Pullach kam über die Ausgrabungen und die folgende Veröffentlichung von Julius Naue mit dem Titel „Die Hügelgräber mit dem Fürstengrabe bei Pullach (München)“ 1884 zu einem Fürstengrab.
Die zugesprochene Bezeichnung „Fürstengrab“ ist ein Konstrukt, das wenige Jahre vor den Ausgrabungen Naues im Umfeld von Ausgrabungen bei der Heuneburg und beim Asperg entstanden ist. Eine bedeutendere Regentschaft konnte in manchen Fällen vermutet werden. Häufig war es aber einfach nur ein herausragendes Keltengrab ohne besondere Hinweise auf eine Regierungsmacht. Im Sinne des herausragenden Keltengrabes scheint mir die Bezeichnung mittlerweile etabliert zu sein, wenn ich an die ein paar Jahre zurückliegende Ausgrabung einer „Keltenfürstin“ im Heuneburg-Umfeld denke.
Wobei es dort eine größere Zahl von Großgrabhügeln gab. D.h. das Grab der „Keltenfürstin“ war sicher ein herausragendes Keltengrab, aber vermutlich seinerzeit nicht unter den anderen lokalen Gräbern so hervortretend, wie das Naue für den Pullacher Fall beschreibt. Es ist also vorstellbar, daß in Pullach wirklich ein Chef (w,m,d) begraben lag, der die Macht hatte, sich von einem Kreis untergebener Gemeinden Pferde und Steitwagen stellen zu lassen.
Die Veröffentlichung des später über seine vielen Ausgrabungen promovierten Dr. Julius Naue ist in den „Beiträgen zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns 5“ auf den Seiten 249–273 enthalten. Man kann sich diese Beiträge im Internet Archive ansehen oder sie von dort downloaden. Ich hatte das Internet Archive hier im Blog schon mehrfach verwendet, aber angesichts der aktuell vielfach anfallenden freien Zeit noch der gesonderte Hinweis: Im Internet Archive - manchmal auch einfach als „Archive.org“ bezeichnet - kann man sich ähnlich verlieren wie in der Wikipedia. Die bekannte Wayback Machine, mittels der man sich alte Stände von Webseiten ansehen kann, ist Teil des Internet Archives.
Über das Hügelgräberfeld mit dem Fürstengrab hatte ich schon 2011 im ersten Teil meiner damaligen „BayernViewer-denkmal und GPS“-Serie geschrieben. BayernViewer-denkmal wurde mittlerweile durch den Bayerischen Denkmal-Atlas abgelöst. Inhaltlich stecken noch weitgehend die alten Informationen im neuen Denkmal-Atlas. Im vorliegenden Fall ist nur die Rotfläche des Bodendenkmals D-1-7935-0092 mit dem Grabhügelfeld größer geworden und die Kartenansicht scheint mir hinsichtlich der Lage der Grabhügel unbrauchbarer. Aber dafür gibt es jetzt die Reliefansicht des BayernAtlas. Da kann man sowohl einzelne Grabhügel als auch deren Häufung im Bereich des Fürstengrabes besser erkennen, als das seinerzeit mit der Kartenansicht möglich war.
Dieser Bereich der Grabhügelhäufung mit der auf den ersten beiden Bildern gezeigten Informationstafel liegt ein paar Schritte von einer vielbefahrenen Radstrecke in den Süden von München entfernt. Da wo die beiden Bänke rechts in Bild 3 zu sehen sind, geht es links in den Wald. Über den Denkmal-Atlas findet man die Stelle gut anhand der Nummer D-1-84-139-12 des im Hintergrund zu sehenden Gabriel-von-Seidl-Denkmals.
Von den beiden Bänken hat man den auf Bild 5 gezeigten Blick auf die Burg Grünwald, die Isar und die Isarbrücke. Die Alpen habe ich von hier wie auch vom Burgturm auf der anderen Seite noch nie gesehen. Julius Naue damals schon, bei ihm gab es im Sommer auch viel Grün. Man lese seinen Text auf Seite 263: „Traten wir dann aus dem Walde hinaus an das hohe und steile Ufer der grünen Isar, die wie eine frische, kräftige Bergmaid, das grüne, kleine Hütchen auf dem Haupte, fröhlich daherrauscht, schauten hinweg über die hohen Wipfel kräftiger Buchen und schlanker Fichten nach dem gegenüberliegenden Schlosse Grünwald und von da über Wiesen, Felder und Wälder nach den fernen, duftig blauen Alpen, über welche sich der klare Aether emporwölbte, so umgab uns ein Bild mit unsagbarem Reize, eine Landschaft so gross, so schön und so eigenartig gestaltet, wie man sie wohl selten in der Nähe einer großen Stadt findet.“
Zu beachten wäre bei Bild 5 die etwa im Bereich der rechten Seite der Burg durchgehende Sichtachse hinüber zu dem in Grünwald weiter ansteigenden Gelände hoch zum neuen Grünwalder Gymnasium. Sowohl das Gelände des Gymnasiums als auch das ansteigende Gelände davor (Parkgarage) wurden mittlerweile archäologisch untersucht. Eine Basis, auf der die Phantasie Naues noch nicht aufbauen konnte. Ob da die Chefs hüben und drüben sich gegenseitig die Grabhügel ihrer Vorfahren präsentierten oder der Fürstengrabhügel von Pullach einen überregionalen Mittelpunkt darstellte?
Die Römerstraße südlich der Grabhügel erwähnt Naue, die war ihm bekannt, auch die an die Römerstraße erinnernden Gedenksteine gab es schon. Bild 6 zeigt die Infotafel oberhalb des Hohlweg hoch aus dem Isartal, Bild 7 den Gedenkstein an der nahen Bundesstraße B11. Der ist über die Denkmalnummer D-1-84-113-6 im Bayerischen Denkmal-Atlas zu finden. Man möge sich einmal den Verlauf der von Westen auf diesen Hohlweg zulaufenden Römerstraße im Bayerischen Denkmal-Atlas ansehen. Auffällig ist der starke Knick fast am Ende des Forstenrieder Parks, mit dem die Römerstraße in Richtung auf den Hohlweg abbog. Aber es gibt noch weitere leichte Knicks mit folgenden geraden Strecken. Die gerade Linie im Bereich der Autobahn läuft noch direkt auf das Hügelgräberfeld mit dem Fürstengrab zu.
Einen kleinen Knaller liefert die Reliefansicht. Man kann mit ihr sehr schön den Hohlweg erkennen. Besonders bemerkenswert sind aber die erkennbaren Materialentnahmegruben an der Römerstraßentrasse. Die Römerstraßen-Linie des Bayerische Denkmal-Atlas wurde im beschriebenen Bereich mittlerweile um rote Ausbuchtungen zu einer „Straße der römischen Kaiserzeit mit begleitenden Materialentnahmegruben (Teilstück der Trasse Augsburg-Salzburg).“ ergänzt (Denkmalnummer D-1-7934-0096).