Letzten Sonntag vor drei Wochen waren wir in der Burg Grünwald. Burg und Burgmuseum befinden sich in einer Phase von Umbauten und in einer Neupositionierung. Beim unserem vorletzten Besuch wirkte die Ausstellung auf uns ein wenig wie ein Sammelsurium ohne rechten Fokus. Nun ist ein Fokus erkennbar - die „inhaltliche Neugestaltung der Dauerausstellung unter dem Motto "Burgen in Bayern"“ - aber die Ausstellungsinhalte sind noch dünn.
Beim vorletzten Besuch war schon ein Raum mit dem großen Modell der mittelalterlicher Burg eingerichtet. Daneben war noch einiges zu den Römern und zur jüngeren Geschichte der Grünwalder Burg da. Von letzterem hat mich das meiste nicht interessiert und den irgendwie motivierten Teil mit medizinischen Anschauungsmodellen wollte ich überhaupt nicht ansehen.
Nun haben wir die Ausstellungsfläche verkleinert vorgefunden. Die verkleinerte Fläche ist teilweise noch frei von Ausstellungsobjekten. So wie ich mal gelesen habe, sollten aber zur alten Fläche sogar noch neue Räume hinzukommen. Der neue gestaltete große Eingangsbereich ist zumindest schon da. Wir haben da die letzten beiden Stücke Marmorkuchen erworben und uns an einen der neuen Tische im Innenhof gesetzt. Inzwischen ist Winterpause und das Museum soll in den Winterpausen weiter umgebaut werden. Also freuen uns mal auf nach und nach in Dienst gestellte und bestückte neue Räume.
Der Fokus auf die Burgen in Bayern bietet sich bei den Grünwalder Voraussetzungen an. Die Burgen sind zwar nicht mein bevorzugter Zeitbereich, aber das Museum haben wir dieses Mal in besserer Stimmung verlassen als beim vorletzten Besuch. Wenn man das alles gut umsetzt, dann könnten die Perspektiven doch auch ganz gut sein: ich wußte als Kind lange nicht was Römer und Kelten sind, hatte aber zwei Ritterburgen inklusive einer größeren Zahl Ritter in allen möglichen Kleinformaten. Also wenn das heute halbwegs noch so ist und man das Interesse auf den Münchner Großraum mit 2 Millionen Einwohnern hochrechnet...
Der Hang vor der mittelalterlichen Burg zur Isar hinunter ist mit der Zeit abgerutscht, so daß wichtige Teile der ursprünglichen Burg abgerissen werden mußten. Zudem gab es in den zurückliegenden Jahrhunderten Umbauten. Es gibt aber wohl Vorstellungen, wie die Burg in den verschiedenen Zeiten ausgesehen hat, und als ideale Ergänzung zum mittelalterlichen Burgmodell in der Ausstellung auch Führungen über das Gelände, mittels denen man die alte Burg besser vor dem inneren Auge entstehen lassen kann. An dieser Stelle zwei Links: den zu den Wanderschreibern hatte ich schon im Blog. Da geht es um ein Buch über „Burgen in und um München“. Der andere Link führt zu einem ganz frischen Beitrag im Burgerbe-Blog: „Wie sahen Burgen im Mittelalter aus? Virtuelle Modelle helfen weiter“. Da sollte man sich unbedingt mal die tollen Videos ansehen.
Bei dem neu in der Grünwalder Ausstellung Vorgefundenen hat mir eine Serie von drei Modellen besonders gefallen. In den Modellen werden typische Teile einer Höhenburg, einer Turmhügelburg (Motte, Hausberg) und einer Höhenbefestigung des 9./10. Jahrhunderts dargestellt. Die Höhenburg wird teilweise durch die Elemente der Spielzeugburgen abgedeckt, von Turmhügelburgen hatte ich in dem Alter genau so wenig Ahnung wie von Römern und Kelten. Es muß aber ein sehr häufig anzutreffender Burgentyp gewesen sein. Keltische Großgrabhügel wurden teilweise als Grundlage für Turmhügelburgen verwendet. Bei der Baumburg am archäologischen Heuneburg-Wanderweg wird von einem frühkeltischen Großgrabhügel ausgegangen, der im Hochmittelalter zu einer kleinen Burganlage umgestaltet wurde.
Das Modell der Höhenbefestigung des 9./10. Jahrhunderts ähnelt etwas der Struktur der nahe Grünwald gelegenen Römerschanze und der Birg bei Hohenschäftlarn. Die heute sichtbaren großen Wälle werden in die Zeit der Ungarneinfälle datiert, bei der Birg sind noch die Reste von Reiter-Annäherungshindernissen erkennbar.
Eine Attraktion der Burg Grünwald ist ihr Turm. An den Tagen an denen ich hochklettere grundsätzlich ohne Alpenpanorama. Der Turm war zwischenzeitlich mal gesperrt, sieht aber holztreppenmäßig noch wie früher aus. Die Stufen erfordern eine gewisse Trittsicherheit, aber man kann sich am Geländer festhalten und langsam hoch- und runterbewegen. Für Schwindelspezialisten und Außeratemkommer: die einzelnen Treppenabschnitte führen schnell auf das nächste Stockwerk im Turm. Man muß beim Auf- und Abstieg nicht innerhalb des Turms ganz in die Tiefe blicken und man kann sich ausruhen, ohne daß welche auf der Treppe hinterherdrängeln.
Das Mindestangebot oben ist ein toller Ausblick in das Isartal, an diesem Tag sogar in Herbstfarben. Die Dame an der Museumskasse konnte mir aber nicht sagen, ob ich die Fotos in das Internet einstellen darf. Vielleicht bin auch der einzige, der wegen den Fotos vom Turm frägt. Generell ist im Museum Fotografieren ohne Blitz erlaubt. Aber ob man die Fotos in das Internet einstellen darf, muß man die Archäologische Staatssammlung fragen. (Das Burgmuseum Grünwald ist ein Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung.) Ich habe stattdessen mehrere Fotos von einer Radtour auf der anderen Isarseite zwei Tage später hier eingestellt. Was für schöne Beiträge mit Fotos aus dem Museum zustande kommen können, dazu zwei aktuelle Beispiele vom „Tag der offenen Tür im Archäologiemuseum von Schloss Eggenberg“ im Blog von Hiltibold und „Salve! – Die lange Römer-Nacht im Braunschweigischen Landesmuseum“ im Kulturblog 38.
Die Grünwalder Burg war bei unserem Besuch ziemlich belebt. Vorab habe ich im Veranstaltungsticker auf der Website der Gemeinde Grünwald eine von der Volkshochschule veranstaltete Führung gefunden, die um 14 Uhr beginnen sollte. Vor Ort gab es eine weitere Führungsankündigung für 15 Uhr, von der ich auf keiner Website etwas mitbekommen habe. Die 15-Uhr-Führung haben wir bei unserem Marmorkuchen im Schlosshof gesehen, da ist eine größere Gruppe durch die Burg gezogen. Ich weiß nicht, ob die Gruppe über ein mir unbekanntes Medium oder aufgrund der Ankündigung vor Ort eingesammelt wurde. Es herrschten an dem Tag Sonderbedingungen: Sonntag, schönes Wetter, und das Burgmuseum war an einer Neuerung der vorausgehenden Langen Nacht der Münchner Museen beteiligt, nach der man mit der Karte am folgenden Sonntag einige Museen des Umlandes kostenlos besuchen konnte.
Allgemein betrachtet sollte der Grünwalder Veranstaltungsticker eine Steigerung von Teilnehmerzahlen und Umsatz bringen. Es gibt sicher noch andere wünschenswerte Vorteile des Tickers - entsprechende Interessenten gehen hin und lernen sich kennen, die Grünwalder denken es wird etwas in Grünwald geboten usf. Aber man könnte zumindest ein wenig bei einfachen Kosten-Nutzen-Überlegungen bleiben, und daß gegebene Informationen direkt zu mehr Einnahmen führen können. Eventuell geht der Aufwand für die Information über die Volkshochschul-Führung durch die Burg „gegen Null“, um eine für die Informationsbereitstellung im Internet sehr verbreitete Formulierung zu übernehmen, wenn die Daten von der Volkhochschule automatisch in Tickerdaten umgewandelt werden könnten. Das „gegen Null“ gilt meistens dann, wenn man das Material dafür „schon hat“. Wenn man Zugriff auf die Volkhochschuldaten hat und deren Bedeutung hinsichtlich Grünwald für ein Computerprogramm eindeutig verständlich wäre, „dann hätte man die Daten“. Wenn es nur so realisiert werden kann, daß ein Mensch die Daten sichten und kopieren muß, dann sollten die Kosten nicht gegen Null gehen. Und man hat eine Ausrede dafür, daß man die Informationen nicht bringt - rentiert sich ja nicht bei dem Aufwand.
Hätte man die Daten von archäologischen Funden, Fundort und Verbleib des gefundenen Objekts, dann müßte man die Daten über die Denkmalnummer eindeutig und ohne menschliche Hilfe mit den Geo-Daten des BayernViewer-denkmal bzw. Bayern-Atlas verknüpfen können. Der Aufwand würde pro Verknüpfung gegen Null gehen. Lokale Funde werden wohl schon gern als Ausstellungsattraktion für ein lokales Publikum angesehen, im Gegensatz dazu ist es aber überraschend schwierig, ihren Verbleib zu recherchieren. Beispielsweise habe ich im Zusammenhang mit dem Heiligenbuck einen Hinweis auf ausgestellte Funde aus dem „kleinen Heiligenbuck“ in der Rastatter Ausstellung „Spuren früher Zeiten - Ärchaologische Funde in den Kreisen Rastatt und Baden-Baden von der Steinzeit bis in frühe Mittelalter“ gefunden. In dem Zusammenhang ist sogar das ausleihende Badische Landesmuseum angegeben. Aber sind diese Funde im Badischen Landesmuseum üblicherweise in der Dauerstellung zu sehen? Im Fall des Schicksals der originalen Gilchinger Meilensäule hilft einem keine offizielle Seite weiter, sondern die Information vor Ort. Wo die Funde aus dem Pullacher „Fürstengrab“ auf der gegenüber der Grünwalder Burg liegenden Pullacher Seite des Isartals geblieben sind? Keine Ahnung.
Jetzt mecker ich noch ein bisschen weiter: die Sonderausstellung „Karfunkelstein und Seide - Neue Schätze aus Bayerns Frühzeit“ in der Archäologischen Staatssammlung fand ich toll - vorher wußte man über den Zeitraum nichts bzw. hatte Annahmen, nach denen man Gräber wie die in Unterhaching nicht vermutet hätte. Den Ausstellungskatalog / das Buch zur Ausstellung habe ich seinerzeit gekauft und auch ganz gut gefunden. Außer zu den Funden vermittelt das Buch auch Informationen darüber, auf welch verschiedenen Wegen man mittlerweile etwas herausfinden kann.
Aber nun gibt es von der Archäologischen Staatssammlung ein weiteres Buch zu dem Fund: „Unterhaching. Eine Grabgruppe der Zeit um 500 n. Chr. bei München.“ für 49 Euro. Aus dem Beschreibungstext der Archäologischen Staatssammlung ersehe ich nicht, ob es wichtige neue Erkenntnisse gibt, und wie die Stellung dieses neuen Buches gegenüber dem damaligen Begleitbuch ist. Nun ist es zwar normal, daß Museen keine Mitteilungen über spätere Veröffentlichungen zu ihren früheren Ausstellungen machen (warum eigentlich nicht?). Aber in dem Fall ist alles in einer Hand - die Funde gingen an die Archäologische Staatssammlung, bei ihr fand die Ausstellung statt und sie gibt nun diese Publikation heraus. Vielleicht wäre ein kurze frei zugängliche Zusammenfassung von wichtigen neuen Erkenntnissen unter Bezugnahme auf die damals im Begleitbuch und in der Ausstellung gemachten Aussagen fair gegenüber den damaligen Ausstellungsbesuchern und Buchkäufern?
Wer jetzt auf der Website der Archäologischen Staatssammlung nachgesehen hat, wird feststellen, daß sich die Website gewandelt hat. Das muß irgendwann zwischen meinem Reinsehen vor dreieinhalb Wochen und letzter Woche passiert sein. Leider finde ich jetzt nur noch drei „Mitteilungen der Freunde der bayerischen Vor- und Frühgeschichte e.V.“. Wenn es so bleibt - und so wie ich die Archäologische Staatssammlung einschätze bleibt das so - finde ich das schlecht. Grottenschlecht sogar, weil es zu vielen Informationen in den Mitteilungen keine Alternativen im Netz gibt. In den Mitteilungen der Freunde der bayerischen Vor- und Frühgeschichte Nr. 32 gab es z.B. einen ausführlichen Text zum Gautinger Brandopferplatz. Der BayernViewer-denkmal hat zwar den Brandopferplatz drin, aber natürlich keinen Verweis auf gedruckte Literatur dazu (warum eigentlich nicht?). Man kann einem Verein nicht vorschreiben, daß er seine internen Mitteilungen veröffentlicht. Aber ziemlich viele der über hundert Mitteilungen waren ähnlich informativ wie die über den Gautinger Brandopferplatz und wurden nicht nur von mir verlinkt.
Frei zugängliche Texte und verknüpfbare Daten sind übrigens auch nicht nur von mir, sondern sogar „von oben“ gewollt. Siehe den Wikipedia-Artikel über die Europeana, das Video „Linked Open Data. Was ist das eigentlich?“ oder die Haltung der EU zu Open Access. Egal, wie das im einzelnen zu bewerten ist, es zeigt aus meiner Sicht hinsichtlich der Verfügbarkeit von Daten in die richtige Richtung. Und es zeigt auch einen Anspruch, mit der Entwicklung Schritt halten zu wollen.
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