Wer den letzten Eintrag über die Spes von Bertel Thorvaldsen gelesen und sich auch etwas für die Ägineten aus den Giebelfeldern des Aphaia-Tempels interessiert hat, wird sicher einiges im ersten Bild wiedererkennen: den Mittelakroter, hier ohne Mädchen, auf dem Aphaia-Tempel mit den Mädchen rechts und links. Die beiden Eckakrotere. Und die Athene in der Mitte der Skulpturen im Giebelfeld, wie in den beiden Giebelfeldern des Aphaia-Tempels von Ägina. Darunter noch ionische Säulen, also unzweifelhaft Elemente eines Tempels. In dem Fall ist es ein Musentempel, die Münchner Glyptothek.
In den Giebelfeldern des Aphaia-Tempels tobte der Kampf um Troja, bzw. ging gerade zuende, wenn die Interpretation von Prof. Dr. Wünsche zutreffend ist. Hier dagegen ein wesentlich friedlicheres und ruhigeres Bild: in der Mitte Athene als Athena Ergane, Beschützerin der plastischen Künste, an ihren Seiten verschiedene Kunsthandwerker beim Arbeiten. Die Athena Ergane soll eine Vorgabe von Klenze und dem späteren bayerischen König Ludwig I gewesen sein, die seit 1818 Martin von Wagner Entwürfe für das Giebelfeld entwickeln ließen. Für das Giebelfeld des Gebäudes gegenüber war die Vorgabe, die für die heimischen Künste zuständige Bavaria darzustellen. Dieses spätere „Kunst- und Industrie-Ausstellungsgebäude der Förderung der Kunst und des Gewerbes“ beherbergt heute die Antikensammlungen.
Das Giebelfeld wirkt wegen des leeren rechten Bereichs unstimmig. Seit einigen Monaten weiß ich, daß dort wirklich etwas fehlt. Neben dem leeren Bereich rechts und den offensichtlichen Kriegsbeschädigungen gibt es noch eine andere, weniger in das Auge fallende größere Abweichung vom Orginalzustand: der Mann links von der Athene sollte eigentlich nicht an einem Tischchen sitzen und den Hintern der Athene ansehen. Er war als Tonbildner oder Koroplastes beim Modellieren einer sich auf einem Dreifuß befindlichen Spes ausgeführt. Das war die im letzten Blog-Eintrag erwähnte verschollene Spes des Bildhauers Ernst Mayer, die wegen des kriegsbeschädigten Dreifusses in das Depot kam, und dort von Dr. Ernst Theodor Mayer im Sommer 1959 noch gesehen wurde.
Man kann sich die Zustände vor und nach dem Krieg im Bildarchiv Foto Marburg ansehen. Die Fassade der Nachkriegs-Glyptothek mit den Kriegszerstörungen ist besonders interessant, sie wäre mittels der Suchworte „Portikus kriegszerstört 1946“ zu suchen. (Und den im letzten Blog-Eintrag erwähnten Kopf der Sphinx gibt es im Bildarchiv via „Sphinx Mädchenkopf Aigina“.)
Ich vervollständige noch etwas was es dort oben gab bzw. heute noch gibt (die Informationen habe ich wie zum letzten Blog-Eintrag von Dr. Ernst Theodor Mayer): links neben dem Tonbildner / Koroplastes von Ernst Mayer steht ein Toreut mit Hammer und Eisen, auf die 2. Spes-Figur gestützt, von Ernst von Bandel. Der Toreut bearbeitet Metalle durch Ziselieren, Treiben, Punzen und teilweise durch Gießen in Formen. Dann der Ornamentist / Ornamentbildhauer / Steinmetz über ein Korinthisches Kapitel gebeugt von Francesco Sanguinetti und schließlich der Circumlitor / Enkaustes, er trägt in Wachs gebundene Farbpigmente heiß den Marmor-Statuen auf und ist hier beim Bemalen der 3. Spes im Glyptothek-Giebelfeld zu sehen. Eine zweite Figur von Ernst von Bandel, dem späteren Schöpfer des Hermann-Denkmals im Teuteburger Wald. Danach von Ernst Mayer eine liegende Sphinx, eine Amphore mit Lotosblüten-Dekor und ein Würfel mit sitzendem ägyptischem Ehepaar im linken Eck (ebenfalls erst nach dem Krieg abhanden gekommen).
Rechts der Athena vom Bildhauer Johannes Leeb der kriegsbeschädigte Statuarius oder Bronzefiguren-Gießer, rechts daneben der Sculptor oder Bildhauer, an eine Herme gelehnt, ehemals mit einem im Krieg verlorenen Kopf (beide von Ernst Mayer, der verlorene Kopf war ein Selbstbildnis), dann der Xyloglyph oder Holzbildhauer von Ludwig von Schwanthaler und der von Ernst Rietschel mit einem Selbstbild-Kopf modellierte und von Johannes Leeb ausgeführte Töpfer. Dann die heute fehlenden „Töpferwaren“ Stamnos ( = antikes Vorrats-Gefäß), Lekythos ( = griechische Vase für Olivenöl)und Kylix ( = flache antikeTrinkschale mit Handgriffen). Nach Dr. Ernst Theodor Mayer standen alle drei der in Laaser Marmor von Ernst Mayer ausgeführte Töpferwaren nach dem Krieg noch im Giebelfeld der Glyptothek (das ist auch im genannten Bild mit den Nachkriegszerstörungen zu sehen), wurden aber etwa Ende der 60-er Jahre an unbekannten Ort verbracht.
Daran schließt sich wieder wie im Falle der Spes von Ernst Mayer im letzten Blog-Eintrag die Frage an, ob jemand Kenntnisse über den Verbleib hat? Einsendeschluß gibt es zu dieser Frage keinen, also wer in zwei Jahren auf diesen Blog-Eintrag stößt und sachdienliche Hinweise geben kann, mag dies bitte tun.
Bei der anderen Frage im letzten Blog-Eintrag, wo die dort abgebildete Kopie der Spes von Bertel Thorvaldsen zu sehen ist, kann ich dagegen jetzt die Lösung verraten: es ist die Villa Stuck. Wie schon etwas befürchtet gibt es keine Kommentare oder Mails mit richtigen Lösungen. Wie im Bild zu sehen ist, stehen dort sogar beide Mädchen, links und rechts der kapitolinischen Wölfin. Für diejenigen, denen die Mädchen zu süßlich sind, noch eine Amazone, auch von der Villa Stuck.
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1 Kommentar:
Weitere Informationen über das weltberühmte Laaser Marmor aus Südtirol, auch bekannt gewesen mit der Bezeichnung Tiroler Marmor, Vinschgauer Marmor und Göflaner Marmor.
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