Das „Archiv Historische Dachziegel“ von Siegfried Müller habe ich über einen Blog-Eintrag von Jörn Borchert entdeckt und gleich darin nach den Ludowici-Ziegeln gesucht, die meine Eltern auf dem Dach haben. Und war sehr erfolgreich - es gibt gleich mehrere aufeinander folgende Kataloge mit diesem Ziegel im fraglichen Zeitraum um 1910 herum, in dem mein Urgroßvater vermutlich seinen Katalog in den Händen gehalten hat.
Interessant ist, wie seinerzeit die Leidenschaft für die alten Römer mittels Abbildungen von Fundstücken und einem erklärenden Text in die Kataloge eingebracht wurde. Da steht z.B. im Ludowici-Katalog von 1907 auf Seite 5: „Seit einigen Jahren hat Wilhelm Ludowici angefangen, in den Feldern von Rheinzabern nach den Überresten dieser römischen Töpferkolonie zu graben und die Ausschmückung dieses Kataloges, die Kopfleisten, geben ein Bild der prachtvollen Gefäße, welche diese römischen Töpfer der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung zu liefern imstande waren. Neben glatten Tellern und Schüsseln mit Namenstempeln finden sich die schönsten Krüge und Reibschalen mit Tonmalerei und Kerbschnittornamenten. Diese Industrie ist vollständig verschwunden, aber heute liefert dasselbe Tonlager täglich den Stoff zur Herstellung von 90 000 Falzziegeln, welche nach allen Himmelsrichtungen auslaufen.“
Die Leidenschaft für die alten Römer ging offenbar mit dem Ludowici-Marketing Hand in Hand. Treffender konnte man aber auch kaum die Wertigkeit und die Dauerhaftigkeit der örtlichen Tonprodukte vermitteln. Und angelogen hat man die Leute dabei nicht - die Ludowici-Ziegel meines Urgroßvaters haben die hundert Jahre ja gut durchgehalten!
Wer sich selbst auf die Spuren alter Ziegel in den Katalogen vom Dachziegelarchiv machen will: ohne weitere Angaben kann es bei einem Massenprodukt wie dem Z 1 schwierig sein, den richtigen Katalog und damit das ungefähre Kaufdatum zu ermitteln. Wie mir Herr Müller geschrieben hat, wurde der Z 1 1881 patentiert und nach seinem Wissen bis zur Liquidierung der Firma 1972 nahezu unverändert produziert.
In der Archäologie ist die Konstellation eine andere. Da gibt es wegen der Dauerhaftigkeit des Materials manchmal gar keine andere Alternative, um eine zeitliche Aussage zu treffen. Manchmal sind die zeitlichen Zuordnungsmöglichkeiten sogar spezifischer als für einen fast hundert Jahre lang produzierten neuzeitlichen Ziegel. Im obigen Katalog-Zitat ist das Stichwort „Namenstempel“ schon genannt. Ich hatte in meinem Eintrag über das Terra Sigillata-Museum Rheinzabern erwähnt, daß 600 der dortigen Produzentennamen aus der Römerzeit bekannt sind und diese Kenntnis einen Schlüssel für Funde in großen Teilen Europas liefert.
Wie sowas am Beispiel der Villa rustica in Karlsruhe-Durlach funktionierte, kann man im Villa-rustica-Anhang des Landesbildungsserver Baden-Württemberg im Abschnitt „Keramik und Datierung“ nachlesen.
Anders als dieses Verzeichnis der antiken Rheinzaberner Produzenten, ist das Dachziegelarchiv von Siegfried Müller aber nicht nur für die Erforschung der Vergangenheit gedacht, sondern auch für Lösung von Problemen mit existierenden Ziegeldächern. Mein Vater hat bspw. für Notfälle eine Anzahl Ziegel in einer Ecke unter dem Dach gestapelt. Was passiert, wenn in den Jahren zuviele Notfälle auftraten und Ersatz benötigt wird? Hinweise dazu sind im Wiki des Archivs zu finden: „Ersatzziegel für historische Ziegelmodelle“. Zudem darf ich seitens Herrn Müller hier weitergeben, daß er bei Anfragen nach Ersatzziegeln für historische Ziegelmodelle gern kostenlose Tipps gibt.
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