Freitag, 31. Oktober 2014

Bernstorfer Sensationsfunde - zu schön, um echt zu sein?

Aktuell sind die Bernstorfer Sensationsfunde wieder in den Medien. Vor allem wegen der Aussage von Prof. Ernst Pernicka, daß es sich beim untersuchten Gold der Goldfunde um „modernes, elektrolytisch gereinigtes Gold“ handelt. Archäologie Online zitiert Prof. Pernicka in dem Artikel „Goldfund von Bernstorf stammt wohl doch nicht aus der Bronzezeit“ weiter mit den Worten: „Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass es sich bei den Goldfunden von Bernstorf um moderne Imitationen handelt“.

Nach der am 29.10. im Bayerischen Fernsehen gezeigten Sendung Kontrovers, die man sich aktuell noch in der Mediathek ansehen kann (der Beitrag zu Bernstorf dauert nur etwa 13 Minuten und befindet sich am Anfang der Kontrovers-Sendung) stehen nach einem internen Workshop auch die Bernsteinfunde und die vorgeblich bronzezeitlichen Fundverpackungen im Verdacht nicht aus der Bernstorfer Bronzezeit zu stammen.

Brisant ist das alles und natürlich auch traurig, sollten sich die Sensationsfunde doch als Fälschung erweisen, weil die Funde weitreichende Beziehungen des bronzezeitlichen Bernstorf belegten und so auch seitens Teilen der Wissenschaft akzeptiert wurden. Der Film „Die Bernsteinstrasse“ von Gisela Graichen und Peter Prestel ist entsprechend aufgezogen (die verlinkte Arte-Website zu den Aussendungen wirbt mit den Bernstorfer Funden „Dort wurde ein rätselhaftes Bernsteinsteinsiegel und Gold aus ägyptischen Minen gefunden“). Hoffentlich wird das nicht für das Bronzezeit Bayern Museum zum Desaster. Die Bronzezeit ist mit oder ohne diese Sensationsfunde super interessant, aber vermutlich ist das Museum stark auf diese Funde ausgerichtet.

Ich verlinke mal auf einen alten Eintrag von mir von 2010 unter dem Titel „Die befestigte bronzezeitliche Siedlung bei Bernstorf, Gemeinde Kranzberg“ um noch kurz auf mehr Hintergrund einzugehen. Also es gibt neben dem Gold und dem Bernstein auch noch die Befestigung und die Idee der Siedlung. Die Befestigung, man spricht von einer Länge von 1,6 km, ist aus unbekannten Gründen abgebrannt, im Fernsehen war dazu auch schon ein Brand-Experiment an einem kurzen Stück Nachbau zu sehen. In den vergangenen Jahren liefen Ausgrabungen, die weder neue Sensationsfunde brachten noch die in diese große Befestigung passende Siedlung finden konnten. Die große Befestigung und der Brand scheinen aber unstrittig zu sein. Näheres dazu in der Forschungsprojektseite der Goethe-Universität Frankfurt am Main „Die bronzezeitliche Befestigung Bernstorf und ihr Siedlungsumfeld im Ampertal (Lkr. Freising, Oberbayern).“. Man kann da mal kurz drüber sehen, das ist nicht so viel. Vor allem aber sollte man sich den bei academia.edu online gestellten Artikel „Neue Forschungen zu den Befestigungen auf dem Bernstorfer Berg bei Kranzberg im Landkreis Freising (Oberbayern)“ aus den „Bayerischen Vorgeschichtsblätter“ 77 (2012) mal durchsehen, wenn man an der Bernstorfer Geschichte interessiert ist.

Der an Text, Foto, Zeichnungen und Karten umfangreiche Artikel ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Sowohl hinsichtlich den vorgefundenen Resten von Befestigungen aus unterschiedlichen Zeiten - es gab da offenbar auch eine hallstadtzeitliche Befestigung. Als auch Aussagen zur Siedlung („Derzeit können kaum nennenswerte Hinweise auf eine Innenbesiedlung zur Zeit der Befestigung in der jüngeren Mittelbronzezeit namhaft gemacht werden, es ist aber auszuschließen, dass es sich, wie bislang vielfach geäußert, um eine dicht besiedelte Anlage mit einer Bevölkerung von 1000 Personen im Sinne einer stadtartigen Siedlung handelte“) und zu den Gold- und Bernsteinfunden. Hier findet sich die Aussage zum Vergleich mit dem Gold des „sogenannten Echnaton Sarg / KV 55“: „Das Gold des Sarges aus KV 55 ist sehr rein, wenngleich es noch deutliche Reste von Silber und Kupfer enthält. Der Vergleich der Spurenelemente zeigt eine überraschend hohe Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Goldes aus Bernstorf.“ Interessant ist auch, daß es wohl trotz der unabhängigen Gold- und Bernsteinfunde auch eine Koppelung Gold-Bernstein gibt, der Artikel erwähnt einen „Goldrest aus der Durchlochung des Bernsteinsiegels“. Übrigens gibt es nach Aussage von Prof. Rupert Gebhard in dem Kontrovers-Beitrag auch ein Goldobjekt, das mit einem verkohlten Stab verbunden war, der unabhängig voneinander mehrfach in das 14. Jahrhundert vor Christus datiert wurde.

Das Informationsangebot ist im vorliegenden Fall recht umfangreich, wenngleich man auch schnell in Sackgassen landen kann - Tageszeitungsartikel die nur den Gold-Aspekt behandeln und nicht auf zusätzliche Informationen weiterverlinken, Radiobeiträge und der erwähnte sehr gute Kontrovers-Beitrag, die medienbedingt nicht auf die große Menge Hintergrund im academica.edu-Artikel verlinken können. Warum ist das Bronzezeit-Museum so still, könnte man nicht einen News-Ticker etablieren der alle gefundenen Stimmen verlinkt, auch die kritischen? Die neueste mir bekannte Meldung: „Prof. Ernst Pernicka kommt!“ Am 17.11.2014 referiert er im Hörsaal FH16 im Löwengebäude an der FH Weihenstephan auf Einladung des Archäologischen Vereins Freising. Auf der Website des Archäologischen Vereins Freising soll es dazu in Kürze nähere Informationen geben.

1 Kommentar:

Scheidl Lorenz hat gesagt…

Der Vortrag von Herrn Prof. Pernicka findet im Hörsaal FH14 statt, nicht im FH16. Eingeladen sind alle Interessierten! Vielen Dank für die Berichterstattung!