Montag, 23. Dezember 2024

Die Keltenschanze im Laufzorner Holz

In diesem Jahr hatte ich mich im Blog in südlicher Richtung den Hachinger Bach entlang bachaufwärts von Altperlach bis zu einer der neuen Informationstafeln auf dem Oberhachinger Kyberg vorgearbeitet. Die Informationstafeln wurden an „verschiedenen historisch bedeutsamen Punkten aufgestellt, die spannende Einblicke in die Geschichte, Archäologie und Entstehung der Region um Oberhaching bieten.“

Keltenschanze im Laufzorner Holz

Unterhalb des Kybergs befindet sich die Quelle des Hachinger Bachs. Als geologische Besonderheit geht das Hachinger Tal im weiteren Verlauf nach der Bachquelle in das trockene Gleißental über, das in die südliche Richtung weiterführt. Die Keltenschanze im Laufzorner Holz liegt westlich des Gleißentals etwa 2 km Luftlinie von der Quelle des Hachinger Bachs entfernt. Die Museumsapp des Heimatmuseums Unterhaching trägt dem übergreifenden System von Hachinger Tal und Gleißental dadurch Rechnung, daß man das Gleißental zum Hachinger Tal dazuschlägt. Sie ist deshalb auch interessant für Ausflüge in den Bereich des Gleißentals. Daß es im Gleißental eine Skiflugschanze gab, habe ich bspw. nur durch die App mitbekommen. Einen Eindruck für diesen übergreifenden Ansatz der App gibt das Video „Flug über den Hachinger Bach“.

Die Kette von römischen Siedlungen entlang des Hachinger Bachs habe ich in den früheren Einträgen erwähnt. Die Nord-Süd-Verbindung dieser Siedlungen entlang des Hachinger Bachs muß sich irgendwie im Bereich des Übergangs vom Hachinger Tal in das Gleißental mit der römischen Ost-West-Fernverbindung zwischen dem römerzeitlichen Salzburg und Augsburg getroffen haben. Diese Fernverbindung kreuzte seinerzeit aber nicht den Hachinger Bach, sondern verlief durch den nördlichsten Teil des Gleißentals. Und führte nach dem etwa 500 m von der Schanze entfernten westlichen Aufstieg aus dem Gleißental direkt an der Keltenschanze im Laufzorner Holz vorbei, wie auf dem Schummerungsbild in Abbildung 3 der neuen Infotafel zu sehen ist.

Keltenschanze im Laufzorner Holz

Das auf der Informationstafel abgebildete Schummerungsbild kann man sich auch via dem BayernAtlas ansehen. Man beachte hier wieder die begleitenden Materialentnahmegruben. Bewegt man sich im BayernAtlas in Richtung Osten, sieht man die Römerstraßenschleife hinunter in das Gleißental. Die neue Informationstafel befindet sich wie die alte vor der westlichen Ecke der Keltenschanze an einem dort vorbeiführenden Weg. Das erste hier eingestellte Foto zeigt diese vom Weg aus gut sichtbare Ecke.

Von dieser Ost-West-Fernverbindung mußte hier wie gesagt irgendwie eine Verbindung in nördliche Richtung entlang des Hachinger Bachs abzweigen. Vom Zusammenleben der römischen Siedlungen mit dem Hachinger Bach gibt der römische Mühlkanal am Perlacher Oberen Hofanger einen guten Eindruck. In der Richtung dieser Kette der römischen Siedlungen entlang des Hachinger Bachs befand sich eine weitere römische Ost-West-Fernstraße, die zu einem Isarübergang bei Oberföhring führte. Die Vermutung liegt nahe, daß die Strecke durch das Hachinger Tal als Querverbindung diente. Die reich ausgestatten Grabfunde von Unterhaching, deren Entdeckung 2010 zur Ausstellung „Karfunkelstein und Seide - Neue Schätze aus Bayerns Frühzeit“ in der Archäologischen Staatsammlung München führten, könnten sich durch diesen für die damaligen Bedürfnisse verkehrsgünstig gelegenen Standort erklären lassen.

Keltenschanze im Laufzorner Holz

Die neue Informationstafel an der Keltenschanze im Laufzorner Holz enthält in Abbildung 2 zwar eine geophysikalische Prospektion mit Eintragung der Gebäudegrundrisse. Leider ohne weitere Angaben darüber, welche Gebäude man heute in der Schanze vermutet. Die jahrzehntealte Tafel zuvor behaupte, daß Keltenschanzen nicht wie man früher geglaubt hatte befestigte römische Gutshöfe waren, sondern nach außen hin abgegrenzte Kultstätten der Spätkeltenzeit. Ich glaube an Gutshöfe der ländlichen Oberschicht, die als Oberschicht vor Ort auch für das Religiöse und für kultische Handlungen zuständig war.

Die Keltenschanze im Laufzorner Holz hatte ich schon 2010 im Blog. Der Titel „Vernetzte Erdwerke - mit Fotos von der Keltenschanze im Laufzorner Holz“ erklärt sich über eine Projektwebsite zu den „Vernetzten Erdwerke“, die ich damals ganz gut gefunden habe, aber die es heute nicht mehr gibt. Noch ungünstiger war das Verschwinden von Informationen zu lokalen Römerstraßendiskussionen auf einer anderen Website. Den alten Text habe ich wegen diesen verschwundenen Informationen bei einer Überarbeitung 2019 etwas eingedampft.

Keltenschanze im Laufzorner Holz

Ob ich meinen Text zur Keltenschanze im Laufzorner Holz nun wieder über die Vernetzung aufziehen mußte, kann man diskutieren. Mache ich dann ein wenig bei der konkurrierenden östlich am Gleißental anliegenden Mehrfachschanze im Loh, die würde vielleicht besser passen. Aber eine der Schanzen mußte für die Vernetzung mit der Ost-West-Verbindung herhalten und bei der im Laufzorner Holz konnte ich jetzt auf meine eingedampften Vernetzungsbeispiele aus noch viel früheren Zeiten zurückgreifen.

Bei meinen Blogeinträgen hänge ich hinterher. Die lange Pause seit September war wieder nicht gewollt. Und ich bin jetzt ungewollt mit der Keltenschanze im Laufzorner Holz auf Weihnachten zugerutscht. Ich dachte erst kurz daran etwas anderes für Weihnachten vorzuziehen.

Keltenschanze im Laufzorner Holz

Aber im Grunde paßt dieses Vernetzungsthema ideal zur Weihnachtszeit, in der auch gern Verbindungen gepflegt werden. Man möge in dem Sinne bei dieser Pflege noch etwas drauflegen. Siehe die Überlegung zu den reichen Unterhachinger Funden, nach denen die Verbindungen ein wesentlicher Grund für die Standortwahl waren! Und ich versuche bis Weihnachten zumindest diesen Blogeintrag eingestellt zu kriegen..

Ich wünsche allen schöne Weihnachtsfeiertage und ein gutes neues Jahr!

Montag, 23. September 2024

Der Oberhachinger Kyberg

.. ist nicht so bekannt, wenn ich nach einem seit 60 Jahren im Raum München lebenden Freund der Familie gehe. Dem hatte ich am Freitag Grüße vom Oberhachinger Kyberg geschickt. Nach seiner Antwort schickte ich gleich die Entwarnung hinterher: der Kyberg ist nur so hoch wie es auf den beigefügten Fotos aussieht. Die alten Kelten mußten hier aber einen „Herrenhof“ bauen und ich jetzt zu dem Herrenhof die Informationstafel durchlesen.

Blick vom Oberhachinger Kyberg

Tatsächlich wird es vorzeitlich ganz interessant gewesen sein, hier den Geländesporn oberhalb des Hachinger Bachs zu besetzen. Der Geländesporn hat zwei leichter zu verteidigende Seiten. Man sieht was in der Umgebung vor sich geht und man kann besser seinen Herrenhof präsentieren. Es wird aber etwas gekostet haben, denn für die später um den Kyberg herum entstandenen Keltenschanzen brauchte man keinen erhöhten Geländesporn mehr. Und die noch später entstandene Kette der Römersiedlungen entlang des Hachinger Bachs arbeitete sogar sehr eng mit dem Bach zusammen, wie eine in Altperlach im Gelände dokumentierte Ausgrabung eines römischen Mühlkanals belegt.

Mein Fotografenstandort beim Blick vom Kyberg befand sich ein paar Meter hinter dem Oberhachinger Rathaus. Ich war früher häufiger im Bereich der Oberhachinger/Deisenhofener Keltenschanzen unterwegs, jetzt schon lange nicht mehr. Meine Freitagstour war nur als lockere Vorbereitungsfahrt bis zur Kyberg-Informationstafel für spätere Touren zu meiner Hachinger-Bach-Serie gedacht. Ich wollte an dem Tag nicht noch rechts im ersten Bild runter um nach der Quelle des Hachinger Bachs zu suchen, sondern bin nach links hinten und unter der Haltestelle Deisenhofen durch wieder heimgeradelt.

Informationstafel beim Rathaus auf dem Kyberg in Oberhaching

Die fotografierte Informationstafel wurde zusammen mit einigen weiteren Informationstafeln neu aufgestellt und erst im August breiter publik gemacht. Wer sich für geschichtliche Oberhaching-Touren kundiger machen will, mag sich via dieser Oberhachinger Website, der OHA App oder dem Bayerischen Denkmal-Atlas weiter informieren. Auf der Oberhachinger Website werden die weiteren Standorte der Informationstafeln angegeben.

Informationstafel beim Rathaus auf dem Kyberg in Oberhaching

Die im Zusammenhang mit dem Heimatmuseum Unterhaching erwähnte „Hachinger Bach“-App böte ebenfalls Anregungen, weil sie den Hachinger Bach übergreifend behandelt und weit in das an Oberhaching anschließende Gleißental heineinführt.

Informationstafel beim Rathaus auf dem Kyberg in Oberhaching

In meinen letzten „Gemischten Links“ hatte ich auf einen Kelten-Vortrag in Oberhaching und einen „Kelten-Römer-Tag für die ganze Familie“ bei der Keltenschanze im Lanzenhaarer Feld hingewiesen. Der Vortrag fand statt, der Kelten-Römer-Tag fiel starkem Regen zum Opfer und soll im nächsten Jahr stattfinden.

Noch ein Hinweis auf den Beginn des kostenlosen openHPI-Kurses „Python – schnell und intensiv Programmieren lernen“ am 2. Oktober. Der Hinweis klingt jetzt vielleicht nicht so zum Zeitspektrum des Blogs passend, aber Python ist beispielsweise für viele Digital-Humanities-Leute schon wichtig und deren Themen passen schon öfters zu meinem engeren Blogbereich.

Donnerstag, 15. August 2024

Gemischte Links

Im letzten Jahr schrieb Conrad Schormann anläßlich des 80sten Geburtstages des Schachgroßmeisters Dr. Helmut Pfleger über ihn in den Perlen vom Bodensee: „Die breite Öffentlichkeit kannte und kennt ihn vor allem als den Schacherklärer aus dem Fernsehen. Von den frühen 80ern bis Mitte der 2000er war Helmut Pfleger das TV-Gesicht des deutschen Schachs.“

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

Meine Fotos stammen von der Einweihung eines neuen großen Bodenschachspiels auf der Kulturinsel vor dem Gasteig-Ausweichquartier HP8 am 17. Juli 2024. Jana Schneider und Svenja Butenandt spielten zwei Schachpartien miteinander und Dr. Helmut Pfleger kommentierte. Es war schön zu sehen, wie Helmut Pfleger trotz des vorgerückten Alters souverän wie früher seine Rolle gemeistert hat. Er könnte nahtlos wieder an seine Fernsehkommentatorenzeit anknüpfen! Zu Jana Schneider, Svenja Butenandt und dem Endergebnis gibt es etwas mehr Informationen vom Schach-Ticker

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

Man kann nun selbst beim HP8 Hand an die Schachfiguren legen. Die Ausleihbedingungen findet man auf dem letzten Foto. Vielleicht wäre mit einem elektrisches Verfahren mit App das Ausleihen aus dem Schrank und die Figurenübergabe an andere Spieler eine kleinere Hürde? Das könnte ich nächste Woche am 22.8. die Teilnehmer der Untergiesinger Schachwanderung nicht weit vom HP8 entfernt auf der anderen Isarseite fragen. Bei Interesse beachte man das weiter unten auf der Website verlinkte Plakat mit zwei weiteren Augustterminen und drei im September.

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

In der Münchner Innenstadt läuft derzeit ein Stelenprojekt, bei dem mittels 13 Infostelen Passanten auf bedeutende archäologische Fundstellen aufmerksam gemacht werden. Im Zusammenhang mit dem Stelenprojekt lädt laut Münchner Wochenanzeiger die Archäologische Staatssammlung bis Ende Oktober zu kostenlosen Führungen ein. Die nächsten Termine sind am 21. und 29. August.

Einweihung eines Bodenschachspiels beim Gasteig HP8 mit von Großmeister Dr. Helmut Pfleger kommentierten Partien von Jana Schneider und Svenja Butenandt

Ende Juli und Anfang August meldete das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege neue Erkenntnisse aus dem Raum München. Zum einen konnten Siedlungsfunde im Ortskern von Neufahrn auf eine Zeit vor der ersten urkundlichen Erwähnung der Gemeinde datiert werden. Zum anderen ist man im Oberschleißheimer Ortsteil Neuherberg auf Spuren einer bislang unbekannten mittelalterlichen Siedlung gestoßen. Beim BR ist derzeit noch ein Video vom Neuherberger Ausgrabungsgelände zugreifbar.

Ausleihmodalitäten der Schachfiguren des Bodenschachspiels beim Gasteig HP8

Schließlich noch ein Hinweis auf einen „Kelten-Römer-Tag für die ganze Familie“ in Oberhaching und ein terminüberschneidendes „Keltenwochenende“ in der Archäologischen Staatssamlung. Oberhaching startet schon vor dem Wochenende mit einem Vortrag am 12.9. Am Samstag dem 14.9. kann man dann in der Oberhachinger Keltenschanze im Lanzenhaarer Feld Mitgliedern historischer Darstellungsgruppen und historischen Handwerkern beim Näherbringen keltisch-römischen Lebens zusehen und es wird eine Fahrradführung zu den weiteren Keltenschanzen Oberhachings angeboten (Der Samstagstermin bei der Keltenschanze wurde wegen schlechter Wettervorhersage abgesagt!! Man bemüht sich um einen Ersatztermin im nächsten Jahr!). Die Archäologische Staatsammlung bietet am 14. und 15.9. Führungen und Mitmachaktionen zu den Kelten an.

Samstag, 20. Juli 2024

Mathematikgeschichte für Kinder und Erwachsene

Das folgende Buch halte ich für eine sehr empfehlenswerte erste Einführung in die Mathematikgeschichte:

Titel: „Mathematik: Die Geschichte der Ideen und Entdeckungen“
Autoren: Rybakow, Josif; Astrina, Marija
Illustration: Jaskina, Natalia.
Verlagshaus Jacoby & Stuart, 2022, 160 S., Preis 22 €,
ISBN/EAN: 9783964281340

Ich habe das Buch als Wunschbuch eines Zehnjährigen kennen gelernt und mir nach vorsichtigem Reinsehen vor dem Verschenken ein Exemplar davon aus der Stadtbibliothek ausgeliehen. Mit einem zehnjährigen Leser im Kopf mag der folgende Auszug aus der Verlagsbeschreibung gruselig klingen: „Die Autoren berichten von der Erfindung der Null, von der Entdeckung der Zahl π, die es erlaubt, den Kreisumfang zu messen, vom Gesetz der Schwerkraft, von der Relativitätstheorie, von den Axiomen Euklids und den multidimensionalen Riemann-Räumen sowie von den mathematischen Grundlagen der Computertechnologie. Alles wird dabei so gut und einfach erklärt, dass auch (Noch-)Nicht-Mathematik-Cracks es verstehen. Dazu tragen nicht zuletzt die wunderbaren Illustrationen von Natalia Jaskina bei.“

Man muß sich bei dieser Beschreibung einen Fokus auf den „Ideen und Entdeckungen“ vorstellen. Die Autoren gehen bei den Ideen und Entdeckungen wenig in die Mathematik rein und lassen vieles aus, um es schlußendlich auf 160 Seiten aus der grauen Vorzeit bis in die Zeit der russischen Buchvorlage von 2016 zu schaffen. Das Buch ist seitens des Verlags in der Kategorie „Kinder- und Jugendbücher/Sachbücher, Sachbilderbücher“ einsortiert. Das Startalter sehe ich beim Verlag nicht, der ganz große Buchversender gibt 10 Jahre an. Wegen dem umfangreichen Programm sollte aus meiner Sicht ein großes Interesse des Kindes am Buch und ein interessierter Erwachsener als Ansprechpartner vorhanden sein.

Der große behandelte Zeitumfang ist eine Besonderheit des Buches. Ich habe bei meinen Stadtbibliotheksgelegenheiten in ein paar weitere mathematikgeschichtliche Bücher hineingesehen. Die behandelten einen begrenzteren Zeitraum, diskutierten dort einzelne geschichtliche Aspekte mehrere Seiten länger oder gingen auf die zugrundeliegende Mathematik viel tiefer ein. Man kann sich die Entscheidung für eine Vertiefung mit solchen Büchern für die Zeit nach dieser Einführung vorbehalten. Anregungen sich weiter mit der Mathematik zu beschäftigen bekommt man genug.

Die große Zeitspanne die das Buch umfaßt und die Art wie diese Einführung umgesetzt ist halte ich für sehr hilfreich um ein Gefühl für die teils sehr großen Zeitabstände zu bekommen, in denen die Entwicklungen stattfanden. Euklid mit seinen Geometrie-Axiomen wird etwa im Buch recht früh nach Thales und der Feststellung behandelt, daß die Griechen einführten auch Offensichtliches zu beweisen. Der Hintergrund war die Frage „ist es immer so?“, die die früheren Kulturen nicht so interessierte. Euklid gab dem Beweisen u.a. mit Axiomen eine Basis, auf der er seine Geometrie aufbaute. Erst mehrere Jahrhunderte nach den Elementen des Euklid kam die Arithmetica des Diophantos, die wird in „Vorwärts zur Algebra!“ ab Seite 55 behandelt. Über 1000 Jahre nach Diophantos mit René Descartes dann das kartesische Koordinatensystem, das findet sich im Buch auf Seite 116. Ich habe die Tage etwas über Winkelfunktionen in der Wikipedia nachsehen wollen und fand eine Erläuterung durch Formeln, die vermutlich passend und elegant war, aber einer späteren Ausdruckswelt entstammt. Ich habe mich in der Situation erstmalig gefragt, ob es nicht auch eine gute geometrische Erläuterung gegeben hätte. Und wenn ja, ob die geometrische Erläuterung für Personen ohne die notwendige Oberstufenmathematik für die stattdessen in der Wikipedia verwendeten Formeln und Umformungen verständlicher gewesen wäre.

Zur Art der Umsetzung: das Buch mutet anfänglich wirklich als Kinderbuch an. Es startet in der grauen Vorzeit mit der Frage, wie wohl die Menschen gelernt haben zu zählen. Von da aus arbeiten sich die Autoren schnell zu Zahlensystemen unterschiedlicher früher Kulturen vor, um dann zur Mathematik der Ägypter, Babylonier und den Griechen gelangen. Hierbei ist auch wirklich alles wunderbar illustriert.

Das Buch lebt von den Querverweisen zwischen den vorgestellten Ideen und Entdeckungen. Die werden aus meiner Sicht für unbegleitete Kinder bald etwas happig, weil man sich auf dauernd wechselnden Ebenen bewegt. Das oben beschriebene Aufschreiben von Mathematik ist etwas anderes als ein Beweis, der ist wieder etwas anderes als ein Axiom oder ein entdeckter mathematischer Satz. Die Logik ist wieder etwas anderes und wie uns die Mathematik beigebracht wurde sorgt für eine neue Ebene. Im Unterricht könnte der im Buch die Jahrtausende überragende Euklid bei vielen von uns untergegangen sein, weil man uns in unserem Geometriealter noch nicht den Aufbau der Geometrie aus Axiomen beibringen wollte.

Im Buch kommen die Querverweise zum einen im fortlaufenden Text vor, in dem man etwa nach vorgestellter Mathematik zu Passendem in der Sternenkunde oder vom Beweisgedanken zu Aristoteles und der Logik kommt. Zum anderen gibt es die Querverweise auch in Form eigens eingefügter Tabellen. In den Tabellen werden spaltenweise zeitlich aufeinander folgende Errungenschaften aufgeführt, etwa mit einer Spalte für die Ägypter „seit 4000 v. Chr.“, einer für die Babylonier „seit 3000 v. Chr.“ und einer für die Griechen „7. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr.“. In der Spalte der Ägypter gibt es dann eine Zeile mit dem „Anfang der Bruchrechnung“, in der Spalte daneben bei den Babyloniern ist in derselben Zeile die Schreibweise für alle möglichen Brüche und die Entdeckung der Wurzel aus 2 aufgeführt. Und daneben in der Griechen-Spalte steht der Beweis, daß die Wurzel aus 2 nicht als Bruch dargestellt werden kann.

Die logischen Gesetze des Aristoteles landeten im Buch in einer anderen Tabelle. In dem Fall neben einer Spalte mit deutlich später im Buch behandelte Themen. Die logischen Gesetze gelangten so neben das Thema „Leibniz und die universale Wissenschaftssprache“. Die Illustrationen sorgen bei solchen Sprüngen für ein Zeitkolorit. Häufig hat man zusätzlich auch einen Wiedererkennungswert einzelner Personen und bisweilen auch für das behandelte Thema.

Das Buch habe ich nach dem Durchlesen als bereichernd und anregend und unter dem Strich sehr empfehlenswert empfunden. Für mich hat es seine einführende Aufgabe erfüllt. Mit dieser Aufgabe war trotz der vielen vorgestellten Ideen und Entdeckungen eine Auswahl und viel Weglassen verbunden. Das hat nach meinem Gefühl ganz gut geklappt. Gegen Ende schwächelt der Text aber für mein Empfinden. Die belebenden Querverweise werden rarer und die Computer sind vielleicht nicht so das Ding der Autoren.

Freitag, 21. Juni 2024

Gemischte Links

Die Schamanin von Bad Dürrenberg hatte ich im Blog verschiedentlich erwähnt. Sehr beeindruckend fand ich die Schamanin im Steinzeitfilm „Alpha“, deren Ausstattung auf einer Rekonstruktion der Schamanin von Bad Dürrenberg basierte. Die Bezeichnung „Schamanin von Bad Dürrenberg“ ergab sich aus der Interpretation von Funden im Zusammenhang mit einer steinzeitlichen Doppelbestattung einer Frau und eines Kindes im heutigen Bad Dürrenberg. Morgen ist eine neue Doku über das Grab und die Funde bei Arte zu sehen: „Das Grab der Schamanin - Ein Geheimnis aus der Steinzeit“. Online soll die Doku bis 22.07.2024 verfügbar bleiben.

Rosengarten der Baumschule Bischweiler

„Das Grab der Schamanin von Bad Dürrenberg ist eines der Highlights in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Saale) und ein Fund von Weltrang“ schreibt das Landesmuseum für Vorgeschichte. Und passend zur neuen Doku bei Arte über sein Highlight verweist es in diesen Tagen auf seine neue Mediathek. Ich verlinke zum Einstieg auf die „Einführung - Neue Forschungen zur Schamanin von Bad Dürrenberg“. Man kann ja testen ob man in der Mediathek alle Filme des Landesmuseums über die Schamanin findet und schauen was sonst noch so im Angebot ist.

Kletterrose Antike 89

Die Rose wird laut der Wikipedia seit der griechischen Antike als „Königin der Blumen“ bezeichnet und seit mehr als 2000 Jahren als Zierpflanze gezüchtet. So gesehen bleibe ich in meinem Bereich „graue Vorzeit bis Spätantike“, wenn ich hier den Münchner Rosengarten der Baumschule Bischweiler empfehle. Leider geschieht das etwas spät, denn das bombastische Blütenmeer sah am letzten Montag aus der Nähe betrachtet meist nicht mehr so frisch wie die ausgewählten Rosen auf meinen Fotos aus. Die Südgrenze der Baumschule wird durch die östliche Gleisfortsetzung der Braunauer Eisenbahnbrücke markiert, die im Hintergrund des vierten von mir eingestellten Fotos zu sehen ist. Das Foto vom Isarhochwasser hatten wir am 2. Juni von der Brudermühlbrücke aus aufgenommen, da hätten wir noch zum Rosengarten weiterradeln und uns über den Blütenstand informieren müssen.

Beetrose Mein München

Die heutigen Rosen dürften sich zwar ziemlich von den antiken Züchtungslinien entfernt haben, aber die Rose bleibt immer noch eine Rose und bei der Vielfalt heutiger Rosenschönheiten müßte auch etwas für antike Rosenliebhaber dabei sein. Beim Schach ist mir dagegen unklar welche antiken Gefühle mein „Grenke Chess Festival 2024 in Karlsruhe“ ansprechen könnte. Abgesehen davon, daß es früher keine solche Turniere mit Schachuhr gab, soll das moderne Schach laut der Wikipedia erst nach einschneidenden Veränderungen im 15. Jahrhundert entstanden sein. Zudem verunklaren sich mit mehr zeitlicher Entfernung die Schachvorläufer immer mehr.

Isarhochwasser bei der Surfwelle an der Brudermühlbrücke

Eventuell böte sich mit dem aktuell präsentiertierten Fund einer mittelalterlichen Spielesammlung mit seltener Schachfigur eine Brücke. Wenn Spielesammlungen relativ zeitlos sind, dann kann man sich auch gut vorstellen, daß man immer gern „irgendwas wie Schach“ dabei hatte und das konnte bis hinein in die Antike so funktionieren. Strittige Schachvorläufer könnte man in dem Modell einfach als Bestätigung des „irgendwas wie Schach“ in der dortigen Spielesammlung ansehen.

Beetrose Gruß an Bayern

Es gibt einen sehr gut geschriebenen Blog eines Schachspielers, für den keine Sorgen um Großmeisternormen und Preisgelder relevant sind, sondern alles vom Interesse am Schachspiel getragen wirkt: „Die Abenteuer des Schachkids · Lustiges und Skuriles aus der Welt des Schachs“. Einen derartigen Blog im Schachkid-Stil könnte ich mir auch für mittelalterliche Touren eines fahrenden Schachspielers oder für noch frühere Zeiten mit „irgendwas wie Schach“ vorstellen. Vielleicht kann man sich sowas einmal von ChatGPT generieren lassen, wenn es umfangreich mit Geschichtswissen gefüttert wurde. Gerne auch mit Partiebeispielen, soweit die damaligen Regeln noch bekannt sind. Aber Hauptsache mit „irgendwas wie Schach“, da würde ich schon darauf bestehen.

Kletterrose Schloß Bad Homburg

In meinem Blog gab es früher eine größere Präsenz der Volkshochschule. Das passte gut dazu, daß ich vieles im Münchner Raum erst in den Jahren vor dem Blog in Volkshochschulvorträgen und bei Volkshochschulradtouren mitbekommen habe. Aktuelle Entwicklungen bei den Volkshochschulen sind mir aber entgangen, so daß ich vom Link auf „Gewalt. Die dunkle Seite der Antike - vhs.wissen live mit Martin Zimmermann“ ganz überrascht war. Ich kannte dieses „vhs.wissen live“-Format noch nicht.

Strauchrose Sonnenwelt

Länger bekannt ist mir hingegen der Blog „Das Erbe Roms - Reisen auf den Spuren der alten Römer“. Überrascht bin ich hier von vielen der vorgestellten Reiseziele - „Thysdrus: Das letzte Amphitheater der Römer“ war mir bislang kein Begriff. Es wurde mir aber wie immer mit tollen Fotos und informativen Texten erläutert.

Mittwoch, 15. Mai 2024

Keltenhaus Taufkirchen und Wolfschneiderhof

Dieser Blogeintrag über das Keltenhaus Taufkirchen und den Wolfschneiderhof ist der dritte Teil in meiner Hachinger-Bach-Serie, die ich im Februar mit dem „römischen Mühlkanal am Perlacher Oberen Hofanger“ begonnen und im März mit dem Heimatmuseum Unterhaching fortgesetzt habe.

Keltenhaus Taufkirchen

Taufkirchen hatte wie Perlach und Unterhaching einen durch den Hachinger Bach bestimmten Dorfvorgänger und um das Keltenhaus Taufkirchen herum soll es nach dem Bayerischem Denkmal-Atlas (Denkmalnummer D-1-7935-0055) eine Siedlung frühen Bronzezeit, der Spätbronze-/Urnenfelderzeit, der Späthallstatt-/Frühlatènezeit, der mittleren bis späten Làtenezeit, eine Villa rustica der römischen Kaiserzeit sowie Körpergräber des Endneolithikums (Glockenbecherkultur) und der frühen Latènezeit gegeben haben. Es trifft also zum einen die römerzeitliche Besiedlung zu, die schon im Perlacher Teil meiner Serie behauptet wurde (die Kette römerzeitlicher Siedlungen entlang des Hachinger Bachs). Zum anderen sind die verschiedenen Siedlungen Beispiele für die im Unterhachinger Teil vorgestellte begehbare Landkarte des Hachinger Baches mit vielen entlang seines Verlaufs eingezeichneten ehemaligen Siedlungsstellen.

Keltenhaus Taufkirchen

Ich will in diesem Zusammenhang zwar wieder sowohl das Unterhachinger Heimatmuseum als auch seine über Unterhaching hinausführende „Hachinger Bach“-App bewerben. Aber der Text zum Gebiet um das Keltenhaus weist schon darauf hin, daß das tatsächliche Szenario mit den vielen Siedlungen noch deutlich komplizierter war. Zu einer 2012 nahe dem Keltenhaus stattgefundenen Ausgrabung der Firma Singularch gibt es einen im Internet frei zugreifbaren Grabungsbericht und darin die folgende Bemerkung:„Da Ansiedlungen meist nach nur wenigen Generationen aufgegeben und in einiger Entfernung neu gegründet wurden, ist in den besonders siedlungsgünstigen Gebieten häufig eine mehrphasige Besiedlung feststellbar.“ Diese „Mehrphasigkeit des besiedelten Areals“ wurde dann auch weiter unten im Singularch-Text im Zusammenhang mit den vorgestellten Befunden angemerkt.

Umweltgarten beim Keltenhaus Taufkirchen

Das Keltenhaus Taufkirchen ist in Folge einer früheren, 1993/94 stattgefundenen Ausgrabung entstanden. Die Ergebnisse der Ausgrabung sind auf der Website der „Freunde des Wolfschneiderhofes in Taufkirchen e.V.“ kurz zusammengefasst. Im Keltenhaus wird laut der Website auf einigen Schautafeln die Archäologie im Hachinger Tal dargestellt. Führungen im Keltenhaus können mit dem Gemeindeheimatpfleger vereinbart werden. Vici.org bietet nebst einer weiteren Zusammenfassung zum Keltenhaus auch eine Lagekarte.

Wolfschneiderhof Taufkirchen

Meine Fotos stammen vom letzten April-Freitag. Das Wetter war nach ungünstigen Tagen ideal zum Radeln. Interessant wären noch Funde aus den Ausgrabungen gewesen, die im Taufkirchener Rathaus in Vitrinen ausgestellt sein sollen. Aber wegen anderer Rahmenbedingungen bin ich erst nach 12 Uhr beim Rathaus angekommen und konnte nur feststellen, daß das Rathaus nach Ablauf seiner Öffnungszeit tatsächlich zu ist.

Backhaus des Wolfschneiderhofs Taufkirchen

Ich bin danach noch ein kleines Stück weiter, um Fotos vom Wolfschneiderhof zu machen. Dieses zu bestimmten Zeiten besuch- und besichtigbare Taufkirchener Heimathaus ist ein gerettetes altes Bauernhaus aus der Zeit des kleinen Bauerndorfes Taufkirchen. Zufällig war gerade ein Mitglied der „Freunde des Wolfschneiderhofes in Taufkirchen e.V.“ anwesend, das mir freundlicherweise erlaubte vom Gelände des Wolfschneiderhofes aus zu fotografieren. Der Wolfschneiderhof sieht schön und heimelig aus. Ein Beitrag von München tv zeigt, was man sich innen noch alles ansehen kann. Das Leben der früheren Bewohner war aber extrem hart, wovon man sich in „Der Wolfschneiderhof und seine letzten Bewohner“ einen Eindruck verschaffen kann.

Wolfschneiderhof Taufkirchen

Am nächsten Sonntag ist der Internationale Museumstag 2024. Laut dem Veranstaltungskalender des Wolfschneiderhofs wird zwischen 14 und 17 Uhr ein besonderes Programm des Gemeindeheimatpflegers angeboten. Ich will zudem noch auf auf die Johannidult am 23. Juni 2024 von 11:00–18:00 Uhr im Garten des Heimathauses hinweisen. In dem Garten war ich von den gezogenen Pflanzen sehr fasziniert. Nicht nur die in dem kleinen eingehegten Bereich, sondern auch die in den Pflanzschalen sahen so gut, gesund und kräftig aus. Wenn das nicht an dem aktuellen Wetter und der Jahreszeit lag, sondern an besonderen Versorgungsfähigkeiten, dann darf man auf die selbstgebackenen Kuchen an Museumstagen und die Schmankerl vom Grill und die reichlichen kühlen Durstlöscher zur Johannidult gespannt sein.

Hachinger Bach beim Wolfschneiderhof Taufkirchen

Abschließend ein Blick nach Oberhaching, das soll die nächste Station auf meiner Tour entlang des Hachinger Bachs werden. Oberhaching feiert dieses Jahr seinen 1275. Geburtstag, und ein Höhepunkt des Festjahres soll die Festwoche vom 29. Mai - 9. Juni sein. Die beinhaltet am 8. Juni eine „Oberhachinger Zeitreise“, einen „Spaziergang durch die Geschichte für die ganze Familie“.

Hachinger Bach beim Wolfschneiderhof Taufkirchen

Freitag, 3. Mai 2024

Grenke Chess Festival 2024 in Karlsruhe

Über Ostern fand in Karlsruhe das „Das größte Schachturnier der Welt“ statt. Das Grenke Chess Open hatte sich in den Jahren bis 2019 sehr erfolgreich in Karlsruhe etabliert. Es war aber in den Folgejahren Corona-bedingt ausgesetzt worden und es blieb lange unklar, ob es in diesem Jahr wieder stattfinden wird. Die Organisatoren müssen für die spät erfolgte Entscheidung zugunsten des Turniers sehr gut vorbereitet oder zu Wundern fähig gewesen sein. Die Teilnehmer (w,m,d) hatten aber auch ihren Teil beigetragen: trotz der späten Bekanntgabe, daß das Turnier nun tatsächlich stattfindet, meldeten sich soviele Teilnehmer an, daß die anfängliche Erwartung vom größten Open Europas auf das weltgrößte korrigiert werden mußte.

Im Folgenden versuche ich den Turnierschachferneren etwas aufzudröseln, was in Karlsruhe passiert ist. Es werden vermutlich schon die unterschiedlichen Wettbewerbe des Chess Festivals verwirren: Man hat zum einen einige große Schachnamen für das Grenke Chess Classic eingeladen. Im Classic-Turnier fanden sich neben dem aktuellen Weltmeister Ding Liren und der deutschen Schachhoffnung Vincent Keymer auch der kampflos abgetretene langjährige Weltmeister Magnus Carlsen, welcher das Karlsruher Classic-Turnier schließlich gewann. Beim Grenke Chess Open konnte sich hingegen jeder der mitspielen wollte anmelden und das war das Turnier, das die großen Teilnehmerzahlen brachte. Nach dem Turnier waren 2600 Teilnehmer im Umlauf, der letzte Stand den ich am Gründonnerstag gesehen habe lag bei 2787 Anmeldungen. Wobei „das Open“ etwas ungenau ist - man hat versucht die Teilnehmer nach Spielstärke in ein A- B- und C-Open aufzuteilen. Auf das A-Open mit den stärksten Spielern entfiel der Löwenanteil des Preisgeldes. Dort gab es ebenfalls schachliche Riesen wie den schlußendlichen A-Open-Sieger Hans Moke Niemann.

Karlsruher Hygieia-Brunnen, im Hintergrund die Schwarzwaldhalle

Maßgeblich für die Einteilung nach Spielstärke waren Wertungszahlen, die aktive Turnier- und Mannschaftsspieler üblicherweise alle haben. Neben solchen öffentlich einsehbaren Wertungszahlen sind die besonders starken Spieler auch durch Titelkürzel wie GM für Großmeister und IM für Internationaler Meister erkennbar. Ein „Normengewinner“ ist jemand, der notwendige Normen für so einen Titel durch seinen Spielerfolg errungen hat. Ohne Titel, Normen und einer Wertungszahl aus bislang gemachten Turnier- und Mannschaftsspielen konnte man sich aber auch anmelden und wäre dann im C-Open einsortiert worden. Außer das Startgeld zu entrichten hätte man sich noch eine für die Erfassung des anstehenden Turniererfolges notwendige FIDE-Identifikationsnummer besorgen müssen. Solche Notwendigkeiten für die Teilnahme und das was auf einen im Turnier dann zukommt kann man der Turnierausschreibung zum jeweiligen Turnier entnehmen.

Im Classic spielte jeder gegen jeden zwei Partien mit gegenüber den Open verkürzten Bedenkzeiten. In den Open spielte man nicht gegen jeden anderen, sondern „9 Runden CH-System“ mit „Computerauslosung“. „CH“ ist hierbei ein Kürzel für „Schweizer System“, bei dem es im Grunde darum geht einem einen im Turnierverlauf ähnlich erfolgreichen Gegner zuzuordnen, gegen den man im Turnierverlauf bislang noch nicht gespielt hat. D.h. wenn man im einem der Open dauernd gewonnen hätte, wäre man zwangsläufig irgendwann auf die Spitzenspieler dieses Opens gestoßen. Wenn man erst einmal verloren hätte, hätte man bald die Chance gehabt gegen Spieler mit ähnlichen Startschwierigkeiten einen ersten Sieg zu erringen.

Die Modi der Turniere waren wie gesagt unterschiedlich, anderseits war das Classic-Turnier eine Riesenattraktion und das gemeinsame Spielen mit den Schachgöttern eine wesentliche Komponente des Chess Festivals. Man hat das Synchronisationsproblem derart gelöst, daß es an vier der fünf Open-Turniertage einen gemeinsamen Starttermin gab. Meist war das der 15-Uhr-Termin, ab dem die Classic-Spieler ihre kürzeren Partien begannen. Das fand dergestalt statt, daß die meisten Open-Spieler zusammen mit ihren nach CH-System zugeordneten Gegnern schon in der Schwarzwaldhalle und in der direkt angrenzenden Gartenhalle auf ihren Plätzen saßen, dann der Turnierdirektor Sven Noppes erst auf aktuell Anliegendes einging und dann die Classic-Spieler unter Applaus einzeln zu ihren Plätzen auf der Bühne bat. Es gab dann einen offiziellen ersten Zug durch einen Ehrengast, danach durften alle anfangen.

Grenke Chess Festival 2024 in Karlsruhe

Neben den Classic-Partien fanden auf der Bühne auch wenige Open-Spitzenpartien statt, der spätere Sieger das A-Opens Hans Moke Niemann ist deshalb auf dem dritten Foto auf der Bühne erkennbar. Vor der Bühne befanden sich einige auf die Bühne hin ausgerichtete Stuhlreihen für die Zuschauer, dann kamen die Tische für die Open-Spieler. Die Zuschauer konnten an der Bühnenwand hinter den Classic-Spielern deren Partien mitverfolgen. Die Partien waren auch via Internet verfolgbar. Viele der A-Open-Spieler hatten ebenfalls Bretter mit automatischer Zugerkennung, deren Züge potentiell via Internet verfolgbar waren. Das hatte als ich es am Gründonnerstagabend ausprobierte schrittweise funktioniert, so in der Art erst 40 und dann 70 Bretter. Trotz dieser Holprigkeiten ist der zunehmende Umfang aus Turnieren direkt in das Internet übertragener Partien aber trotzdem sehr bemerkenswert.

Holprigkeiten und Unzulänglichkeiten sind zu erwarten. Gerade wenn etwas zum ersten Mal gemacht wird würde man sich wundern, wenn alles perfekt funktioniert. Problemen steht die Freude gegenüber, daß sich überhaupt jemand so einen Event an das Bein bindet. In Karlsruhe schien mir die Stimmung deutlich über so eine abwägende Haltung hinaus sehr gut gewesen zu sein. Als der Turnierdirektor bei seiner letzten 15-Uhr-Ansprache dem Hauptsponsor Grenke dankte, die Hoffnung auf eine Neuauflage im nächsten Jahr äußerte und seinen Mitorganisator Christian Bossert aus dem Hintergrund hervor bat um ihm stellvertretend für die Mitarbeiter zu danken, die das alles mit ermöglicht hatten, gab es jeweils großen Beifall. Ein kurzes Interview mit den Organisatoren des GRENKE Chess Open & Classic Sven Noppes und Christian Bossert gibt es auf Youtube. Für mehr Hintergründe kann man sich bei den Perlen vom Bodensee durchhangeln, dort hat Conrad Schormann das Grenke-Schachfestival schon über Jahre begleitet. In den zurückliegenden Jahren die Frage, ob das Grenke Open und Classic überhaupt wieder stattfindet. Dann das Geschehen während des Festivals und später in einem Rückblick auf das Grenke-Schachfestival.

Bei ähnlichen Turnieren wie dem Karlsruher (mit mehr als 2000 Teilnehmern weniger) ist man „zu meiner Zeit“ (meine Wertungszahl ist über 30 Jahre alt) fast immer über eine mehrjährige Vereinsmitgliedschaft gelandet. So einen Hintergrund hatten aktuell vermutlich auch viele der Karlsruher Teilnehmer. Aber heute gibt es auch den Weg sich via Internetplattformen im regelgerechten Spiel zu üben und sich dann bei einem Offline-Turnier anzumelden. Das Grenke Open begünstigte dieses. Der einfache Zugang und die Laufnähe zwischen den Open begünstigte auch die Teilnahme von mitspielenden Angehörigen. Als eine weitere „zu meiner Zeit“ ungewöhnliche Teilnehmergruppe wären die Kinder zu erwähnen. Ich erinnere mich nur an Gegner die mindestens im schulischen Mittelstufenalter waren. Heute gibt es zahlreiche Jugendopen mit Spielern ab U8, U10 oder U12 von denen eine größere Zahl auch beim Karlsruher Turnier unterwegs war.

Grenke Chess Festival 2024 in Karlsruhe

Passend zu meinem Blogstandort stehen in München in Kürze mehrere Schachturniere an, deren Ausschreibungen man sich bei Interesse einmal ansehen kann. Mit einigen Holprigkeiten startete letztes Jahr ein Münchner Schachfestival, das in diesem Jahr ab dem 19. Mai wiederholt wird. Unter den angebotenen Turnieren wäre das ab 26. Mai stattfindende Münchner A-Open mit dem Karlsruher A-Open vergleichbar. Im Rahmen des Festivals gibt es aber auch eigene Jugend-Open und ein kurzes Hobbyturnier für vereinslose Spieler und Spieler ohne oder mit niedriger Wertungszahl.

Sich zeitlich mit dem Schachfestival München überschneidend findet die diesjährige Münchner Einzelmeisterschaft vom 25. Mai bis 2. Juni 2024 statt. Sie richtet sich an Spieler, die für einen Verein des Schach-Bezirksverbands München spielberechtigt sind. Spielern die diese Voraussetzung nicht erfüllen böte sich vom 29. Mai bis 02. Juni 2024 ein offenes Begleitturnier an. Die Ausschreibungen zu den Turnieren finden sich auf der Website des Schachbezirks München.

Auf dieser Website wäre auch noch der Hinweis auf „Faszination Schach von und mit GM Sebastian Siebrecht“ vom 24. bis 29. Juni in München zu beachten: „Der Essener Großmeister Sebastian Siebrecht tourt wieder durch die größten deutschen Einkaufszentren, um den Schachsport publikumswirksam zu präsentieren und viele für den Denksport zu begeistern“

Dienstag, 26. März 2024

Heimatmuseum Unterhaching

Auf dem ersten Bild ist die Eingangsseite des Unterhachinger Heimatmuseums zu sehen. Drinnen findet man sich zunächst am Ende der Eiszeit und in der Jungsteinzeit wieder und kann sich nach links wendend hufeisenförmig an der Wand entlang in der Zeit voran bewegen. An der Stirnseite des Raumes gelangt man zu dem sensationellen Unterhachinger Gräberfund aus der Zeit um 500, derentwegen es 2010 eine eigene Ausstellung in der Münchner Archäologischen Staatssammlung gegeben hat. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand finden sich viele weitere Informationen bis in die neuere Zeit.

Eingangsseite des Heimatmuseums Unterhaching

Das zweite Bild ist beim gegenüber dem Eingang liegenden Ende des Hufeisens entstanden. Ganz links im Bild der Unterhachinger Heimatpfleger Günter Staudter neben seinem seinerzeit jüngsten Beitrag für das Heimatmuseum, einem von ihm selbst beim Abbruch eines Unterhachinger Jugendstilhauses gerettetem Fenster. Günter Staudter wird nach 20 Jahren Amtszeit Ende März 2024 aus dem Amt scheiden. In der Bildmitte ist Paul Hirschauer zu sehen, der mit einschlägigen Fachkenntnissen jahrelang beim Aufbau des Heimatmuseums mitgeholfen hat. Rechts der an diesem Tag seitens des Trägervereins diensthabende Peter Jenkel. Er hatte als Architekt das Heimatmuseum baulich gestaltet und war zudem derjenige, der durch seinen Anruf 2004 die Ausgrabungen der sensationellen Gräberfunde ausgelöst hat.

Günter Staudter, Paul Hirschauer und Peter Jenkel im Heimatmuseum Unterhaching

Als die drei Herren sich voneinander verabschiedeten fiel mehrfach der Begriff „Zufall“. Ich hatte mich im Wald westlich von Unterhaching verradelt und war nahe am Abbruch. Im Heimatmuseum war mir noch nicht klar, warum ich schlußendlich in dieser Richtung nach Unterhaching gekommen war. Vielleicht war das mein Ticket, um zu dem Treffen der drei Herren dazukommen zu dürfen. Die Innenaufnahmen entstanden letztes Jahr am zweiten Oktobersonntag, da war der Himmel bedeckt und mir half keine Sonne. Die sonnigen Außenaufnahmen entstanden etwas später an Allerheiligen.

Innenbereich des Heimatmuseums Unterhaching

Im Heimatmuseum gab es nicht nur eine zeitliche Orientierung, sondern durch eine begehbare Landkarte des Hachinger Baches auch eine räumliche. Die dominante Bedeutung des Hachinger Bachs erschließt sich schnell über die vielen eingezeichneten ehemaligen Siedlungsstellen entlang seines Verlaufs, wenn man sich den etwa vier Minuten dauernden „Flug über den Hachinger Bach“ ansieht. Dieses Zusammenspiel der Siedlungen mit dem Hachinger Bach ist in Perlach sehr schön mittels dem im Gelände kenntlich gemachten Verlauf eines archäologisch nachgewiesenen römischen Mühlkanals nachvollziehbar. Der Mühlkanal soll zusammen mit einer Mühle zu einem römerzeitlichen Gehöft gehört haben, das in Sichtweite einer Siedlung mit einer weiteren Mühle am Hachinger Bach lag. Und diese beiden Siedlungsstellen sollen wiederum Teil einer ganzen Siedlungskette entlang des Hachinger Bachs gewesen sein.

Innenbereich des Heimatmuseums Unterhaching

Die wertvollen Funde in den Unterhachinger Gräbern stellen eine Momentaufnahme aus der Zeit etwas über 100 Jahre später dar, als bei der zerstörten Mühle in Perlach wieder eine Neubesiedlung nachgewiesen werden konnte. Im Fall der Unterhachinger Gräber wurde als eine Erklärung für die vermutlich sehr hochrangigen Bewohner die Funktion des Hachinger Tals als Nord-Süd-Verbindung herangezogen. Schon die römerzeitliche Siedlungskette hatte sich nahe des nördlichen Ausgangs des Gleißentals mit einer wichtigen römischen Ost-West-Verbindung von Salzburg nach Augsburg gekreuzt.

Innenbereich des Heimatmuseums Unterhaching

In den letzten Jahrzehnten sind die am Hachinger Bach anliegenden Gemeinden extrem gewachsen. Aber bis dahin spielte der Bach sehr lange eine dominierend Rolle. Bild 9 zeigt den Glonnerhof, wo die sensationellen Grabfunde gemacht wurden. Der ist etwas über 100 Meter vom Hachinger Bach entfernt. Bild 10 zeigt einen 2023 errichteten Brunnen, der laut dem von Günter Staudter gestalteten Text an die mittelalterliche Trinkwasserversorgung erinnern soll. Am Standort, dem früheren Kirchgassenplatz, befand sich der Dorfbunnen, der ausschließlich zur Trinkwasserversorgung der Bevölkerung diente. „Zum Waschen, Gießen und zum Viehtränken ging man an den Hachinger Bach“. Beim Fotografieren der Brunnenerinnerung hatte ich den Hachinger Bach etwas über 10 Meter entfernt im Rücken und war vom Glonnerhof etwa 150 Meter weit weg. Auf den Texten der Perlacher Informationstafeln sind übrigens auch entdeckte römerzeitliche Brunnen nahe des Mühlkanals erwähnt. D.h. das Wasser könnte über Jahrtausende ähnlich genutzt worden sein.

Innenbereich des Heimatmuseums Unterhaching

Daher ist der übergreifende Ansatz weit über Unterhaching hinaus sowohl bei der Bachlandkarte als auch bei der App des Heimatmuseums „Hachinger Bach“ sehr gut nachvollziehbar. Man möge sich deshalb bei Interesse nicht nur das umfangreiche Angebot der App zu Unterhaching ansehen, sondern die App auch für Touren zu den Keltenschanzen bei der Römerstraße durch das Gleißental in Erinnerung behalten. Umgekehrt würde ein Besuch im Unterhachinger Heimatmuseum natürlich auch gut zur Perlacher Mühlgraben-Visualisierung oder zu diesjährigen Oberhachinger Festivitäten zum 1275-jährigen Bestehen passen.

Innenbereich des Heimatmuseums Unterhaching

Die ikonische Unterhachinger Scheibenfibel sollte ab der Wiedereröffnung der Archäologischen Staatssammlung in der dortigen Dauerausstellung zu sehen sein. Im aktuellen Vortrag von Dr. Brigitte Haas-Gebhard „Die Welt der Baiuvaren“ kommt sie ab Minute 41:40 vor und ist mit einem Dauerausstellungssternchen markiert. Ich bin etwa ab Mitte der 1990er Jahre auf Museumstouren öfters in der Archäologischen Staatssammlung gelandet. Es war schön sich dort die Dauerausstellung anzusehen und danach noch im Englischen Garten spazieren zu gehen. In Sonderausstellungen der Archäologischen Staatssammlung bin ich nur zufällig geraten. Ich glaube die erste Münchner archäologische Sonderausstellung die ich gezielt angesteuert habe war „Odysseus - Mythos und Erinnerung“ im Haus der Kunst 1999.

Innenbereich des Heimatmuseums Unterhaching

Ich habe damals in kurzer Fußwegentfernung zum Unterhachinger Gebiet in Taufkirchen in einem vermutlich nicht sehr lange zuvor bebauten Gebiet gut erreichbar von der Autobahnausfahrt zu arbeiten begonnen. Untergekommen bin ich im ersten Monat bei einem Freund aus meiner alten Heimat und seiner Familie. Danach wurde wie abgesprochen die Wohnung eines Projektkollegen von ihm im südwestlichen München frei. Ich mußte also weder in einer nahen Unterkunft vorübergehend nächtigen und mir abends die Zeit vertreiben noch in der Gegend nach einer Wohnung suchen. Das obige Verradeln illustriert meine vielen hier weiß gebliebenen Flächen. In dieser Zeit haben mehrere neue Kollegen angefangen, bei denen wäre glaube ich auch ein Einführungspaket mit ein paar Abenden Heimatkunde auf Interesse gestoßen. Und ich hätte die Termine noch nicht mit zuviel Spezialfragen ausgebremst.

Der Glonnerhof in Unterhaching - 2004 Fundort sensationeller Grabfunde

In dem Zusammenhang wäre zunächst das Angebot von Peter Jenkel bei der Begrüßung zu erwähnen: „Wenn Sie Fragen haben..“. Also man kann sich vornehmen erst mal die Ausstellung anzusehen und dann zu fragen. Das Heimatmuseum bietet aber auch auf Wunsch Sonderführungen an. Darauf so ein kleines Paket abzusprechen hätten wir aber damals kommen müssen, wenn es das Heimatmuseum und das Führungsangebot schon gegeben hätte. Über dieses Angebot hinaus findet man bei der Internetrecherche einige Berichte über stattgefundene heimatkundliche Führungen in Unterhaching und Umgebung mit unterschiedlichen Anbietern. Vielleicht wären solche Angebote sogar die modernere Version - man sieht in der Mittagspause etwas und klickts an und hat es gebucht. Aber ich wüßte jetzt nicht wie man gerade Anstehendes schnell findet.

Erinnerung an den ehemaligen Unterhachinger Dorfbrunnen

Zum Abschluß als Beispiel für ein älteres Angebot „Unterhaching Hören“ von der VHS Unterhaching mit einem Audiostück zum Hörpfad „Der Schatz vom Glonner Weg“, in dem sich Gertraud Schubert mit Peter Jenkel über die Entdeckung der dortigen Gräber unterhält. Peter Jenkel ist auch in der Hachinger-Bach-App zu hören. Ich habe jetzt nicht abgeglichen ob die VHS-Hörpfade komplett in der App verbaut wurden, sehe hier jetzt aber auf der VHS-Seite auch keinen prominenten Hinweis auf die App.

Montag, 4. März 2024

Gemischte Links

Die Ausstellung in der Münchner Archäologischen Staatssammlung soll nach Jahren der Sanierung ab dem 17. April 2024 wieder allgemein zugänglich sein. Vorab wurden im Januar und Februar in der Archäologischen Staatssammlung mehrere Vorträge unter reichlichem Einbezug der ab April zu sehenden Ausstellungsstücke angeboten. Von diesen Vorträgen gibt es Videos, die man sich auf dem Youtube-Kanal der Archäologischen Staatssammlung ansehen kann.

Der Einbruch im November 2022 im Kelten Römer Museum Manching, einem Zweigmuseum der Archäologischen Staatssammlung, war aktuell ein Thema in der 3sat-Sendung „Profiler im Museum - Mit Geheimdienstmethoden gegen Diebesbanden“. Der Film soll noch bis Anfang 2029 verfügbar bleiben.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege bietet in München derzeit wieder kostenfreie Montagsvorträge an. Zu Teilnahme ist eine Anmeldung via der Münchner Volkshochschule nötig, dabei kann man zwischen einem Vortrag vor Ort und einer Online-Teilnahme wählen.

Alfred Platschka ist schon lange Zeit auf verschiedenen Plattformen unterwegs und dürfte vielen von uns über seine Website Lechrain-Geschichte oder seine Artikel bei MyHeimat bekannt geworden sein. Spät habe ich jetzt via einem Kommentar von ihm zu Epfach / Abodiacum mitbekommen, daß er die Karriere des von mir im Zusammenhang mit Epfach erwähnten Claudius Paternus Clementianus in einem Roman unter dem Titel „Clavdivs Paternvs Clementianvs: Eine römische Karriere“ verarbeitet hat. Im Bericht von der Lesung Alfred Platschkas im Landsberger Autorenkreis - Ein Römer im Autorenkreis - 29.06.2023 gibt es mehr Informationen zum Autor, zu seinem Buch und zum Epfacher Museum.

Wie mein Abschnitt über Claudius Paternus Clementianus im Blog nahe legt, ist er hier relativ bekannt. Er ist wegen seiner keltischen Vorfahren für die lokale Geschichte sehr bedeutsam. Denn wenn nach dem Einmarsch der Römer noch an herausgehobene Kelten das Bürgerrecht vergeben werden konnte, dann müssen dafür hinreichende keltische Strukturen erhalten geblieben sein. Mein Blog-Eintrag stammt von 2019, 2022 gab es einen aktuell immer noch frei zugreifbaren Spektrum-Artikel über Claudius Paternus Clementianus, der die Grundlagen von dem aufdröselt, was über ihn bekannt ist: Der „Kelte, der den Posten von Pontius Pilatus übernahm“.

Montag, 26. Februar 2024

Der römische Mühlkanal am Perlacher Oberen Hofanger

Nahe des vom Hachinger Bach durchflossenen Pfanzeltplatzes mit der barocken Pfarrkirche St. Michael, dem Ortsmittelpunkt des 1930 zu München eingemeindeten Dorfes Perlach, gab es in den 1990er Jahren archäologische Ausgrabungen.

Hachinger Bach in Altperlach, im Hintergrund die Kirche St. Michael

Bei den Ausgrabungen konnten Teile eines römerzeitlichen Landgutes nachgewiesen werden. Unter anderem ein 35 Meter langen Mühlkanal und die Pfostenlöcher einer dazugehörigen Wassermühle, Zerstörungsspuren durch Brände und deutlich später Grabstellen einer frühmittelalterlichen Neubesiedlung.

Hachinger Bach beim Altperlacher Krankenhaus

Bei der später auf dem Ausgrabungsgelände erstellten Grünanlage am Perlacher Oberen Hofanger hat man versucht einen Teil der archäologischen Ergebnisse im Gelände darzustellen. Der Mühlkanal wurde mittels einer langen Bodenvertiefung und kurze gemauerte Teile kenntlich gemacht. Jahre später sind 2016 mit ehrenamtlicher Hilfe des Festrings Perlach Erläuterungen auf Informationstafeln hinzugekommen.

Altperlacher Grünanlage am Oberen Hofanger

Ich finde diese Veranschaulichungen mit Informationstafeln sehr gelungen. München-Perlach verschwimmt aus meiner Sicht geschichtlich, Neuperlach etwa gilt als eine der größten deutschen Satellitenstädte. Altperlach hatte über viele Jahrhunderte eine andere Logik, die einer Verbindung mit dem Hachinger Bach gefolgt ist. Diese Veranschaulichungen am Oberen Hofanger vermitteln dieses Leben mit dem Hachinger Bach und zudem auch noch den hohen Stand, den dieses Leben in der Römerzeit hatte. Der römerzeitliche Hof wird auf den Informationstafeln ausdrücklich als Teil einer ganzen Siedlungskette bezeichnet und auf eine ähnliche Mühle in Sichtweite auf dem Gelände des heutigen Südfriedhofs hingewiesen.

Archäologische Informationstafel in der Grünanlage am Oberen Hofanger in München-Perlach

Meine Fotos stammen vom vorletzten Samstag. Drängender stünde eigentlich ein Bericht von meinem letztjährigen Besuch im Heimatmuseum Unterhaching an. Die Ursprünge Unterhachings gehen aber auch auf ein Dorf am Hachinger Bach zurück, der Hachinger Bach wird dort ebenfalls eine herausragende Rolle spielen. Die Verbindung bis in die römische Zeit könnte ich dort aber nur beschreiben, von Perlach habe ich nun die Fotos vom veranschaulichten Mühlkanal. Deshalb schiebe ich die vor dem Heimatmuseum Unterhaching ein, um von dort aus auf den Perlacher Mühlkanal zurückverweisen zu können.

Archäologische Informationstafel in der Grünanlage am Oberen Hofanger in München-Perlach

Im Gegenzug will ich hier schon die „Hachinger Bach“-App des Heimatmuseums Unterhachings empfehlen. Die App geht über das Gebiet Unterhachings hinaus und ist allgemein eine Empfehlung um sich über den Hachinger Bach zu informieren. Wer einen Eindruck gewinnen will mag sich zumindest den etwa vier Minuten dauernden „Flug über den Hachinger Bach“ ansehen.

Archäologische Informationstafel in der Grünanlage am Oberen Hofanger in München-Perlach

Die auf den Informationstafeln am Oberen Hofanger erwähnte seinerzeit in Sichtweite gelegene römische Siedlung im Bereich des heutigen Neuen Münchner Südfriedhofs in München-Perlach hatte ich 2015 im Rahmen meines Besuchsberichts von der Keltenschanze auf dem Friedhof in München-Perlach erwähnt, aber da eher den zeitlichen Bogen weiter zurück zu den Kelten und die häufige Verbandelung mit bronzezeitlichen Grabhügeln geschlagen.

Kenntlich gemachte frühmittelalterliche Grabstellen am München-Perlacher Oberen Hofanger

Wer die Mühlkanalmulde am München-Perlacher Oberen Hofanger besuchen möchte, dem böte sich eine Kombination mit dem Südfriedhof und einem Spaziergang entlang des Hachinger Bachs an. Je nach Route käme man da auch beim Festring Perlach mit einem Offene-Tür-Angebot an zweiten Samstagen in den meisten Monaten des Jahres vorbei. Der Park mit dem veranschaulichten Mühlkanal befindet sich westlich der Einmündung der Hofangerstraße nördlich anliegend an der München-Perlacher Schmidbauerstraße. Wenn man mit dem Bayerischen Denkmal-Atlas gut zurecht kommt, findet man die Stelle schnell via Umstellen des Suchfeldes auf die Denkmalnummer und der Suche nach der Denkmalnummer D-1-7835-0448 Die Keltenschanze auf dem Friedhof hat die Denkmalnummer D-1-7935-0112 Die danebenliegende „Siedlung mit Mühlen und Werkplatz der mittleren und späten römischen Kaiserzeit“ die Denkmalnummer D-1-7935-0262

Grünanlage am München-Perlacher Oberen Hofanger mit kenntlich gemachtem römerzeitlichen Mühlkanal

Folgt man dem beschriebenen Gedanken der Siedlungsketten, dann wären natürlich auch Kombinationen mit entfernteren Besuchszielen entlang des Hachinger Bachs interessant. Etwa das erwähnte Unterhachinger Heimatmuseum oder das Taufkirchener Keltenhaus, in dessen Umfeld sich eine Villa rustica befand. Oder die bei Deisenhofen durchlaufende römische Verbindungsstraße zwischen Augsburg (Augusta Vindelicorum) und Salzburg (Iuvavum) mit besser als auf dem Perlacher Friedhof erhaltenen Keltenschanzen. Im Bereich Deisenhofen wäre etwaigen Ausflugsinteressenten auf jeden Fall zu empfehlen auch die diesjährigen Angebote Oberhachings zum 1275. Geburtstag im Auge zur behalten.