheimer Ortsteil Neuherberg auf Spuren einer bislang unbekannten mittelalterlichen Siedlung gestoßen. Beim BR ist derzeit noch ein Video vom Neuherberger Ausgrabungsgelände zugreifbar.

Ausleihmodalitäten der Schachfiguren des Bodenschachspiels beim Gasteig HP8

Schließlich noch ein Hinweis auf einen „Kelten-Römer-Tag für die ganze Familie“ in Oberhaching und ein terminüberschneidendes „Keltenwochenende“ in der Archäologischen Staatssamlung. Oberhaching startet schon vor dem Wochenende mit einem Vortrag am 12.9. Am Samstag dem 14.9. kann man dann in der Oberhachinger Keltenschanze im Lanzenhaarer Feld Mitgliedern historischer Darstellungsgruppen und historischen Handwerkern beim Näherbringen keltisch-römischen Lebens zusehen und es wird eine Fahrradführung zu den weiteren Keltenschanzen Oberhachings angeboten (Der Samstagstermin bei der Keltenschanze wurde wegen schlechter Wettervorhersage abgesagt!! Man bemüht sich um einen Ersatztermin im nächsten Jahr!). Die Archäologische Staatsammlung bietet am 14. und 15.9. Führungen und Mitmachaktionen zu den Kelten an.

Samstag, 20. Juli 2024

Mathematikgeschichte für Kinder und Erwachsene

Das folgende Buch halte ich für eine sehr empfehlenswerte erste Einführung in die Mathematikgeschichte:

Titel: „Mathematik: Die Geschichte der Ideen und Entdeckungen“
Autoren: Rybakow, Josif; Astrina, Marija
Illustration: Jaskina, Natalia.
Verlagshaus Jacoby & Stuart, 2022, 160 S., Preis 22 €,
ISBN/EAN: 9783964281340

Ich habe das Buch als Wunschbuch eines Zehnjährigen kennen gelernt und mir nach vorsichtigem Reinsehen vor dem Verschenken ein Exemplar davon aus der Stadtbibliothek ausgeliehen. Mit einem zehnjährigen Leser im Kopf mag der folgende Auszug aus der Verlagsbeschreibung gruselig klingen: „Die Autoren berichten von der Erfindung der Null, von der Entdeckung der Zahl π, die es erlaubt, den Kreisumfang zu messen, vom Gesetz der Schwerkraft, von der Relativitätstheorie, von den Axiomen Euklids und den multidimensionalen Riemann-Räumen sowie von den mathematischen Grundlagen der Computertechnologie. Alles wird dabei so gut und einfach erklärt, dass auch (Noch-)Nicht-Mathematik-Cracks es verstehen. Dazu tragen nicht zuletzt die wunderbaren Illustrationen von Natalia Jaskina bei.“

Man muß sich bei dieser Beschreibung einen Fokus auf den „Ideen und Entdeckungen“ vorstellen. Die Autoren gehen bei den Ideen und Entdeckungen wenig in die Mathematik rein und lassen vieles aus, um es schlußendlich auf 160 Seiten aus der grauen Vorzeit bis in die Zeit der russischen Buchvorlage von 2016 zu schaffen. Das Buch ist seitens des Verlags in der Kategorie „Kinder- und Jugendbücher/Sachbücher, Sachbilderbücher“ einsortiert. Das Startalter sehe ich beim Verlag nicht, der ganz große Buchversender gibt 10 Jahre an. Wegen dem umfangreichen Programm sollte aus meiner Sicht ein großes Interesse des Kindes am Buch und ein interessierter Erwachsener als Ansprechpartner vorhanden sein.

Der große behandelte Zeitumfang ist eine Besonderheit des Buches. Ich habe bei meinen Stadtbibliotheksgelegenheiten in ein paar weitere mathematikgeschichtliche Bücher hineingesehen. Die behandelten einen begrenzteren Zeitraum, diskutierten dort einzelne geschichtliche Aspekte mehrere Seiten länger oder gingen auf die zugrundeliegende Mathematik viel tiefer ein. Man kann sich die Entscheidung für eine Vertiefung mit solchen Büchern für die Zeit nach dieser Einführung vorbehalten. Anregungen sich weiter mit der Mathematik zu beschäftigen bekommt man genug.

Die große Zeitspanne die das Buch umfaßt und die Art wie diese Einführung umgesetzt ist halte ich für sehr hilfreich um ein Gefühl für die teils sehr großen Zeitabstände zu bekommen, in denen die Entwicklungen stattfanden. Euklid mit seinen Geometrie-Axiomen wird etwa im Buch recht früh nach Thales und der Feststellung behandelt, daß die Griechen einführten auch Offensichtliches zu beweisen. Der Hintergrund war die Frage „ist es immer so?“, die die früheren Kulturen nicht so interessierte. Euklid gab dem Beweisen u.a. mit Axiomen eine Basis, auf der er seine Geometrie aufbaute. Erst mehrere Jahrhunderte nach den Elementen des Euklid kam die Arithmetica des Diophantos, die wird in „Vorwärts zur Algebra!“ ab Seite 55 behandelt. Über 1000 Jahre nach Diophantos mit René Descartes dann das kartesische Koordinatensystem, das findet sich im Buch auf Seite 116. Ich habe die Tage etwas über Winkelfunktionen in der Wikipedia nachsehen wollen und fand eine Erläuterung durch Formeln, die vermutlich passend und elegant war, aber einer späteren Ausdruckswelt entstammt. Ich habe mich in der Situation erstmalig gefragt, ob es nicht auch eine gute geometrische Erläuterung gegeben hätte. Und wenn ja, ob die geometrische Erläuterung für Personen ohne die notwendige Oberstufenmathematik für die stattdessen in der Wikipedia verwendeten Formeln und Umformungen verständlicher gewesen wäre.

Zur Art der Umsetzung: das Buch mutet anfänglich wirklich als Kinderbuch an. Es startet in der grauen Vorzeit mit der Frage, wie wohl die Menschen gelernt haben zu zählen. Von da aus arbeiten sich die Autoren schnell zu Zahlensystemen unterschiedlicher früher Kulturen vor, um dann zur Mathematik der Ägypter, Babylonier und den Griechen gelangen. Hierbei ist auch wirklich alles wunderbar illustriert.

Das Buch lebt von den Querverweisen zwischen den vorgestellten Ideen und Entdeckungen. Die werden aus meiner Sicht für unbegleitete Kinder bald etwas happig, weil man sich auf dauernd wechselnden Ebenen bewegt. Das oben beschriebene Aufschreiben von Mathematik ist etwas anderes als ein Beweis, der ist wieder etwas anderes als ein Axiom oder ein entdeckter mathematischer Satz. Die Logik ist wieder etwas anderes und wie uns die Mathematik beigebracht wurde sorgt für eine neue Ebene. Im Unterricht könnte der im Buch die Jahrtausende überragende Euklid bei vielen von uns untergegangen sein, weil man uns in unserem Geometriealter noch nicht den Aufbau der Geometrie aus Axiomen beibringen wollte.

Im Buch kommen die Querverweise zum einen im fortlaufenden Text vor, in dem man etwa nach vorgestellter Mathematik zu Passendem in der Sternenkunde oder vom Beweisgedanken zu Aristoteles und der Logik kommt. Zum anderen gibt es die Querverweise auch in Form eigens eingefügter Tabellen. In den Tabellen werden spaltenweise zeitlich aufeinander folgende Errungenschaften aufgeführt, etwa mit einer Spalte für die Ägypter „seit 4000 v. Chr.“, einer für die Babylonier „seit 3000 v. Chr.“ und einer für die Griechen „7. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr.“. In der Spalte der Ägypter gibt es dann eine Zeile mit dem „Anfang der Bruchrechnung“, in der Spalte daneben bei den Babyloniern ist in derselben Zeile die Schreibweise für alle möglichen Brüche und die Entdeckung der Wurzel aus 2 aufgeführt. Und daneben in der Griechen-Spalte steht der Beweis, daß die Wurzel aus 2 nicht als Bruch dargestellt werden kann.

Die logischen Gesetze des Aristoteles landeten im Buch in einer anderen Tabelle. In dem Fall neben einer Spalte mit deutlich später im Buch behandelte Themen. Die logischen Gesetze gelangten so neben das Thema „Leibniz und die universale Wissenschaftssprache“. Die Illustrationen sorgen bei solchen Sprüngen für ein Zeitkolorit. Häufig hat man zusätzlich auch einen Wiedererkennungswert einzelner Personen und bisweilen auch für das behandelte Thema.

Das Buch habe ich nach dem Durchlesen als bereichernd und anregend und unter dem Strich sehr empfehlenswert empfunden. Für mich hat es seine einführende Aufgabe erfüllt. Mit dieser Aufgabe war trotz der vielen vorgestellten Ideen und Entdeckungen eine Auswahl und viel Weglassen verbunden. Das hat nach meinem Gefühl ganz gut geklappt. Gegen Ende schwächelt der Text aber für mein Empfinden. Die belebenden Querverweise werden rarer und die Computer sind vielleicht nicht so das Ding der Autoren.