Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) meldete am letzten Mittwoch unter dem Titel „Wikipedia trifft Archäologie“ den ersten Wikipedian in Residence in einer deutschen wissenschaftlichen Einrichtung. Marcus Cyron soll „in den nächsten sechs Monaten den Austausch zwischen dem DAI und der ehrenamtlichen Wikipedia-Community anregen und professionell begleiten“.
Wikipedia-bedingt kann man über ihre Autoren viel erfahren, wenn sie ihren wirklichen Namen verwenden. Da kann jeder der will selbst nachsuchen. Im Blog hatte ich Marcus Cyron schon im Eintrag zu den Wissenschaftsblogs, da ist ein nachlesenswertes Chatprotokoll („Wikipedia trifft Geschichtswissenschaft“) mit ihm verlinkt.
Es gibt durchaus Konfliktlinien mit der Wikipedia, wobei im Chatprotokoll schon einiges speziell zu den Historikern relativiert wurde: Prof. Dr. Uwe Walter hält es etwa so, daß „auch allgemeine Printlexika wie Brockhaus in der Regel nicht zitierfähig sind“ (das ist die alte Qualitätsdebatte), und Marcus Cyron kennt sogar einige Historiker, die „durchaus sehr netzaffin sind“. Aber in der Praxis sieht man im altertumswissenschaftlichen Bereich immer noch institutionelle Linklisten, in denen auffallend nicht die Wikipedia verlinkt wird, während man anderseits keine Probleme damit hat, schon tote oder ziemlich schwache Internetprojekte zu empfehlen.
Manchmal will eine Institution die Bevölkerung zu einem bestimmten Thema informieren und hält dazu deutlich weniger Informationen als ein konkurrierender Wikipedia-Artikel bereit. Noch dazu ist der Wikipedia-Artikel mit vielen weiterführenden Informationen verlinkt. Die Institution könnte einen Einstieg bereithalten und dann weiter auf die Wikipedia verlinken. Daß man es nicht tut, hat vielleicht damit zu tun, daß man sich nicht deren Inhalte zu eigen machen will. Es könnte ja ein Vandale Unfug in die Wikipedia schreiben. Es könnte auch sein, daß beim Denken immer Print im Vordergrund steht, gedruckte wissenschaftliche Publikationen, Pressearbeit, hinten fällt noch etwas für das Internet herunter. Da wäre man dann auch nicht so interessiert, wie das im Internet besser gemacht werden könnte. Oder man hat eine Art Informationstafel-Konzept: man gibt im Internet eine Grundinformation und wer mehr wissen will soll in die Bibliothek gehen. Und selbst wenn man sieht, daß andere mehr bieten, glaubt man nicht, daß das vom „normalen“ Laien da draußen verlangt wird. Ganz im Widerspruch zur Internetökonomie - ich habe ja schon in „Film, Filmchen, Videos“ mitgeteilt, daß ich Chris Andersons Buch „The Long Tail“ gelesen habe.
Wie die Websites nun auch zustande gekommen sind, für ihre Besitzer müßte diese auf ganz anderen Grundgedanken basierende DAI-Mitteilung schon ein ziemlich frischer Wind sein, wenn sie die Mitteilung zur Kenntnis nehmen würden. Früher hatte ich gedacht, Museen oder Archäologen freuen sich, wenn ich hier mal ihre Website oder Presseberichte über ihre Ausstellung oder ihre Ausgrabung verlinke und dann ein paar Leute mehr von ihrer Arbeit lesen. Heute gehe ich davon aus, daß solche Verlinkungen in der Mehrzahl nicht registriert werden. Ich glaube, das brauche ich nicht persönlich zu nehmen, das wird sogar die online gestellten Printartikel betreffen. Insofern ist auch dieses in der DAI-Mitteilung formulierte Ziel geradezu revolutionär: „Sollte die Verknüpfung von Wikipedia-Artikeln mit den entsprechenden Quellen in DAI-Systemen zur Regel werden, steigt damit die Sichtbarkeit der Leistungen des DAI und die Häufigkeit der Aufrufe seiner Inhalte im Netz.“
Angesichts der Diskussion um das anstehende Leistungsschutzrecht für Presseverlage habe ich ja schon die Anzahl der Links auf Online-Presseartikel deutlich gesenkt. Mal sehen, wie das mit den Pressemitteilungen von Museen, Denkmalämtern etc. wird. Darf man aus denen noch zitieren, wenn sie irgendeine Zeitung abgedruckt hat, oder sind sie dann wegen deren Abdruckleistung geschützt? Jedenfalls, wenn ich heute als Blogger auf einen Artikel verlinken will, und es gibt zum selben Thema auch einen Artikel in einer Online-Zeitung in Österreich oder in der Schweiz, dann würde ich den ausländischen Artikel bevorzugen.
Jetzt gibt es aber doch noch zwei Links auf inländische Pressebeiträge im Schwäbischen Tagblatt - und ich hoffe diese Beiträge bleiben noch ein wenig online gestellt. Hier der Artikel „Pernicka gibt Lizenz als Ausgräber von Troja ab“ und hier der Kommentar „Troia steckt im tiefen Tal“, beide von Raimund Weible. Sagen wir es so: ich wollte diese Nachricht über die abgegebene Lizenz sowieso im Blog unterbringen, unabhängig vom Oberthema „wie teile ich meine Erkenntnisse dem interessierten Publikum mit“. Das wirkt schon etwas wie eine Zäsur - Heinrich Schliemann und Troja - gibt es da nicht deutsche Gewohnheitsrechte? Und Prof. Ernst Pernicka kommt immer gut in den Medien rüber, ich habe sehr gern Interviews mit ihm gesehen oder gelesen, wenn ich derer habhaft wurde. Aber angesichts diesem „wie teile ich meine Erkenntnisse dem interessierten Publikum mit“, dem vom Kommentator unterstellten Desinteresse der Universität Tübingen, der Frage, ob deutschen Archäologen das Vermitteln ihrer Erkenntnisse nahegebracht wird (ich meine jetzt die ganzen Projektteams und diejenigen, die zukünftig im Team wären und das Projekt weiterführen) und ob deutsche Geldgeber sie zu einer zeitgemäßen Vermittlung anhalten würden? Könnte es vielleicht nicht sogar mit den Amerikanern besser werden? Und das Problem mit dem Leistungsschutzrecht würde auch entfallen.
Abschließend noch zwei Hinweise. Den ersten auf den Film die „Die Bernsteinstraße“, der letzten Samstag in Arte gesendet wurde. In dem Film geht die befestigte Bronzezeit-Siedlung bei Bernstorf / Kranzberg wieder in Flammen auf. Einmal in einer fiktiven Handlung - bronzezeitliche Ägypter sind auf der Suche nach dem Ursprung des Bernsteins - und einmal ein rekonstruiertes Teilstück in einem wissenschaftlichen Versuch. Den Film kann man derzeit noch ansehen, ich weiß nicht wie lange er noch verfügbar ist. 7 Tage? Und wie wird mit den Wiederholungen gerechnet, am übernächsten Mittwochmorgen gibt es noch eine?
Noch ein Sprung in die Stadtgeschichte Münchens nach meiner Obergrenze Spätantike. Stephan Gröschler hat sich der Grabung am Marienhof gewidmet. Das Gelände liegt gleich hinter dem Münchner Rathaus, auf der gegenüberliegenden Seite ist der Marienplatz. Ich hatte auf Stephans Engagement schon im Blog-Eintrag „Quizzy zeigt uns Neptun“ hingewiesen. Jetzt schreibt er dort in einem Kommentar, daß er Bilder von einer aktuellen Führung in seinem Blog eingestellt hat und daß wir auch in die Führung sollen, sie „kostet nix, dauert ca. 1,5 Std.“ und ist vielleicht nur noch dieses Jahr möglich. Also schauen wir doch mal seine Bilder von der Führung über die Grabungen am Marienhof in München an und dann nichts wie ab in die Führung!
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