Letzten Sonntag haben wir zuerst die Villa Rustica Möckenlohe und dann das nahe liegende Kastell Pfünz (Castra Vetoniana) besucht. Wie vom Internet versprochen wurde es in unserem Zielgebiet ein fast regenfreier Nachmittag. Eine Regenwolke wartete zwar schon auf uns, als wir aus dem Haus gingen, und verfolgte uns bis Ingolstadt. Dann war bis auf ein paar Tropfen bei der Villa Rustica Ruhe. Und als wir vom Kastell Pfünz aus schließlich eine dunkle Wolkenfront gesehen haben, waren wir mit unserem Besuch schon durch und sind zurück nach München gefahren.
Mit unserem Eintreffen zur Öffnungszeit der Villa Rustica um 13 Uhr und abends wieder zuhause war das fast schon ein Halbtagesausflug. Alternativ böte es sich an, ab dem Kastell Pfünz auf der Trasse der ehemaligen Römerstraße in Richtung Süden zu wandern (die ehemalige Straße ist im ersten Bild neben der Replik eines römischen Meilensteins zu erkennen). Im nahen Wald soll es an der Strecke einen römischen Steinbruch geben - ich weiß nicht ob es da noch etwas zu sehen gibt. Die Römerstraße führte dann weiter in ein Gebiet mit sehr guten Böden und zahlreichen, bis in Jungsteinzeit zurückreichenden Besiedlungsspuren.
In diesem fruchtbaren Gebiet sind nahe beieinander liegend gleich mehrere römische Gutshöfe nachgewiesen, von denen die Villa Rustica Möckenlohe rekonstruiert wurde. Die Römerstraße führte weiter bis Nassenfels, einst ein bedeutender römischer Zentralort. Martin Bernstein hat eine Kombination Pfünz - Möckenlohe - Nassenfels in seinem Buch „Römerstraßen und Kultplätze“ vorgeschlagen, wobei ich seinen Plan - kleines Schwarzweiß-Luftbild mit aufgemalter Strecke - nicht für so geeignet halte. Also vielleicht besser etwas auf Wanderkartenniveau, das mit via BayernViewer-denkmal ermittelten Zielen zur Deckung gebracht werden kann.
Nördlich unterhalb des Kastells Pfünz liegt die Altmühl, in römischer Zeit ein wichtiger Übergang hin zum etwa 10 km nördlich und nordöstlich verlaufenden Limes und einer nordwestlich in das römische Weißenburg führenden Straße. Das Kastell selbst liegt, wie Erika Riedmeier-Fischer und Thomas Fischer in „Der römische Limes in Bayern“ schreiben, „auf dem Kirchberg hoch über dem Dorf, einem Jurasporn zwischen den Tälern der Altmühl und des Pfünzer Baches.“
Das ist eine für römische Kastelle atypisch gute Verteidigungsposition. Wer schon einige Limeskastelle hinter sich hat, wird von der Lage überrascht sein. Für Neueinsteiger ein Zitat aus „Welterbe Limes - Roms Grenze am Main“ von Bernd Steidl: unter der Überschrift „Kastelle - Städte im Kleinen“ schreibt er „Römische Kastellanlagen waren trotz vorgelagerter Gräben und hochragender Wehrmauern keine auf Verteidigung ausgerichteten Befestigungswerke, sondern umwehrte Kasernen von stark urbanem Charakter. Das erklärt auch den im Laufe der Zeit voranschreitenden Ausbauzustand, der nicht selten zunehmende Bequemlichkeiten, äußere Verschönerungen und ein insgesamt repräsentatives Erscheinungsbild hervorbrachte“.
Beispiele dieses nicht so sehr auf die Verteidigung ausgerichtet sein hatte ich mit den Limes-Cicerones kennengelernt: das Aalener Reiterkastell würde ich als auf einem großflächig sanft abfallenden Gelände liegend bezeichnen. Noch deutlich ungünstiger lag das Kastell Osterburken unterhalb eines relativ stark abfallenden Hangs. Das in Osterburken an das Kastell angehängte und in den Hang hineingebaute Annexkastell sieht zumindest wie ein verteidigungstechnischer Korrekturversuch aus. Wie sich die Denkweise nach dem Fall des Limes änderte, zeigt das Beispiel des Kastells Eining. Dort hat man einen besser verteidigbaren Burgus in eine Ecke des Kastells gebaut.
Auf der Hochfläche oberhalb Pfünz angekommen sieht aber alles wieder nach einem typisch aufgebautem Limeskastell aus: das Kastell ist keineswegs an alle drei abfallenden Seiten des Sporns angepasst, sondern zeigt die typische Rechteckform und nützt nur mit der an den Hang herangerückten Ostseite die für die Verteidigung günstige Lage bestmöglichst aus. In der Interaktiven Grafik des Historischen Vereins Eichstätt wird dieses abfallende Gelände auf der Ostseite des Kastells m.A. nach nicht deutlich. Im Westen und im Norden des Kastells blieben Freiflächen. Auf der schmäleren Fläche im Westen reicht das heutzutage immerhin noch für einen größeren Parkplatz. Mein zweites Bild ist von der Westseite aufgenommen und zeigt die beiden Gräben, die auf dieser Seite des Kastells noch am besten erhalten sind. Nach einer Infotafel soll auf der Ostseite wegen der Lage ein Graben eingespart worden sein, an den anderen drei Seiten hätte es zwei gegeben. Nach „Der römische Limes in Bayern“ und Wikipedia (ein sehr umfangreicher Artikel zu Pfünz) gab es auf der Südseite nur einen Graben, der besonders breit und tief war.
Im rekonstruierten Eckturm herumkletternd habe ich über den Sinn von Normierungen nachgedacht. Wachdienst einteilen war einfacher, Notfallpläne mußten nur einmal erstellt werden. Erfahrene Soldaten kannten die Schwachstellen eines Kastells - ihre Gegner mit der Zeit sicher auch. Vielleicht war für eine flexiblere Lösung im System gar keine Verwaltungs- und Entscheidungskompetenz verfügbar und vorgesehen. Vielleicht war auch wirklich das vermittelte Lebensgefühl die wesentliche Komponente.
Das Castra Vetoniana muß ziemlich plötzlich gefallen und Kastell und Kastellort in einem Brand zerstört worden sein. Mehr dazu gibt es im ausführlichen Text zum Kastell Pfünz in der Wikipedia zu lesen. Das Ausnützen der Hanglagen war letztlich überhaupt nicht mehr entscheidend, wenn - wie in der Wikipedia spekuliert wird - die Angreifer möglicherweise garnicht als solche rechtzeitig erkannt wurden.
Die Rekonstruktion eines Teils der Umwehrung des Kastells gilt in „Der römische Limes in Bayern“ als „wenig geglückt“. Die Wikipedia hat das aufgegriffen. Vor Ort gibt es zum heutigen Stand der Diskussion auf einer der Infotafeln etwas zu lesen (siehe Bild 12). Der Heimatverein Vetoniana berichtet über die Entwicklung von den Ausgrabungen bis hin zur Rekonstruktion und schreibt: „Wenn das Projekt der Rekonstruktion des Kastells Pfünz auch seine Kritiker hat, zeigt doch das große Interesse der Besucher aus fern und nah, daß es richtig ist, Zeugen der alten Zeit wieder sichtbar zu machen.“
Vor Ort sieht es wirklich so aus, daß die Rekonstruktion für die meisten Besucher die Hauptattraktion ist. Wir sind ja auch dort am längsten hängen geblieben. Vielleicht kamen so etwas über 20 Besucher in den eineinhalb Stunden, in denen wir bei dem ehemaligen Kastell waren. Davon ist eine Mehrzahl vom Parkplatz via Westtor nur zur Rekonstruktion im Norden und wieder zurück gelaufen, hat also nicht den kompletten Rundweg um die Ostseite des Kastells gemacht.
Man könnte diese Rekonstruktion als Vorlage nehmen, um zu zeigen wie es nach heutigem Stand wahrscheinlicher gewesen ist. Dazu müßte man sauberer zwischen dem trennen, was vermutet wird, und da am besten die Plausibilät angeben und Gegenstimmen zulassen, und dem, was in Pfünz wirklich nachgewiesen wurde, außerdem müßte das bildhaft besser dargestellt werden. Platz wäre für Text und Bilder bei einer Kombination von Infotafeln und QR-Code im Web genug vorhanden.
Um die Augmented Reality vom letzten Eintrag weiterzuspinnen: ein komplettes Kastell wäre wohl ferne Zukunftsmusik. Aber vielleicht erleichtert die Rekonstruktion die Bilderkennung und kann als „Marker“ dienen. Dann könnte man die Rekonstruktion mit reingerenderten zusätzlichen Turmstockwerken, Gesims, weißem Verputz und rotem Fugenstrich sehen.
Vielleicht müßte es hinter der Mauer eine breitere Erdaufschüttung geben? In „Welterbe Limes - Roms Grenze am Main“ gibt es eine derartige alte seitliche Vorher-/Nachher-Rekonstruktionszeichnung der umgestürzten und dadurch erhalten gebliebenen Wehrmauer von Wörth. Oder ist man von der Erdaufschüttung wieder abgekommen? In dem Buch gibt es auch ein Foto von abgerundeten Zinndecksteinen aus dem Kastell Obernburg, die bräuchte man hier vielleicht auch noch.
Was anscheinend wirklich nichts Besonderes mehr darstellt sind Computermodelle. Am vorletzten Donnerstag wurde in Arte ein Tauchgang in die Vergangenheit zu einer untergegangenen bronzezeitlichen Stadt vor der griechischen Küste gesendet. Ich hoffe der Link funktioniert noch eine Weile. Rechts oben sieht man ein Bild eines Tauchers neben einem hineingerenderten Haus bzw. hineingerenderten Steinen. Das ist sicher keine Augmented Reality für ihn gewesen, sondern eine nachträgliche Filmbearbeitung. Es zeigt aber, daß die zugrundeliegende Technik alltäglich wird. Unterhalb das Foto eines Modells der bronzezeitlichen Stadt, die auf 3d-Scans des Meeresbodens beruht. Mehr zur Technik gibt es in diesem Youtube-Video: Pavlopetri - City Beneath the Waves - 'rebuilt'.
Ich fand es sehr interessant, daß die Computer-Modellierer der Häuser laut Arte-Film mit vor Ort waren. Gut, ist ja auch sinnvoll und vielleicht wissen auch schon alle außer mir, daß das mittlerweile so ist. Ich hatte eine Erzählung im Kopf, nach dem ein Archäologenteam nahe der Jahrtausendwende Architekten für Zeichnungen mit zu einer Ausgrabung genommen hatte. Wenn mittlerweile auf Computermodelle umgestellt wurde und wir schon viele Modellierer haben, dann müßte es doch möglich sein den derzeitigen Forschungsstand zu Pfünz in einem vor Ort abrufbaren Computer-Modell darzustellen.
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