Im Münchner Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst befindet sich ein teilweise antiker Obelisk. Eine Replik dieses Obelisken wurde zur Jahresmitte 2024 hin umgestürzt und die zerbrochenen Teile dieser Replik als Kunstinstallation auf die Treppe hinunter zum Eingang des Museums gelegt.
Von dem originalen Obelisken im Ägyptischen Museum ist nur der Mittelteil antik. Wobei dieser Mittelteil nicht einmal zu Zeiten der Alten Ägypter sondern erst unter römischer Herrschaft entstanden ist. Dieser antike Teil wurde lange Zeit nach seiner Entstehung mit einem neuen Fuß und einer neuen Spitze ergänzt. Zudem hatte man den Obelisken mit weiteren Hieroglyphen beschriftet. Die ergänzten Hieroglyphen ergeben keinen Sinn, da zum damaligen Zeitpunkt das Wissen über sie verloren war und man die Hieroglyphen noch nicht wieder übersetzen konnte.
Das Ägyptische Museum informiert auf seiner Webseite „Der umgestürzte Obelisk - Eine Kunstinstallation“ über die Aktion und verlinkt Weiterführendes zum Obelisken. Bei Interesse möge man sich zumindest das pdf mit dem Beitrag „Der umgestürzte Obelisk“ in MAAT 33 durchlesen.
Die späteren Ergänzungen des Obelisken und das Auseinanderbrechen erinnern mich an die Ende der 1960er Jahre von Skulpturen in der wenige Gehminuten entfernten Glyptothek abgenommenen Ergänzungen. Das Vorher-Nachher-Bild vom Apoll Barberini aus dem Wikipedia-Artikel über den Bildhauer Ernst Mayer illustriert sehr gut was vor der Abnahme solcher Ergänzungen zu sehen war und nun ohne die Ergänzung in der Glyptothek zu sehen ist.
Ein anderes Beispiel aus der Glyptothek ist „die sinnlichste Statue der Welt“, der Barberinische Faun. Dem hat man ein hinzugefügtes Bein belassen und andere Teile abgenommen. Man suche bei Interesse nach „Harald Schulze: Die sinnlichste Statue der Welt“ bis man ein zugreifbares pdf mit dem äußerst lesenswerten Artikel findet.
Das Anfügen geschah beim Barberinischen Faun wie beim Obelisken schon durch die italienischen Vorbesitzer. Im Fall des Apolls und bei den Ägineten, den „Kronjuwelen“ der Glyptothek, wurden die Ergänzungen erst nach ihrem Ankauf von Ludwig I in Auftrag gegeben.
Die Münchner Ägineten sind aufgefundene Teile von Giebelskulpturen des Aphaiatempels auf der griechischen Insel Ägina. Ein wesentlicher Teil ihres hohen Wertes ergibt sich dadurch, daß die um 500 v.Chr. in zeitlichem Abstand voneinander entstandenen Skulpturengruppen den Übergang von der griechischen Archaik zur Frühklassik dokumentieren. Jede neugewonnene Information zur ursprünglichen Aufstellung der Skulpturen und deren wahrscheinlichem Aussehen muß daher auf die Goldwaage und die von König Ludwig I in Auftrag gegebenen Ergänzungen waren gegenüber diesen gewonnenen Erkenntnissen nicht mehr zeitgemäß.
2011 gab es in der Münchner Glyptothek die Ausstellung „Kampf um Troja. 200 Jahre Ägineten in München“, bei der man wie früher aufgestellte ergänzte Repliken der Skulpturenfunde der heutigen Äginetenaufstellung gegenüberstellte. Der Begleitband zur damaligen Ausstellung beschäftigt sich detailliert mit den umfangreichen Bemühungen um an Informationen über das Aussehen der Skulpturen und deren tatsächliche Aufstellung zu gelangen und begründet die heutige Lösung.
Während man bei den Ägineten den Gewinn durch die Abnahme der Ergänzungen nachvollziehen kann, wäre die Wirkung des Barberinischen Fauns vermutlich zerstört, wenn man ihm auch noch das ergänzte rechte Bein abnehmen würde. Man hat keine Informationen darüber, wie er tatsächlich ausgesehen hat und in welchem Kontext er aufgestellt war. Mit seinem ergänzten rechten Bein wird er aber vermutlich seinen zahlreichen Fans ein realistischeres Bild seiner früheren Wirkung geben, als wenn man ihm alle Ergänzungen abgenommen hätte.