Sonntag, 26. Februar 2012

Museumsblogs

Nach meinem Eintrag über meine Blogsoftware habe ich gesehen, daß Michael Müller ein paar Tage zuvor über Museumsblogs gebloggt hatte. Ich will die Gelegenheit nutzen und in Fortsetzung die in meinem Eintrag und in seinen beiden Kommentaren gefallenen Stichworte zu Hintergründen und Drumherum des Bloggens für ein paar Anmerkungen zum Thema Museumsblogs nutzen.

Michael Müller leitet seinen Text mit einem Verweis auf eine Feststellung im Jahresrückblick von Sebastian Hartmann ein: den „Return of the Blog“. Eine „Reihe von neuen Museumsblogs erblickten das Licht der Welt“. In der Feststellung des „Returns“ ist enthalten, daß Blogs schon eine ältere Angelegenheit sind. Beim Dateien ausmisten habe ich einen Vortragshinweis von 2005 gefunden, da ging es um das Publizieren im Internet und Online-Marketing für kleinere Firmen und der Referent wollte demonstrieren, wie schnell eine kostengünstige Lösung mit Blog, Content-Management-System (CMS) und Newsfeed möglich ist. (Experimental-)Archäologie-Blogs wie „Als Ötzi über die Alpen“ von 2006/2007 und über die Pfahlbauer von Pfyn von 2007 dürften in einer Zeit enstanden sein, in der man durch einen Blog noch ein innovatives Image bekommen konnte.

Für Blogs, Wikis und Angebote in der Art von Twitter und Facebook wurden die Stichworte Web 2.0 und Mitmachweb gefunden. Für die Anwendung solcher Software in Unternehmen folgte der Begriff Enterprise 2.0. Ich habe 2008 ein Buch universitärer Autoren über Enterprise 2.0 gelesen und das ging nach meinem Eindruck stark von den Möglichkeiten der Systeme selbst aus. Also ich habe eine Software für Kurznachrichten wie Twitter oder eine Wiki-Software, was mache mit der? Die Vorschläge klangen manchmal sehr gesucht, bei Twitter wurde bspw. mit „Awareness“ herumgeeiert. Tatsächlich fanden Wikis sehr schnell Eingang in die projektbegleitende Dokumentation, als Infoquelle für Neueinsteiger o.ä., während ich von innerbetrieblichen Anwendungen der Kategorie Twitterartige nichts gehört habe.

Ich glaube durch die Entwicklung bedingt - Blogs, Wikis etc. waren neu auf dem Markt - sind bei Web 2.0 und Mitmachweb die Foren etwas unter den Tisch gerutscht. Mitmachweb in Foren gab es nämlich schon im Web 1.0, was den klaren Schnitt zum Mitmachweb 2.0 unterläuft. Und vor den Foren gab es schon die Newsgroups, außerdem wären noch die Mailinglisten zu erwähnen. In unserer Szene müssen die Foren auf jeden Fall beachtet werden. Es gibt noch Geschichts- und Archäologieforen aus der Web-1.0-Zeit - Archäologie Online mit seinem Forum dürfte die meistbesuchteste deutschsprachige Archäologie-Website sein. Zudem werden Foren heutzutage zahlreich in den Sozialen Netzwerken angelegt, sie bleiben also hochaktuell.

Nach dem Begriff „Web 2.0“ ist der Begriff „Social Media“ aufgekommen. Social Media frägt eher: was will ich nach draußen tragen und mit welchen Mitteln erreiche ich wen? Im sinnvollen Verbund sieht das mit der „Awareness“ mittels einem Dienst wie Twitter dann plötzlich ganz plausibel aus, bspw. wenn Museumsmitarbeiter und -dienstleister via Kurzmitteilungen ihre Erreichbarkeit oder Neuigkeiten ihres Museums anzeigen (etwa durch einen Link auf den aktuellen Eintrag im Museumsblog). Stephan Gröschler hat so einen verbundenen Ansatz in seinem Kommentar auch angerissen - ein Kernprojekt mit Blog und das via Twitter, Google+, Facebook etc. bekannt machen bzw. dort für Kommunikationswünsche bereitstehen. Es gibt Beispiele, wo selbst relativ kleine Handwerksbetriebe ein derartiges Schema schon einige Zeit erfolgreich umsetzen.

Technisch sind Websites mit Blog den Websites mit „Aktuelles“-Rubrik im Stil der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts mindestens so überlegen wie 3d-Farbfernseher Schwarzweißgeräten. Website-Besucher haben keine Lust, eine ganze Website auf Änderungen zu durchsuchen. Also sollten sich alle Neuigkeiten in einer Rubrik „Aktuelles“ niederschlagen. Läßt man nur wenige Neuigkeiten in der Rubrik, muß man die alten Texte schnell wieder rauswerfen. Läßt man die Neuigkeiten lange in der Rubrik, kann man wegen der Übersichtlichkeit nur kurze Texte reinschreiben. Die aus der Rubrik rausgeworfenen Texte sind ganz weg. Man wird deshalb von außen vermeiden wollen auf „Aktuelles“ zu verlinken, es ist ja sowieso bald obsolet.

Bei einem Blog bleiben die alten Neuigkeiten erhalten und wandern bei neuen Neuigkeiten automatisch nach hinten. Man kann sich über „Ältere Posts“ o.ä. nach hinten hangeln oder es gibt eine Übersicht, über die man direkt zu den alten Einträgen springen kann. Jeder Eintrag bekommt einen Link generiert, auf den man sich von außen beziehen kann. Man kann alle Einträge zu einem bestimmten Thema einfach mit einem Label/Tag versehen und über dieses Label dann alle Einträge ansehen (so wie etwa meine über mehr als ein Jahr verteilten Sizilien-Einträge). Allen neueren Schnickschnack gibt es für Blogs und nichts davon für die „Aktuelles“-Rubriken. Via Feeds kann man per Feedreader sehen, ob es irgendwo Neuigkeiten gibt, man muß die interessierenden Blogs nicht einzeln abklappern. Es gibt eine Kommentarfunktion. Es gibt die Möglichkeit automatisiert in Sozialen Medien wie Twitter und Facebook mitzuteilen, daß man gebloggt hat.

Gibt es technisch bessere Möglichkeiten als Blogs, die sind ja auch schon in die Jahre gekommen? Ich glaube nicht, wenn man viele Neuigkeiten hat und dazu etwas mehr schreiben will. Man kann durch gute Organisation der Website und schnelle Aktualisierungen viel ausgleichen, aber nicht so richtig druckvoll Themen setzen und das Spiel machen. Wie zu der Kykladen-Ausstellung geschrieben, habe ich in den Presseartikeln nichts über die recht wagemutige Umstellung auf eine Ausstellungs-App und die Ausleihmöglichkeit eines iPads gelesen. Mit einem Blog könnte man so eine Umstellung von den Anfängen an begleiten. Ähnlich ist das mit anderen Themen, etwa dem neuen Jugendklub des Museums, wie entwickelt sich der? Gibt es irgendwelche sonstige Projekte, über die berichtet werden könnte? Das reiche Programm im Karlsruher Landesmuseum konnte man selbst in den besten Zeiten der alten Medien nicht durch diesen Engpass bringen. Jetzt hätte man die Chance, direkt die Leute zu erreichen. Sogar mit Rückkanal, was meinen die Leute zur iPhone-App, hätte man angesichts der vielen Studenten in Karlsruhe auch noch eine App für die billigeren Androiden bereitstellen sollen?

Aber warum gab es so schnell und nahezu flächendeckend Museumswebsites, während es mit den Museumsblogs zögerlich voran geht? Zum einen ist der Aufwand für eine Website im alten Stil relativ gering, wenn man wenig ändert, während für einen Blog und die Kommunikation in Sozialen Netzen viel mehr Zeit notwendig ist. Zum anderen kann die Ursache darin liegen, wie Museen mit Informationen umgehen. In einer Kommentarantwort zu seinem sehr lesenswerten Interview im Kulturmarketingblog schrieb Jörn Borchert: „Alle Schriftstücke müssen meist über mehrere Schreibtische wandern, bis sie versandt werden dürfen. Das macht etwa das Bloggen natürlich etwas schwierig.“

Bei Websites alten Stils mag so etwas noch halbwegs funktionieren. Aber man darf wohl nicht zu sehr auf die sich ändernde Welt draußen eingehen - ich rätsele, ob manch schlechte und veraltete Linksammlung mit solchen Genehmigungsverfahren erklärbar ist. Solche Strukturen begünstigen vermutlich, daß man Zeitungsartikel als qualitätsvolle Referenz ansieht, selbst wenn sie wie vom eigenen Museum in die Feder diktiert oder aus seinen Pressemitteilungen zusammengebastelt wirken. Möglicherweise kann man am Jahresende nur Erwähnungen in den klassischen Medien nach oben weiterreichen. Wenn Zeitungen in ihren Online-Versionen oft nicht einmal Links auf das Museum angeben, ist das dann egal. Und die Aktivitäten irgendwelcher Unbekannter stören höchstens. Wäre zumindest ein Erklärungsmodell für Stephan Gröschlers enttäuschende Erfahrungen mit Museen. Der Kommentar von Thomas Gampfer überrascht mich nicht: „Wie allgemein bekannt, sind die Grenzen im www von seriös und dubios schlecht einzuschätzen. Aus diesem Grund stehen solche öffentlichen Einrichtungen Websites und den Menschen dahinter erst einmal mit natürlicher Skepsis gegenüber.“ Die Erfahrungen von Stephan allerdings überraschen mich schon eher - ich hätte nicht gedacht, daß es noch so schlimm ist.

Jedenfalls würde ich hier den eigentlichen Knackpunkt sehen, nicht bei der Technik. Dieser Knackpunkt wäre etwas Größeres, aber man könnte ja mal anfangen zu lernen. Übrigens war ich bei meiner Beantwortung von Stephans Kommentar zu meinem Blogsoftware-Eintrag etwas zu flapsig bei der „Refinanzierung“ meiner Aktivitäten: neben dem Spaß an der Sache sollte auch der praktische Erfahrungsgewinn zu einem Rückfluß beitragen (und neben diesen beiden großen Gründen vielleicht noch ein paar Gründe mehr). Also ich versuche hier auch zu lernen, und das war schon beim Start vor drei Jahren so gedacht.

Bei der Technik neige ich, wie in meinem Eintrag zu meiner Blogsoftware deutlich wurde, zu einer eigenen Domain mit einer eigenen Installation eines Content-Management-Systems. Das würde ich auch für ein Museum ideal finden. Es geht darum, sowohl die Webseiten der klassischen Homepage als auch den Blog auf einer Website unterzubringen. Blog und eigentliche Museums-Website gemeinsam zu realisieren würde ich u.a. wegen dem hohen Marketingaufwand für sinnvoll halten. Den hatte ich schon erwähnt, und im Fall von Museumsblogs wären das ja keine Hobbyblogs mehr, die müßten beworben werden. Mit Niederlassungen des Museums bei Twitter, Google+ und Facebook zwecks Bekanntmachen, Rückmeldungen einsammeln, „Awareness“ und so. Von dort lenkt man alles auf seine Museumswebsite mit Blog und die steht auch auf der Visitenkarte und auf dem Ausstellungsplakat.

Daß das Universalmuseum Joanneum jetzt auch bloggt finde ich demnach zwar ganz toll. Bei der B-Note hätte ich aber herumzumeckern, daß das Joanneum dieselbe Blogsoftware wie ich verwendet und als Adresse die von blogspot.com beibehält.

Die Blogsoftware sollte mehrere Autoren ermöglichen, auf Gründe bin ich schon eingegangen (Aufwandsteilung, Abdeckung). Es ermöglicht auch die Profilierung einzelner Autorinnen und Autoren, die halte ich sinnvoll und gut für den Blog und das Museum. Michael Müller erwähnt die Möglichkeit die Blogsoftware Wordpress „nahtlos in die Website des Museums einzubinden, auch wenn diese mit einem anderen CMS betrieben wird“. Mit solchen Optionen könnte man getrennte Anforderungslisten für Blogsoftware und CMS machen und die dann zusammenstöpseln. Wobei der „Marktführer“ Wordpress ja mehrere Vorteile bietet, u.a. daß dort zügig neue Entwicklungen realisiert werden (ich warte ja noch immer auf die Trackbacks bei Blogger.com). Der Nachteil wäre, daß irgendjemand zwei Softwaresysteme beherrschen muß. Das wäre auch ein Grund, generell nicht auf zuvielen Hochzeiten mittanzen zu wollen. Bei Beratern ist die Situation anders, die sollten ja die Systeme kennen, über die sie reden.

Hinsichtlich den CMS-Fähigkeiten wäre zu prüfen, ob das Museum ein Forum betreiben will. Wie schon im anderen Blogeintrag erwähnt, ist die Blogsoftware Wordpress in die CMS-Klasse reingewachsen, während es CMS gibt, die eher von der Forums-Ecke kommen und denen dann Blogsoftware angewachsen ist. (Ist das bei Drupal so? Rätsele gerade über die Vor-/Nachteile von Wordpress + Drupal wenn man Blogs mit mehreren Autoren und ein Forum betreiben will.)
Eventuell wäre aber für Foren wegen der notwendigen „kritischen Masse“ ein vom Museum unterstütztes Museumsportal der geeignetere Ort. Ein Museumsportal würde sich übrigens sehr gut mit Museumsblogs vertragen. Es könnte Anrisstexte der jüngsten Einträge seiner Museen auf seiner Startseite zeigen, das würde für mehr Leben im Museumsportal und vermutlich auch für mehr Besucher sorgen.

Die von mir skizzierte technische Aufstellung klingt für mich plausibel und wird oft angewandt. Es könnte natürlich schon besseres geben. Wie gesagt würde ich aber die Überarbeitung der inneren Museumsstrukturen für wichtiger halten. Reaktionsfähigkeit auf Anfragen von außen, Wertschätzung von substanzvollen Äußerungen über das Museum im Web usf. Zwischen diesen Erkenntnissen über optimierbare Strukturen und Verfahren und der technischen Aufstellung müßte es dann ein Konzept geben, in dem gewisse Dinge als wünschenswert festgelegt werden. Bspw. jeder der Lust hat und zum Museum gehört darf bloggen, muß aber bestimmte Richtlinien einhalten, jeder der eine Ausstellung gestaltet muß ein paar Einträge darüber bloggen, Werbeaktivitäten sollten möglichst nachhaltig sein, ein Forum wäre für dies oder das nicht schlecht usw., und via dieser konzeptuellen Ebene wäre dann die technische Umsetzung zu bewerten und anzupassen.

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